Gelsenkirchen-Bismarck. Seit Juni wird die Gelsenkirchenerin vermisst. Die Familie geht von einer Beziehungstat aus. Von der Polizei fühlt sie sich nicht informiert.
Am Sonntag, 23. Juni, gegen 1 Uhr in der Nacht wurde Anna S. das letzte Mal in Gelsenkirchen gesehen. 88 Tage ist das her. 88 lange Tage, in denen sich die Angehörigen sorgen, in denen es viele Vermutungen, aber wohl keine belastbaren Beweise gab. 88 Tage, an denen sich die Staatsanwaltschaft Essen bedeckt hielt und Informationen auf ein Minimum beschränkte, an denen ermittelt wurde – und in denen der Frust bei den Angehörigen wuchs. „Man hat uns mehrfach versprochen, man würde mit uns reden, aber dann ist wochenlang nichts passiert. Am Anfang wurden uns einige Fragen gestellt, aber danach tat sich nichts mehr. Dass hier ein Gewaltverbrechen vorliegt, „haben wir von Anfang an vermutet“. Aber die Polizei, findet Dirk D., der Schwager, habe nicht entsprechend reagiert.
5000 Euro Belohnung ausgesetzt
Annas Schwester Edith, die mit ihrem Mann Dirk ganz in der Nähe am Trinenkamp in Bismarck wohnt, verabschiedete sich in der Nacht zum 23. Juni von der jungen Frau. Seitdem gab es kein Lebenszeichen mehr von der 35-Jährigen. Eine erste Vermisstenanzeige durch die Angehörigen am selben Tag wurde offenbar nicht aufgenommen. Nach einer weiteren Anzeige am 24. Juni veröffentlichte die Polizei dann zwei Tage später in Gelsenkirchen in Abstimmung mit der Essener Staatsanwaltschaft einen Suchaufruf. Anna S. wurde zum Vermisstenfall.
Müllbunker in Krefeld durchsucht
Rund zwei Wochen danach wurde die Suche auf Krefeld ausgedehnt, eine Belohnung in Höhe von 5000 Euro für sachdienliche Hinweise ausgelobt, die auf die Spur der Vermissten führen. Ein Gewaltverbrechen wurde zu diesem Zeitpunkt seitens der Ermittler „nicht mehr ausgeschlossen“. Am 2. August wurde schließlich in einem Krefelder Entsorgungsbetrieb der Müllbunker nach Spuren durchforstet. Offenbar ohne Ergebnisse.
Die Hunde blieben in der Wohnung
Donnerstag, 20. September. Was aus ihrer Schwester, der Schwägerin geworden ist, wissen Edith und Dirk D. immer noch nicht. Sie lösen die Wohnung der Vermissten auf, notgedrungen. „Wir hoffen natürlich, dass sie wieder auftaucht, denken aber, sie ist nicht freiwillig gegangen“, sagt Dirk D. Die Familie fürchtet, dass Anna S. umgebracht wurde. Dass sie den Freitod suchte, schließen sie aus. „Das passt nicht zu ihr, dann hätte sie auch nicht ihre beiden Hunde zurückgelassen“, sagt Dirk D.
Das Schloss der Eingangstür ausgetauscht
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Die besorgten Angehörigen hatten die Wohnungstür abends aufbrechen lassen müssen. Eigentlich haben sie einen Zweitschlüssel zur Wohnung. Doch das Schloss war ausgetauscht worden. Warum, durch wen? Ein Rätsel. Die Tiere, von denen Anna Smaczny auf ihrer Facebookseite so viele Bilder gepostet hat, schienen länger als üblich nicht ausgeführt worden zu sein. In der Wohnung der gelernten Kindergärtnerin lag Hundekot. Ihren Personalausweis hat sie nach Erkenntnissen der Angehörigen nicht mitgenommen, verschwunden sind ein Rucksack und das Handy der Frau. Die Sachen, sie selbst: „Wie vom Erdboden verschluckt“, sagt der Schwager.
Erst Wochen nach der Vermisstenmeldung, kritisieren die Angehörigen, habe die Polizei die Wohnung überhaupt ernsthafter gründlich auf Spuren untersucht. Die Polizei Gelsenkirchen gibt keine Auskunft, verweist auf die Staatsanwaltschaft. Dort erklärt Staatsanwältin Sonja Hüppe: „Das familiäre Umfeld der Geschädigten ist im Zuge der Ermittlungen sehr ausführlich vernommen worden. Die Wohnung der Geschädigten ist erstmalig am 25. Juni, also am Tag nach der Erstattung der Strafanzeige, durchsucht worden.“
Eine schwierige On-Off-Beziehung
Die Ermittler und die Verwandten schließen eine Beziehungstat nicht aus, die Angehörigen haben den Ex-Freund der Vermissten, einen Mann aus Krefeld in Verdacht. Recherchen in Krefeld und Gelsenkirchen hat in der Zwischenzeit Günther Classen, langjähriger Polizeireporter des Düsseldorfer „Express“ aufgenommen, auch viel zur Vorgeschichte des 46-Jährigen ausgegraben. Es sei eine schwierige On-Off-Beziehung voller Drohungen gewesen, die bis Mitte 2018 dauerte, erinnert sich der Schwager. Die Trennung sei extrem problematisch gewesen, doch „dann hatte sie irgendwann wieder Kontakt zu ihm“, stellt die Familie fest und vermutet: „Die Beziehung war von Annas Seite aus von Angst geprägt.“
Am 20. September vor einem Jahr brannte es in der Wohnung von Anna S. Offenbar wurde das Feuer gelegt. Zeugen haben nach Erkenntnis von Classen kurz vor dem Brand am Wohnhaus der Vermissten den Wagen des Krefelders gesehen. „Die Ermittlungen zur Brandursache dauern an“, erklärt die Staatsanwaltschaft.
Der Brand passt für die Familie ins Bild einer zunehmend gewalttätigen Situation. Sie werten ihn als drohendes Vorzeichen für eine schlimmere Tat.