Gelsenkirchen. Wie funktioniert politische Arbeit? Die Gelsenkirchener Schüler Mohamad Akkour und Feriha Gemici erkunden das im Jugendlandtag auf SPD-Einladung
Sie gehören keiner Partei an, interessieren sich aber für Politik und dafür, wie politische Arbeit funktioniert. Auf Feriha Gemici, Oberstufenschülerin am Gauß-Gymnasium, und Mohamad Akkour, Oberstufenschüler am Schalker Gymnasium, trifft beides zu. Sie bewarben sich bei der SPD um die Teilnahme am dreitägigen Jugendlandtag in Düsseldorf, der ab Donnerstag dort tagen wird – und wurden unter den Bewerbern ausgewählt. „Weil sie ihre Motive sehr gut begründet haben“, erklärt Heike Gebhard, die ansonsten eher einen Rückgang an motivierten Bewerbungen bemerkt hat. „Es handelt sich ja quasi um persönliche Vertreter, da ist es schon wichtig, wer teilnimmt“, pflichtet Sebastian Watermeier der Kollegin bei.
Interesse am Umgang mit Demonstrationen
Alle Beschlüsse werden weitergeleitet
Es ist bereits der zehnte Jugendlandtag, bei dem Düsseldorf Heranwachsende zwischen 16 und 20 Jahren die Arbeit der Landespolitiker am eigenen Leib nachempfinden können. Jeder reale Abgeordnete benennt dabei einen eigenen Kandidaten. In der Regel bekommen die Schüler dafür freilich schulfrei.
Alle Beschlüsse, die der Jugendlandtag nach Beratung fasst, wird an die Fachausschüsse weitergeleitet. Was damit weiter geschieht, ist nicht immer leicht nachvollziehbar. Ein eindeutiger Erfolg war jedoch das ÖPNV-Ticket für Auszubildende, das der Jugendlandtag gefordert hatte, erinnert sich Heike Gebhard.
Feriha Gemici (18) geht es vor allem um den Einblick in die Arbeitsweise in der Politik. Bei der Vorauswahl der Themen, über die der Jugendlandtag diskutieren wird, hatte die gebürtige Gelsenkirchenerin sich unter anderem besonders für Demonstrationen an Schulen und den Umgang damit interessiert. Anlass sind freilich die „Fridays for Future“-Aktionen. Aber auch das von der Mehrheit der Jugendlandtagskandidaten ausgewählte Thema „Impfpflicht als Voraussetzung für den Kita-Besuch – ja oder nein“ findet die stellvertretende Schülersprecherin wichtig. Von der Teilnahme am Jugendlandtag erhofft sie sich, Erfahrungen über Entscheidungswege und Instrumente der Politik zu sammeln, die sie gern auch an der Schule weitergeben möchte. Ob und wie sie selbst anschließend politisch aktiv werden will, ist für sie völlig offen.
Mohamad kann sich vorstellen, im Bereich Integrationspolitik selbst aktiv zu werden
Mohamad Akkour (19) kam erst Ende 2015 als unbegleiteter Flüchtling aus Syrien nach Gelsenkirchen. Er hat im Rekordtempo Deutsch gelernt, konnte schnell aus einer Internationalen Förderklasse in eine Regelklasse wechseln. Ihm liegt nicht zuletzt seiner Geschichte wegen Integrationspolitik besonders am Herzen. Daran mitzuarbeiten – etwa im Integrationsrat in Gelsenkirchen – kann er sich sehr gut vorstellen. Dabei gehe es ihm um Teilhabe. „Flüchtlinge sind nicht hier, um das Sozialsystem auszunutzen. Viele wissen nur nicht, wie das politische System funktioniert.“ Weshalb er es selbst kennenlernen möchte. Ein wichtiges Thema ist in seinen Augen aber auch ein Mindestverdienst für Auszubildende, das bei der Vorauswahl der zu diskutierenden Themen aber keine Mehrheit unter den Nachwuchs-Abgeordneten fand.
Teilnehmer mussten sich auf zwei Themen einigen
Generell werden die jungen Abgeordneten über zwei Themen sprechen, über die Impfpflicht und über die Einführung eines attraktiveren öffentlichen Nahverkehrs nach dem Vorbild Österreichs, wo die Zahl der Jahres-Abos nach der radikalen Senkung der Preise sich verdoppelt hat. Die Vorschläge im Basis-Antrag: Zusammenführung aller Verkehrsverbunde in NRW, Ausbau auch in ländlichen Regionen und eine Optimierung der Haltestellen. Aber im Rahmen eines Eilantrags können auch andere, nicht vorher ausgewählte Themen diskutiert werden.
Für jeden der 199 echten Abgeordneten einen jugendlichen Stellvertreter
Fachausschüsse, Ältestenrat, Selbstorganisation mit Wahlen eines Vorsitzenden und vieles mehr, das zum Alltag in der politischen Arbeit gehört, lernen die 199 Teilnehmer – für jeden „echten“ Landtagsabgeordneten gibt es einen – bei diesem dreitägigen Schnelldurchlauf kennen. Fünf Fraktionssitzungen sind in dem Rahmen angesetzt, zum Rahmenprogramm gehören über die Politik hinaus ein parlamentarischer Abend mit den realen Abgeordneten und ein Abschlussgottesdienst.