Novemberpogrome und Wiedervereinigung – beides fällt auf einen Tag. Warum die Erinnerung daran so wichtig ist. Ein Kommentar am Ende der Woche.
Der 9. November ist ein besonderer Tag. Seit 1938, seit 1989. Beide Jahreszahlen stehen miteinander in Verbindung. Denn ohne den NS-Terror, ideologische Hetze, Rassenwahn, Verfolgung, Krieg, völlige Zerstörung und Millionen Toter wäre es nicht zur deutschen Teilung und zwei deutschen Staaten auf Zeit gekommen, wohl auch nicht zu einer weiteren Diktatur auf deutschem Boden. Wie die Novemberpogrome 1938 zum Fanal für den Mord an den Juden und entsetzliches Leid wurden, so ist der 9. November ein Zeichen für den Neubeginn, eine zweite historische Chance.
Ein Freudentag, trotz aller Schwierigkeiten in der Folge. Es ist zusammen, was zusammen gehört. Und es ist so unendlich viel bewegt, verändert, geschaffen worden. Das geht manchmal unter, wenn immer noch 30 Jahre nach dem Mauerfall manche Ost-West-Befindlichkeiten befremden.
Mitten aus der Stadtgesellschaft
Das zu erinnern, ist wichtig. Nicht zu vergessen auch. Ob beim Feiern oder Gedenken. Soll man also 81 Jahre nach der Pogromnacht immer noch mit einem Schweigemarsch, Reden und Liedern an die brutalen Folgen von Unrechtsherrschaft und brauner Diktatur erinnern? Natürlich! Liegt das nicht alles fern? Nein. Die Mörder und die Opfer von einst kamen mitten aus der Stadtgesellschaft. Der Ton ist wieder rauer geworden, Alltagsrassismus macht sich breit. Was lange nur von rechtsaußen gegeifert wurde, ist längst nicht mehr tabu. „Das wird man ja wohl noch sagen dürfen….?“ Nein. Zumindest nicht unwidersprochen.
Dass Demokraten, Kirchen, Verbände heute zum Demonstrationszug aufrufen, ist wichtig und mehr als nur Erinnerungsritual. Es ist auch ein Zeichen für Wachsamkeit und Wehrhaftigkeit. Und leider nach wie vor nötig.