Gelsenkirchen. Der Rat der Stadt Gelsenkirchen hat den Haushalt für 2020 verabschiedet. Neben der SPD stimmten auch die Grünen dafür. Neuer Stadtbaurat gewählt.

Nach allen Meldungen und Berichten der vergangenen Wochen ist die Nachricht an sich keine große Überraschung mehr: Der Rat der Stadt Gelsenkirchen hat am Donnerstag den Haushalt 2020 verabschiedet – mit den Stimmen von SPD und Grünen.

Klaus Haertel (SPD) lobt die Grünen und kritisiert die CDU

Dass die Grünen den Etat mittragen, begründete SPD-Fraktionschef Klaus Haertel auch mit dem eigenen Entgegenkommen: „Diesmal konnten wir zeigen, wir sind kompromissbereit, wenn man mit Inhalten und Augenmaß mit uns verhandelt.“ Die Verhandlungen mit den Grünen hätten „große Schnittmengen“ zu den eigenen Vorstellungen gezeigt. Beispiel dafür sind laut Haertel: die Ausweitung des Quartiersmanagements im Rahmen der Stadterneuerung, der angestrebte Ringschluss der Straßenbahnlinie 301 und 100.000 Euro für kurzfristige Klimaschutzmaßnahmen.

Auch interessant

Kritik äußerte Haertel an der CDU für die erneute Ablehnung des Haushalts. Vor allem warf er der Fraktion überzogene finanzielle Forderungen vor: „Der Verzicht auf die konditionierten Beschlüsse zur Grund- und Gewerbesteuer ist ein ganz alter Hut. Im Bedarfsfall hätte uns der Verzicht insgesamt fast 18 Millionen Euro gekostet. Das wäre für die Bezirksregierung eine Kriegserklärung gewesen.“ Beantragt hatte die CDU auch die Einrichtung von Service-Points beim Kommunalen Ordnungsdienst (KOD). Haertel: „Für den Haushalt hätte das eine Belastung von deutlich über zwei Millionen Euro bedeutet.“

Sascha Kurth (CDU) kontert SPD-Kritik

CDU-Fraktionsgeschäftsführer Sascha Kurth konterte. „Ja, diese Forderung ist nicht günstig. Aber: Wir als CDU-Fraktion meinen, dass es uns das wert sein sollte.“ Darüber hinaus hätte es auch Vorschläge gegeben, die gratis zu haben sind. „Wir haben uns auch für veränderte Zielsetzungen im Haushalt eingesetzt. Unter anderem für großflächigen Einzelhandel, um unsere Nahversorgung für moderne Verkaufskonzepte zu öffnen und so zu sichern. (...) Auch über diese Fragen wollten sie mit uns nicht sprechen.“

Grünen-Fraktionschef Peter Tertocha betonte die aus seiner Sicht sehr erfolgreichen Verhandlungen mit der SPD: „Es ist kein einziger grüner Antrag einfach abgelehnt worden. Wir finden, dass dies ein sehr gutes Verhandlungsergebnis (...) ist.“

Hartmut Preuß (AfD) spricht über Flüchtlinge und Zuwanderer

Kaum ein Wort zum Haushalt, dafür umso mehr zur Situation mit Flüchtlingen und Zuwanderern in Gelsenkirchen: Für die AfD trat Hartmut Preuß ans Rednerpult. Die Attraktivität Gelsenkirchens für Menschen aus Südosteuropa sei ungebrochen, so Preuß, und verwies auf steigende Zahlen. Die Antwort auf die Frage, wie man Geld aus dem Haushalt einsetzen könnte, um diese Situation zu verbessern, blieb er schuldig – was Oberbürgermeister Frank Baranowski prompt kritisierte: „Spannend wäre gewesen, wenn Sie uns Ihre Vorstellungen und Vorschläge zum Haushalt mitgeteilt hätten. Damit die Menschen auch mal erfahren, wofür Sie hier Ihr Sitzungsgeld kassieren.“

Die Linke lehnte den Großteil des Haushaltspakets ab. „Wir erkennen gute Ansätze zur Verbesserung der städtischen Lage“, so der Fraktionsvorsitzende Martin Gatzemeier, „aber diese sind noch unzureichend.“ Er fordert die Entschuldung der Kommunen und eine vollständige Gegenfinanzierung der Folgekosten von Arbeitslosigkeit.

Christoph Heidenreich, neuer Stadtbaurat von Gelsenkirchen

Christoph Heidenreich 
Christoph Heidenreich  © Stadt Gelsenkirchen

Der Rat der Stadt hat am Donnerstag auch Christoph Heidenreich einstimmig zum neuen Stadtbaurat und damit zum Vorstand für den städtischen Bereich Planen, Bauen, Umwelt und Liegenschaften gewählt. Der 38-Jährige folgt Martin Harter, der seit Ende 2014 dieses Amt inne hatte und nun als Planungs- und Baudezernent nach Essen wechselt. „Ich freue mich auf die Zusammenarbeit und darauf, dass ich mit Ihnen gemeinsam die Stadt gestalten darf“, so Heidenreich nach der Wahl.

