Kohle und Stahl? Das war einmal: Heute präsentiert sich Gelsenkirchen als eine Hochburg für Solarenergie. Ein Überblick zum Weltklimatag.
Ein Bochumer Barde behauptet bisweilen, dass „tief im Westen” die Sonne verstaube. Das mag für seine Heimatstadt gelten, in Gelsenkirchen aber strahlt sie heller den je.
„Solarstadt Gelsenkirchen” – das hat Oberbürgermeister Frank Baranowski schon vor Jahren auf die Stadtflagge geschrieben. Er sprach von seiner „Vision einer Stadt auf der Sonnenseite” und von „moderner Energie als Markenzeichen” Gelsenkirchens. Doch schon früher, Mitte der 90er Jahre, als Solarenergie vielerorts noch nach Zukunftsmusik und Photovoltaik für manche nach der Belichtung von Bildern klang, setzten städtische, unternehmerische und private Akteure in Gelsenkirchen auf die Kraft der Sonne. Geleitet von einer einfachen Idee, wie Wolfgang Jung, Geschäftsführer des Vereins Solarstadt Gelsenkirchen, betont: „Gelsenkirchen war immer eine Energiestadt. Das sollte auch nach dem Strukturwandel so bleiben.” Die Formel lautet: „Von der Stadt der 1000 Feuer zur Stadt der 1000 Sonnen.”
Solarstadt Gelsenkirchen
Das klingt pathetisch, aber es zeigt Wirkung, wenn man eine Politik verfolgt, die Werner Rybarski vom Agenda 21-Büro wie folgt beschreibt: „Solarstadt soll in den Köpfen stattfinden. Man muss die Menschen mitnehmen.” Und das geht am besten mit Erfolgsgeschichten. Blickt man heute auf die solare Entwicklung der Stadt zurück, fallen viele Superlative: 1999 nahm Shell Solar eine der damals modernsten Solarzellenfabriken weltweit in Rotthausen in Betrieb. Im gleichen Jahr wurde in Bismarck die erste Solarsiedlung im Ruhrgebiet bezugsfertig, 2001 konnte das Sonnensegel an der Schalker Arena eingeweiht werden. Die seinerzeit weltweit größte Photovoltaikanlage auf dem Dach des Wissenschaftsparkes erweiterte das solare Portfolio der Stadt in den Folgejahren ebenso wie die zweitgrößte Solarsiedlung der Welt am Schaffrath und die große Solaranlage auf dem ehemaligen Erzbunker des Schalker Vereins.
Besonders letzterer symbolisiert „als Überbleibsel der Montanindustrie den Strukturwandel” von fossilen Brennstoffen zu erneuerbaren Energien, sagt einer der es von Berufs wegen wissen muss. Armin Hardes ist seit August 2008 der erste Solarbeauftragte Gelsenkirchens. Gleichzeitig ist er auch für den Klimaschutz der Stadt zuständig und macht deutlich: „Es geht nicht nur um neue Energien, sondern auch darum vorhandene Energie sinnvoll e zu sparen.”
20. Platz in der Solar-Bundesliga
Trotzdem boomt die Sache mit der Sonne: Unternehmen von Abakus über Scheuven bis Vaillant machen in Gelsenkirchen Geschäfte mit erneuerbaren Energien und schaffen Arbeitsplätze. Oder wie Wolfgang Jung es formuliert: „Früher waren es Gegensätze, heute lassen sich durch Solarenergie Ökologie und Ökonomie verbinden.” Das haben auch private Hausbesitzer gemerkt: Viele, der über 300 Photovoltaikanlagen auf den Dächern Gelsenkirchens gehören ihnen - Tendenz steigend. Jung prognostiziert: „Solarenergie wird sich hier wie ein roter Faden durch alle großen und kleine Bauprojekte ziehen.”
Keine Überraschung zum Schluss: Eine Fußballstadt wie Gelsenkirchen spielt auch in der „Solar-Bundesliga”. Dort steht man im Vergleich der deutsche Großstädte auf einem passablen zwanzigsten, in NRW hinter Bielefeld und Münster auf dem dritten Platz. Im Ruhrgebiet ist Gelsenkirchen Spitzenreiter. Wolfgang Jung gibt augenzwinkernd ein klares Saisonziel aus: „Wir wollen weiter vor Dortmund bleiben.” - Und natürlich vor dem verstaubten Bochum.
Zahlen und Fakten
Alle 320 Photovoltaikanlagen in Gelsenkirchen haben zusammen eine Leistung von 4,65 Megawattpeak (MWp). Damit werden nach Angaben des Referats Umwelt pro Jahr 3,8 Millionen Kilowattstunden (kWh) Strom erzeugt, was ungefähr dem jährlichen Verbrauch von 1085 Vier-Personen-Haushalten entspricht. Die ersparten CO2-Emissionen betragen damit jährlich etwa 2060 Tonnen C02.