Gelsenkirchen. Die Gelsenkirchener AfD steht in der Kritik, mit ihrem Auftritt in sozialen Netzwerken rechte Hetze zu forcieren und zu unterstützen.
Die Alternative für Deutschland (AfD) ist in sozialen Netzwerken höchst aktiv und hängt nach einem Bericht des Spiegel die etablierten Parteien meilenweit ab. Die Partei steht häufig wegen rechtsextremer Tendenzen in der Kritik. Auch die Gelsenkirchener AfD ist auf Facebook aktiv. Vor kurzem ist der Beitrag „200 Leichensäcke für Gegner der Rechtsextremen“ (siehe Info-Box) geteilt worden. Ein Kommentar dazu lautet: „nur?“ – und hat von der AfD Gelsenkirchen ein Like bekommen. An anderer Stelle ist ein anderer Beitrag mit einem „Hitler-Smiley“ kommentiert worden.
Dazu muss man wissen: Eine Gruppe von Rechtsextremisten in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg hat für Angriffe auf politische Gegner rund 200 Leichensäcke und Ätzkalk bestellen wollen. Das berichteten die Zeitungen des „Redaktionsnetzwerks Deutschland“ unter Berufung auf Kreise des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Das klingt martialisch, beängstigend und die Kommentare dazu, unter anderem das „nur“, wurden von vielen als Hetze angesehen. Sie interpretierten das als Sympathie und Unterstützung der AfD für verfassungsfeindliche Organisationen.
Freie Meinungsäußerung oder Hetze?
Bewegen sich derlei Kommentare und Beiträge im Bereich der geschützten freien Meinungsäußerung oder erfüllen sie schon einen Straftatbestand, etwa den der Volksverhetzung? Und was tut die AfD, um mögliche strafbare Postings zu unterbinden. Mit diesen Fragen hat diese Zeitung Polizei, Justiz und die AfD konfrontiert und um eine Stellungnahme zu den genannten Postings gebeten.
Geschmacklos, aber legal
Eine erste Bewertung durch die Staatsanwaltschaft Essen hat ergeben, dass die Aussage „nur“ und das reine „Liken“ eines Kommentars zu „200 Leichensäcke für Gegner der Rechtsextremen“ zu wenig eindeutig seien, um einen Straftatbestand zu erfüllen. Auch das Einstellen eines „Hitler-Smileys“ kann zwar als geschmacklos gewertet werden, ist nach einer ersten Bewertung durch die Staatsanwaltschaft kein Kennzeichen einer verfassungswidrigen Organisation. „Beide Beiträge dürften sich somit im Bereich der freien Meinungsäußerung bewegen, auch wenn sie öffentlich Anstoß finden“, heißt es in dem Antwortschreiben.
Ermittlungen der Bundesanwaltschaft
Die Bundesanwaltschaft ermittelt dem Zeitungsbericht zufolge seit August 2017 gegen Mitglieder des Netzwerkes „Nordkreuz“ wegen des Verdachts der Vorbereitung einer terroristischen Straftat. Angeblich bereiten sie sich auf den „Tag X“ vor – den Zusammenbruch der staatlichen Ordnung durch eine Flüchtlingswelle oder islamistische Anschläge und die anschließende Liquidierung politischer Gegner. Von ihnen soll die Bestellliste stammen.
Den Sicherheitskreisen zufolge stammten die meisten Personen der Chat-Gruppe aus dem Umfeld von Bundeswehr und Polizei, darunter seien mehrere ehemalige sowie ein aktives Mitglied des Spezialeinsatzkommandos des Landeskriminalamtes Mecklenburg-Vorpommern, berichten die Zeitungen weiter. Alle Mitglieder von „Nordkreuz“ hätten Zugang zu Waffen, verfügten über Zehntausende Schuss Munition und seien geübte Schützen.
Staatsanwaltschaft hat das letzte Wort
Polizeisprecher Torsten Sziesze betont: „In vielen Fällen bewegen sich die Beiträge im Grenzbereich zwischen straflos und strafbar. Wenn der Polizei oder Staatsanwaltschaft solche politisch motivierten Beiträge bekannt werden, werden diese in enger Zusammenarbeit der beiden Behörden in Bezug auf ihre Strafrelevanz überprüft und bewertet. Liegt der Verdacht eines Straftatbestandes vor, hat dies ein Ermittlungsverfahren zur Folge. Die abschließende Prüfung und rechtliche Würdigung obliegt jedoch immer der Staatsanwaltschaft.“
AfD: Versehentliche Likes können passieren
Knapper fiel die Antwort des stellvertretenden Sprechers des AfD-Kreisverbandes Gelsenkirchen, Klaus Nelle, aus: „Wir bemühen uns grundsätzlich, strafrechtlich relevante Posts zu löschen und die betreffenden Personen zu sperren. Die geschieht nicht immer unmittelbar. Likes unsererseits können durchaus auch versehentlich erfolgen. Wir nehmen aber unverzüglich Kontakt zu unseren Facebook-Administratoren auf.“ Wer für die Pflege der Gelsenkirchener AfD-Facebookseite zuständig ist, wollte die Partei nicht sagen, der Auftritt werde „ehrenamtlich gepflegt“.
Die Pflege hat augenscheinlich dazu geführt, dass die genannten Beiträge gelöscht wurden auf der Facebookseite der AfD.