Heidenreich ist aktuell Technischer Beigeordneter und Stadtbaurat in Herten. Außerdem ist er für die Entwicklung der ehemaligen Bergbaustandorte in Herten zuständig. Sein Amt in Gelsenkirchen wird er im Frühjahr antreten. Heidenreich ist verheiratet, hat ein Kind.


>>> WEITERE AUSZÜGE AUS DEN HAUSHALTSREDEN <<<

Klaus Haertel: „Gelsenkirchen ist auf einem guten Weg“

Klaus Haertel
Klaus Haertel © FUNKE Foto Services | Joachim Kleine-Büning

Weil es die letzte Haushaltsentscheidung dieser Legislaturperiode war, blickte SPD-Fraktionschef Klaus Haertel ein paar Jahre zurück: „Diese Wahlperiode war eine, in der die Vorgaben des Stärkungspaktes uns in jedem einzelnen Haushaltsjahr strenge Vorgaben auferlegten. Wir haben es geschafft, sie zu erfüllen. Und dafür hat eine politische Kraft regelmäßig ihren Kopf hingehalten: die SPD! Unsere Stadt ist damit nicht nur ständig finanziell handlungsfähig geblieben, sondern sie hat auch wieder eine Perspektive für die Zukunft. Das ist gelungen, ohne wesentliche Strukturen dieser Stadt aufzugeben – ganz im Gegenteil: Wir haben sie häufig genug auch noch ausgebaut. Und es ist zusätzlich gelungen, die Stadt mit den nötigen Investitionen und Weichenstellungen zukunftsfest zu machen.“

Kritik äußerte Haertel an der CDU. Er verwies auf den Haushaltsspielraum von 2,7 Millionen Euro und die dagegen teuren Forderungen der CDU. Dafür reiche „einfache Mathematik, um festzustellen, dass Sie den Haushaltsausgleich durch diese Beschlüsse hätten platzen lassen“. Die Folgen laut Haertel: „Wir wären unmittelbar danach unter der Zwangsverwaltung des Landes gewesen.“ Damit wären nicht nur CDU-Wünsche gescheitert: „Aber unsere Zukunftsinitiativen wären dann daran auch gescheitert. Und dazu sind wir nicht bereit.“

Für Haertel war es die letzte Haushaltsrede: „Die Haushaltsberatungen in meiner Fraktion waren unter meinem Vorsitz immer geprägt von dem Willen, bei knappen Ressourcen das Beste für unsere Bürger (…) zu erreichen. Das war nicht immer einfach. Es beruhigt mich allerdings ein wenig, dass ich dazu beitragen konnte, meinen Nachfolgern eine Stadt hinterlassen zu können, die in den Jahrzehnten immer ein Stück besser geworden ist und die auch weiter auf einem guten Weg ist.“

Sascha Kurth: „Das ist nicht der Haushalt der CDU“

Sascha Kurth
Sascha Kurth © Funke Foto Services | Joachim Kleine-Büning

„Wir haben uns bei unserer Entscheidung in den letzten Jahren – wie in diesem Jahr – immer von den Fragen leiten lassen, ob dieser Haushalt geeignet ist, die Zukunftsfragen unserer Stadt zu beantworten, ob er Schwerpunkte richtig setzt und welche Impulse er beinhaltet.“ Für CDU-Fraktionsgeschäftsführer Sascha Kurth ist ein Nein zum Haushalt damit folgerichtig. „Auch in diesem Jahr fehlt uns der sprichwörtliche schwarze Faden im Haushalt, fehlen uns Antworten auf dringende Fragen für unsere Stadt.“ Dies beginne für seine Fraktion beim Thema Klimaschutz: „Wir haben uns für eine Aufforstungsinitiative eingesetzt, in unserem Vorschlag ein einziger neuer Baum pro Tag, um unseren Beitrag zum Klimaschutz auch wirklich erst mal ansatzweise zu leisten. Über diesen Vorschlag wollten Sie mit uns nicht mal reden“, so seine Kritik Richtung SPD, die er im weiteren Verlauf der Rede verallgemeinert, weil es in keinem Bereich „ein Interesse der SPD gab, auf die Suche nach einer gemeinsamen Lösung zu gehen“.

