Gelsenkirchen. Im Hans-Sachs-Haus startet das Format: „Gelsenkirchen - Lass uns reden“. 200 Gäste sind schnell im Gespräch über Respekt, Toleranz und Neugier.

Die Gelsenkirchener trauen sich, und sie trauen sich zu, das Klischee „wir müssen mal reden“ nicht einfach in eine Schublade zu stopfen oder gleich in die Ecke zu werfen. Sie reden wirklich, intensiv und kommen schnell ins Gespräch. Eingeladen waren pauschal 2000 Menschen, nach dem Zufallsprinzip ausgewählt, und gut 200 kamen zur Premiere ins Hans-Sachs-Haus, immerhin für angesetzte drei Stunden. Und es sind nicht nur die, die immer kommen.

Konzentriert folgen die Besucher der Begrüßung und der Einführung von Moderator Axel Jürgens. Foto: Olaf Ziegler / FUNKE Foto Services GmbH
Konzentriert folgen die Besucher der Begrüßung und der Einführung von Moderator Axel Jürgens. Foto: Olaf Ziegler / FUNKE Foto Services GmbH © Ffs | Foto: Olaf Ziegler

„Gelsenkirchen - lass uns reden“ ist die Dialogveranstaltung betitelt, Kernthemen sollen Respekt, Toleranz und kulturelle Neugier sein. Oberbürgermeister Frank Baranowski schickt vorweg: „Auch ich bin neugierig, nervös und gespannt, denn dies Art der Dialogveranstaltung ist für mich, für uns als Stadt eine Premiere.“

Experten in den Vierteln

„Keiner weiß,“ räumt der OB ein, „ob das funktioniert.“ Es geht Politik und Verwaltung vor allem darum, zuzuhören, den „Expertinnen und Experten für Ihre Stadt, Ihr Viertel“, deren Wissen und Erfahrungen es zu teilen gelte.

Etwas Statistik

Moderator Axel Jürgens betreibt nach der Begrüßung erst einmal ein bisschen Feldforschung und sammelt Daten. Wer sich untereinander kennt in den Gästereihen, ungefähres Alter, Schulbildung, Herkunft. Der Mix, der sich abzeichnet, belegt, dass nach dem Zufallsprinzip vorgegangen worden ist.

Gleichmäßige Streuung

Allerdings sind einige auch eher zufällig hier: „Ich hab’die erste Einladung weggeschmissen, weil ich dachte, es wär’ Werbung.“ Im Schnelldurchlauf zeigt sich, der Großteil der Gäste ist zwischen 45 und 65 Jahre alt, hat etwa zwei Kinder und lebt schon über 20 Jahre in Gelsenkirchen. Die Schulbildung zeigt eine gleichmäßige Streuung.

Fragebögen sollten eine Orientierung für die Gespräche bieten.
Fragebögen sollten eine Orientierung für die Gespräche bieten. © Ffs | Foto: Olaf Ziegler

Die ersten erstaunlichen Antworten erntet Jürgens auf das Allgemeine, Tastende: „Warum sind Sie hier?“, und es kommt: „Weil ich glücklich bin, Gelsenkirchener zu sein.“ Der nächste Schritt in der großen Runde und an einem langen Nachmittag heißt, mit dem oder den Nachbarn im Saal ins Gespräch zu kommen. Und das kriegen die geladenen Gäste erstaunlich schnell und gut hin. Der erste Austausch über Respekt und Toleranz kommt schnell in Fahrt, und ist nach den angepeilten fünf Minuten längst nicht zu Ende.

Die Themen sind überall ähnlich

Die Bilanz nach der ersten Runde zeigt, dass die Themen bekannt sind, an allen Ecken, in allen Stadtteilen ähnlich oder gleich, und dass sich so schnell ein Konsens findet, fast eine gleiche Sprache.

Die Themen sind zum Beispiel Schrottimmobilien und Unterschiede in der Wohnlage oder Müll in den Grünanlagen. Aber auch offene Fragen wie „Haben wir genug Anlaufstellen für die Deutschkurse? Wie kann eine Mutter mit zwei kleinen Kindern so einen Kurs besuchen?“

Und es kommt Erstaunliches, was vielleicht ein letztes Eis tauen lässt.

Das kann was werden

„Gelsenkirchen – Lass uns reden“ kann nach den positiven Erkenntnissen aus der Premiere sogar zu einer Reihe werden. Und auch die Schwerpunkte Respekt, Toleranz und kulturelle Neugier geben Politik und Verwaltung viele Möglichkeiten für eine Fortsetzung.

Unter der Vorgabe, „wir haben etwas zu besprechen“, hatte OB Baranowski einleitend unterstrichen, „in einer Welt, die auseinanderzudriften droht, wollen wir Ideen für ein gutes Miteinander entwickeln, weil es unsere gemeinsame Stadt ist.“

„Detlef und ich haben dieselben Probleme“, ergibt die erste Gesprächsrunde, und die Rednerin am Mikro nennt Schlagworte wie „Politik“, „niemand hört auf uns“, „warum muss ich aufstocken“, „die Straße ist ständig zugeparkt“. Aber sie outet sich auch als bekennende Halterin zweier großer Hunde. Auf die Gefahr hin, den Unmut „von 100 Leuten auf mich zu ziehen."