Gelsenkirchen-Feldmark. Die Gäste kommen im passenden Outfit in den Gelsenkirchener Stadtbauraum und genießen den Babylon-Vintage-Abend. Eine sentimentale Zeitreise.
Fast möchte man den einzigen Stilbruch des Abends bedauern, aber Balgenkameras auf Holzstativen und Magnesium-Blitzpulver für das Erinnerungsfoto wurden beim ersten Babylon-Vintage-Abend im historischen Schachtgebäude Oberschuir von Smartphones nur aus technischen Gründen ersetzt. Ansonsten bot diese Zeitreise in die „wilden 20er-Jahre“ des vergangenen Jahrhunderts alles bis ins Detail, um ein bisschen Sentimentalität herbeizuzaubern.
Selbst Steampunk-Fans wären an diesem Retro-Abend übertroffen worden. Denn die Gäste im heutigen Stadtbauraum an der Boniverstraße hatten nicht etwa mit Mottenpulver konservierte Relikte angelegt, sie präsentierten stilecht die Mode der längst vergangenen Zeit. Da gab es die Schiebermütze, den Bowler-Hut, die Hosenträger, die Fliege zum Stehkragen, das Charleston-Kleid mit Fransen, die Federboa und den Fuchspelz (synthetisch), die Zigarettenspitze, Kapotthütchen und den glitzernden Stirnreif mit Feder.
Stummfilm-Erinnerungen im Tanz
An die Stummfilm-Ära erinnerte die Tänzerin Gerlind O. Schweppe an Isadora Duncan, die den sinfonischen Ausdruckstanz schuf, und dabei ein eigenes Körper- und Bewegungsgefühl propagierte und klassische Konzertmusik zu Motiven der griechischen Mythologie verwendete. Wohlgemerkt: Sie gründete ihr Tanzschul-Internat 1904 in Berlin und starb mit gerade 50 Jahren 1927.
Hörens- und Wissenswertes boten auch die Bandonion-Freunde Essen mit Sängerin Gabi Beckenbach, die die Klassiker von Marlene Dietrich und Zarah Leander gekonnt präsentierte. Ganz nebenbei klärte sie auch den vermeintlichen Streit um die Schreibweise „Bandonion“ oder „Bandoneon“. Demnach war das Bandonion in der Bergarbeiter-Kultur unverzichtbar. Dann fand es seinen Weg an den Rio de la Plata und kehrte mit dem Tango Argentino zurück, spanisch ausgesprochen als „Bandoneon“.
Bergarbeiter-Instrument kam mit dem Tango zurück
Gabi Beckenbach schwärmt von dem Instrument mit seinem Tonumfang „wie eine Orgel“, und erzählt, „eine von uns spielt noch nach Wäscheleine“, weil die Kumpels oft keine Noten lesen konnten, half man sich mit Nummern auf der Vorlage, die denen auf den Tasten des Bandoneons entsprachen. „Wir müssen ihr die Noten immer übersetzen.“