Zur Kritik, die CDU-Vorschläge seien alle so teuer, rechnete Kurth rot-grüne Vorhaben vor, sprach von „200.000 Euro hier, 100.00 Euro gestückelt an anderer Stelle“ und führte weitere Summe an. „Worauf es ankommt: Wenn man die richtigen Schwerpunkte setzen will, ist auch Geld da. Die CDU-Anträge sind also nicht zu teuer, sondern sie wollen schlicht auf die Anliegen die dahinter stehen nicht eingehen.“

Abschließend sagte Kurth: „Wir als CDU sind überzeugt: Unsere Stadt braucht Veränderung. An einigen wenigen Stellen haben wir in diesen Haushaltsberatungen versucht, dafür die richtigen Schrauben zu drehen. Das will die Mehrheit hier nicht. Das ist demokratisch legitim. Aber dann ist das eben auch nicht der Haushalt der CDU.“

Die Grünen sind mit den Verhandlungen zufrieden

„Die meisten unserer Anträge sind (...) im Hauptausschuss unverändert beschlossen worden“, so Grünen-Fraktionschef Peter Tertocha. „Bei einigen Anträgen ist ein Konsens gefunden worden, mit dem wir sehr gut leben können.“

Was das Ja zum Haushalt für die Zukunft heißt: „Trägt ein Haushaltsplan eine klare grüne Handschrift, dann stimmen wir zu.“ So sei das Ja „kein politischer Fingerzeig für Spekulationen über politische Konstellationen nach der Kommunalwahl“. Es sei eine urgrüne Position, themenorientiert zu arbeiten und Mehrheiten zu suchen. „Wir haben in diesem Jahr den Haushaltsplan mit unseren Anträgen deutlich nach vorne gebracht. Eins kann ich Ihnen allen versprechen: Das ist nur der Anfang!“

Die Linke kritisiert den Stärkungspakt

„Acht Jahre Stärkungspakt – und was hat es uns gebrach?“, fragte Linken-Fraktionschef Martin Gatzemeier und kritisierte eine seiner Meinung nach daraus resultierende Reduzierung der Handlungsfähigkeit der Verwaltung.

Sein Beispiel: „Fachpersonal fehlt an allen Ecken und ist auch nicht zu bekommen, weil in der freien Wirtschaft bessere Gehälter gezahlt werden oder aber auch andere Städte durch Beihilfen stärkere Argumente haben. Dass im Stellenplan für 2020 mehr Stellen eingestellt wurden ist erfreulich, damit sind diese aber noch lange nicht besetzt. Man muss erst einmal Leute finden, die sich von Gelsenkirchener Herausforderungen nicht abschrecken lassen.“

Stimmen von AfD, WIN, AUF und Jürgen Hansen

Hartmut Preuß (AfD) kritisierte den schlechten Zustand Gelsenkirchens und machte dafür Oberbürgermeister Frank Baranowski verantwortlich: „Ihre Bilanz ist ernüchternd!“ Und: „Der Niedergang Ihrer Partei wird auch vor Gelsenkirchen nicht Halt machen.“ Auf den Haushalt ging er lediglich zu Beginn seiner Rede ein und sagte zum prognostizierten Überschuss von 2,4 Millionen Euro: „Treffen manche Erwartungen nicht ein, kann aus dem Plus schnell ein Minus werden.“ Den Optimismus könne er nicht teilen. Die AfD lehnte den Etat-Plan ab.

Auch Ali-Riza Akyol (WIN) thematisierte Gelsenkirchens Zustand und verwies auf jüngste Studien. Diese in ihrer Aussagekraft anzuzweifeln, kritisierte er: „Sie müssen sich davon freimachen, dass Wissenschaftler damit beschäftigt sind, Studien zu entwickeln, in denen Gelsenkirchen schlecht abschneidet.“ Von ihm gab’s ein Nein zum Etat.

Für AUF trat Jan Specht ans Rednerpult. Er sprach von einer neuen Weltwirtschaftskrise und kritisierte den Umgang mit seinen Ideen und Vorschlägen bei den Haushaltsberatungen. „Unsere Vorschläge wurden aus parteipolitischen und auch antikommunistischen Gründen abgelehnt.“ Er lehnte gestern den Haushalt ab.

Einzelmandatsträger Jürgen Hansen, den viele Ratsmitglieder in der nächsten Legislaturperiode in den Reihen der SPD sitzen sehen, erwähnte, was in den vergangenen Jahren alles angestoßen wurde: das Sportstättenprogramm, das neue Bäderkonzept, die Sicherheitspartnerschaft, die Quartiersprojekte und der Integrationsprozess der Migrantinnen und Migranten – „alles Maßnahmen und Projekte, die wir gemeinsam trotz leerer Kassen umgesetzt oder auf den Weg gebracht haben“. Hansen gab bei der Abstimmung sein Ja zu allen Bereichen des Haushalts 2020.