Gelsenkirchen. Hubertus Hölscher prangert Teil der geplanten Maßnahmen als unverhältnismäßig an: Gelsenkirchens Betriebe könnten Umsetzung nicht finanzieren.
Die Trecker-Demonstration der Bauern in Bonn mag ein paar Tage her sein – verraucht ist die Wut von Hubertus Hölscher, Vorsitzender des Landwirtschaftlichen Lokalvereins Buer, über die neuesten Regierungspläne in Sachen Agrarpolitik aber noch lange nicht. „Hier werden uns mit brachialer Gewalt Anforderungen aufgestülpt, die wir nicht erfüllen können. In der Folge gefährdet das alles unsere Existenz“, ärgert sich der Resser über das „unrealistische Bild von Landwirten, das uns zu Sündenböcken der Nation in Sachen Umwelt- und Tierschutz macht“.
Am liebsten wäre der 46-Jährige, Landwirt in siebter Generation, mit nach Bonn gefahren. „Aber durch den Regen ist so vieles liegen geblieben, dass ich das bei dem schönen Wetter erstmal aufarbeiten musste.“ Dass die Natur den Dienstplan der Bauern bestimmt, ist für ihn selbstverständlich, „im Gegensatz zur Politik, die in immer kürzeren Abständen Standards festlegt, die sich aber nicht so schnell umsetzen lassen. Denn das Wachsen braucht Zeit, da kann man nicht so plötzlich umsteuern.“
Das Verbot der Zwischendüngung im Herbst lehnt der Ortslandwirt ab
Wenn laut neuer Gülle-Verordnung, die im Mai 2020 vom Bundesrat verabschiedet werden soll, Zwischenfrüchte im Spätsommer nicht mehr gedüngt werden dürften, sei es für die Pflanzen schwierig, an Nährstoffe zu kommen. „Nach der Düngung im Frühjahr sind die Nährstoffe in Schichten von fünf bis 20 Zentimeter gelangt – viel zu tief für die neu abgelegten Körner in ein bis drei Zentimetern Tiefe“, so Hölscher. So werde das Ziel der Zwischenfrucht-Aussaat – Durchwachsung des Bodens, Beschattung, Humusbildung und Verringerung des Unkraut-Drucks – konterkariert. Über Art und Weise sowie Dauer der Zwischendüngung lasse sich ja diskutieren, nicht aber über die Notwendigkeit an sich.
Die Einhaltung einer Stickstoff-Obergrenze von 170 Kilogramm pro Hektar Fläche hält er zwar für machbar – bislang galt sie im Durchschnittswert, bezogen auf den gesamten Betrieb –, „aber manche Pflanzen benötigen mehr als diese Menge, um gut zu gedeihen; die Politik sollte sich da auf die Expertise der Landwirte verlassen“, betont Hölscher.
Bauern klagen über Mangel an landwirtschaftlich nutzbaren Flächen
Ein großes Problem in Zusammenhang mit der Gülle-Ausbringung sei auch der landwirtschaftliche Flächenbedarf. „Weil mir zum Beispiel durch das Neubaugebiet am Buerschen Waldbogen 20 Prozent weniger Betriebsfläche als früher zur Verfügung steht, musste ich jetzt meine Schweineställe vier Wochen lang leer stehen lassen, da ich sonst zu viel Gülle gehabt hätte. Und das geht vielen Landwirten so.“
In Gelsenkirchen etwa sei von den knapp 50 Mitgliedern des Lokalvereins nur noch eine Handvoll Betriebe hauptberuflich in der Landwirtschaft aktiv, die übrigen hätten sich auf Pferdepensionen verlegt oder ein anderes Verdienst-Standbein. „Gerade Familienbetriebe wie die in unserer Stadt werden die großen Verlierer der aktuellen Agrarpolitik sein, da sie sich die Umsetzung einfach nicht mehr leisten können.“ Viele seien durch die ständig neuen Anforderungen verunsichert und stellten notwendige Investitionen zurück, weil sie nicht wüssten, ob sie Kredite unter geänderten Vorgaben noch bedienen könnten.
Glyphosat-Verbot bis 2023 sei aufwendig, aber machbar
Das geplante Glyphosat-Verbot bis Ende 2023 hält er für „machbar“, auch wenn der Aufwand bei der Unkrautvernichtung wachsen werde. „Es wird aber immer gerne vergessen, dass der Haupt-Abnehmer von Glyphosat die Deutsche Bahn ist und nicht wir Landwirte.“
Die künftig vorgeschriebene Anlage eines Feldrands als Rückzugsgebiet für Insekten befürwortet Hölscher, problematisch sei allerdings, „dass wir das alles zum Nulltarif machen sollen. Von den Politikern geht ja auch niemand ohne Gehalt arbeiten.“ Er selbst hatte in Zusammenarbeit mit dem heimischen Imkerverein im Frühsommer in Resse eine 4500 Quadratmeter große Wiese für Wildblumen zur Verfügung gestellt, um dem Insektensterben entgegenzuwirken. Dafür suchte er Sponsoren, die einen Euro für einen Quadratmeter Bienen-Lebensraum spenden sollten – und fand um die 250. „Das Projekt zeigt doch, dass die Verbraucher bereit sind, für Umweltschutz-Projekte zu zahlen“, freut er sich auf eine Wiederholung in 2020. Insgesamt müsse die Politik mehr mit den Bauern sprechen und weniger über sie. „Schließlich sind wir es, die für die Grundlage der menschlichen Existenz sorgen.“