Gelsenkirchen. Die Grundsteuerreform könnte für Gelsenkirchen teuer werden. Die Stadtkämmerin fürchtet zudem Ungerechtigkeiten für Eigentümer und Mieter.
. Weil die Bemessung der Grundsteuer vom Bundesverfassungsgericht als „verfassungswidrig“ eingestuft wurde, hat die Große Koalition in Berlin jüngst eine Grundsteuerreform auf den Weg gebracht. Stadtkämmerin Karin Welge begrüßt die Einigung, „wäre aber deutlich zufriedener ohne die Öffnungsklausel“. Insbesondere diese Klausel sorgt bei Gelsenkirchens Finanzchefin für Bedenken.
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Generell sieht das Gesetz, das noch vor der Sommerpause in erster Lesung in den Bundestag eingebracht werden soll, eine wertabhängige Grundsteuer vor. Grundstücksfläche, Bodenrichtwert, Art der Immobilie, Gebäudealter und Mietniveau spielen dabei eine Rolle. Noch in diesem Jahr soll das Gesetz in Kraft treten, im Anschluss hat der Bund fünf Jahre Zeit, um die notwendigen Daten zu erheben. Ab Januar 2025, so die Planungen, würden Grundstücks- und Immobilieneigentümern dann Grundsteuerbescheide nach der neuen Berechnungsgrundlage zugestellt. Der Knackpunkt: Es wird eine Öffnungsklausel geben, die Ausweichmöglichkeiten für einzelne Bundesländer eröffnet.
Mit 46,6 Millionen Euro ein großer Posten
In der unteren Hälfte
Der Hebesatz beträgt in Gelsenkirchen 675 Prozent, vormals lag er bei 545 Prozent. Zum Vergleich: Mülheim kommt auf 890 Prozent, Duisburg auf 844 Prozent, Bottrop auf 680 Prozent, Essen auf 670 Prozent und Bochum auf 645 Prozent. „Wir liegen mit dem Hebesatz in der unteren Hälfte von Städten im Stärkungspakt“, sagt Kämmerin Karin Welge.
70.000 Grundsteuerjahresbescheide hat die Stadt Anfang des Jahres auf dem Postweg versendet. Der Gesamtumfang der Erträge für die Verwaltung liegt bei circa 60.000 zugrunde gelegten Grundstücken in der Stadt bei 46 Millionen Euro, die in den Haushalt fließen.
14 Milliarden Euro macht die Grundsteuer im Bund aus, in Gelsenkirchen ist sie mit 46,6 Millionen Euro jährlich ein großer Posten. „Fiele die Grundsteuer weg“, betont Karin Welge, „so wären die Auswirkungen für Gelsenkirchen dramatisch.“ Stadtprägende Institutionen, Theater, Kultur, aber auch soziale Leistungen würden in ihrer Finanzierung stark beschnitten. Insofern ist die Grundsteuer „kein beliebiges Steuerfindungsmittel“, sondern eine tragende Säule für eine funktionierende Stadtgesellschaft.
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Daher liegen Welges Hoffnungen darauf, dass die Neuregelung der Grundsteuer künftig aufkommensneutral sein und die Ertragsstabilität gesichert sein muss. „Ganz konkret bedeutet Aufkommensneutralität, dass in Gelsenkirchen im ersten Jahr der Anwendung der neuen gesetzlichen Regelungen das Aufkommen der Grundsteuer in der Summe so hoch sein muss wie im Jahr davor; Stellschraube dafür ist der von der Kommune festzusetzende Hebesatz“, so Welge. Heißt im Klartext: Je nach Ausgestaltung der Reform könnte es zu sinkenden Grundsteuereinnahmen kommen, die eine Anpassung des Hebesatzes notwendig machen.
In Bayern werden Eigentümer begünstigt
Das aber steht für Welge nicht zuvorderst im Blick. Vielmehr sind es die eingangs erwähnte Öffnungsklausel und Fragen der Umsetzung. Was, wenn die Öffnungsklausel ebenso als verfassungswidrig eingestuft wird? Dann müsste Gelsenkirchens Kämmerin „in fünf Jahren zu Unrecht erhobene Gelder an Eigentümer zurückzahlen“. Unklar ist ebenso, wie die Daten der 120.000 neu zu bewertenden Objekte in Gelsenkirchen erfasst werden. Erklärt sich der Eigentümer selbst, erhalten die Kommunen Grundstücksdaten durch Katasterinformationen und so fort. Alles noch nicht entschieden.
Im Raum steht auch noch die Gerechtigkeitsfrage, die Frage nach einer verträglichen Balance für alle Bürger, denn die Grundsteuer betrifft Eigentümer wie Mieter (durch Umlage). Beispiel Bayern: Dort wird über die Öffnungsklausel ein Flächenmodell bevorzugt. Heißt: Die Steuerhöhe dabei ist nur von Größe und Nutzung der Grundstücks- und Gebäudefläche abhängig, nicht aber vom Bodenwert, und von der Miet- oder Pachthöhe. Danach würden Eigentümer großer Grundstücke in teuren Lagen bevorzugt.