Gelsenkirchen. Für jedes Brötchen müssen Händler ab 2020 dem Kunden einen Bon aushändigen. Die WAZ hörte sich auf dem Markt in Buer um: Was halten Sie davon?
Die Zettelwirtschaft wird zur Zwangsabgabe: Ab Januar müssen Händler für jedes gekaufte Teil einen Bon ausstellen. Selbst für das einzelne Mohnbrötchen. Christian Zipper, Chef der Werbegemeinschaft in Erle und Inhaber von acht Bäckereifilialen, sieht die Entwicklung differenziert, kritisch, aber ohne Empörungspotenzial. „Einerseits wird vom Staat eine gesamte Branche unter Generalverdacht gesetzt, Steuern zu hinterziehen“, klagt er. Andererseits würden aber immer noch Milliardenbeträge unterschlagen.
Kassenbon-Pflicht: Zipper hat extra ein Seminar besucht
Um die neue Vorschrift zu verstehen, hat Zipper extra ein Seminar besucht. „Na klar“, sagt er, „ist das eine gewaltige Papierflut.“ Die Kosten für den Händler würden steigen, die verwendeten Thermorollen dürfen nicht im Altpapier entsorgt werden. „Kassenbons sollten im Restmüll entsorgt werden. Denn meist werden sie auf Thermopapier gedruckt, das mit der schädlichen Chemikalie Bisphenol A beschichtet ist“, warnt das Umweltbundesamt.
Zwar wird Bisphenol A ab dem kommenden Jahr verboten, wie das Umweltbundesamt erklärt. Dass die Ersatzstoffe aber weniger gesundheitsschädlich sind, bezweifeln Umweltschützer. Der BUND fordert deshalb ein Verbot von ganzen Chemikaliengruppen statt immer nur einzelner Stoffe.
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„Umwelttechnisch ist das eine Finte“, sagt Zipper. „Bitte nicht!“, fordert auch eine Besucherin des buerschen Wochenmarktes, die namentlich nicht genannt werden möchte. Bestellen, bezahlen, gehen – so einfach wird es ab Januar nicht mehr sein. „Wenn man weiß, wie lang die Schlangen gerade am Samstag an den Verkaufsständen sind, dann kann man nur befürchten, wieviel länger man in Zukunft warten muss. Ich habe zählen und rechnen gelernt, ich brauche zur Kontrolle keinen Bon.“
Vorwurf: „Das ist Aktionismus, den keiner braucht“
„Die meisten Kunden wollen keinen Bon“, sagt auch Matthias Schneiders, Inhaber eines Gemüsehofs in Meerbusch, der dreimal wöchentlich den buerschen Markt ansteuert. „Ich weiß noch gar nicht, ob ich ab Januar wirklich jede Gurke in die Kasse eintippen muss. Ich lass mich überraschen“, so Schneiders.
„Das ist Aktionismus, den keiner braucht“, schimpft Andreas Wojda, stellvertretender Marktsprecher. Dennoch werde er ganz gelassen die Entwicklung abwarten. „Mir hat noch niemand gesagt, dass ich ab Januar Bons an die Kunden verteilen muss“, berichtet Daniela Marek. Seit vier Wochen verkauft die Gelsenkirchenerin auf dem Markt selbst gekochte Eintöpfe, Kaffee und Waffeln.
Zipper plädiert für eine Gleichbehandlung aller Händler
Während man auf dem Markt gespannt der Dinge harrt, die zwangsläufig kommen werden, plädiert Zipper für eine Gleichbehandlung aller Händler. „Wir setzen jetzt europäische Vorgaben um, die in den Nachbarländern bereits seit Jahren gelten“, berichtet er. Was er allerdings nicht versteht, ist, dass zum Beispiel die Händler auf den Flohmärkten an der Trabrennbahn und der Arena von der Regelung nicht betroffen sind. „Die Gruppe interessiert den deutschen Gesetzgeber nicht. Da bekommt man leider den Eindruck, dass nur dort durchgegriffen wird, wo es leicht ist, abzuschöpfen“.
Im europäischen Ausland stehe auch diese Gruppe unter strenger Kontrolle. „Der Gleichheit in Europa hinken wir hinterher“, so Zipper.
Das sagt das Bäckerhandwerk
Das deutsche Bäckerhandwerk hält die Bon-Pflicht für Irrsinn. „Wir reden über die Reduktion von Einwegbechern, schaffen dann aber auf der anderen Seite Müllberge aus beschichtetem Papier“, sagt Daniel Schneider, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands des Deutschen Bäckerhandwerks dem Berliner Tagesspiegel.
Schneider rechnet vor: Bei durchschnittlich 100.000 Kunden je Verkaufsfiliale würden sich über fünf Milliarden Bons aus Papier im Jahr ansammeln. Das entspreche nur für das Bäckerhandwerk der zweieinhalbfachen Strecke von der Erde bis zum Mond.