Gelsenkirchen-Neustadt. . Minister Reul startete in Gelsenkirchen die Blaulicht-Gesprächsreihe. Bürger beklagen Autoposer und Wachschließungen. Ortsunion will KOD-Ausbau.
Das Herz auf der Zunge tragend, so gab sich NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) am Donnerstag beim ersten von drei Blaulicht-Gesprächen unter dem Motto „Brennpunkt Sicherheit“, die die CDU Ruhr unter der Führung des Parlamentarischen Staatssekretärs und Gelsenkirchener Bundestagsabgeordneten Oliver Wittke initiiert hat. Lokale und überregionale Themen vermischten sich dabei in der Frage- und Antwort-Runde vor 100 Zuhörern.
Zahl der Autokorsos stark gestiegen
Ein Beispiel dafür sind die „sprunghaft angestiegenen Autokorsos“ bei Feierlichkeiten, bei denen Bengalos gezündet, Schüsse abgegeben und Straßenzüge oder sogar Autobahnen blockiert werden. „30 Fälle in der Vorwoche, 38 aktuell“, listete Reul mit Blick auf einen Hasseler Bürger auf, der Raserei und Poserei im Norden Gelsenkirchens sowie die Auflösung lokaler Polizeiwachen beklagte.
Reul zufolge handelt es sich bei den Teilnehmern häufig „um Leute, die einen anderen kulturellen Hintergrund haben“. Doch auch in deren Heimat könne man nicht „einfach mal so in der Landschaft rumschießen oder eine viel befahrene Straße zum Festsaal machen“.
Schärfere Maßnahmen in Aussicht gestellt
Der Innenminister stellte schärfere Maßnahmen in Aussicht – von der Beschlagnahmung bis zum Führerscheinentzug wegen charakterlicher Nicht-Eignung zum Führen eines Autos. Reul gab aber gleichzeitig zu bedenken, dass die Wirkung des Entzugs meist schnell verpufft, weil die PS-Boliden „der Oma gehören“. Auch wenn sie gar keinen Führerschein habe.
Reul sagte zudem, dass er gerade in Sachen Autokorsos ein Lagebild erstellen lasse, um Schwerpunktzeiten und -orte künftig besser durch Beamte im Blick zu haben.
In der Verantwortung für die Schließung von kleiner Wacheinheiten sah Herbert Reul in erster Linie „Präsidien und Landräte“, überhaupt, viel wichtiger als eine Wache sei das Tempo, mit der die Polizei am Einsatzort eintreffe.
Idee: Ausschuss für Sicherheit
Gelsenkirchens CDU-Oppositionsführer Wolfgang Heinberg nutzte die Gunst der Stunde, um von seinem Unionskollegen zu erfahren, ob er eine Ausweitung der Kontrollen des Kommunalen Ordnungsdienstes auf sieben Tage und in mindestens zwei Schichten täglich etwas Positives abgewinnen könnte, dazu einem kommunalen Sicherheitsausschuss nebst finanzieller Hilfe des Landes und dem Ausbau der Videoüberwachung.
Die Voraussetzungen für „Videobeobachtung und Eingreifen durch die Polizei möchten wir erleichtern“, antwortete der Minister in umgekehrter Reihenfolge der Fragen. Von einem städtischen Sicherheitsausschuss hörte er zum ersten Mal, fand die Idee aber gut und interessant für Großstädte. Den KOD an sich kommentierte er nicht. Allein bei der Finanzhilfe war Reul skeptisch, skizzierte aber sogleich einen Ausweg: „Vielleicht muss man den Städten erlauben, dafür mehr Schulden zu machen.“
Mitleid und Verständnis zeigte Herbert Reul gegenüber zwei Bürgern aus dem Stadtsüden. Bei ihnen ist eingebrochen worden. Der eine wunderte sich darüber, dass es von Seiten der Polizei keine Gegenüberstellung gegeben habe, obwohl der Täter einer bekannten Großfamilie entstammte und er ihn mit „Sicherheit wiedererkannt hätte“. Der andere haderte mit seinem Schicksal, weil er als „Mieter keine bauliche Veränderungen an Türen und Fenstern vornehmen lassen kann“, um mit Schlössern und Riegeln Einbrecher abzuwehren.
Kurios und wenig einleuchtend fand der Minister die ausgebliebene Gegenüberstellung. Und so erfolgreich das Einbruchsprognoseprogramm „Scala“ auch sei, Reul weiß, dass bei Wohnungswirtschaft und Eigentümern noch eine „ganze Menge Überzeugungsarbeit“ zu leisten ist, bis mehr Sicherheit in der Fläche angekommen ist.
Bessere Ausstattung angekündigt
Herbert Reul kündigte an, die NRW-Polizei besser auszustatten. Knapp eine Milliarde Euro stünden für die Modernisierung vieler maroder Liegenschaften bereit; nach Schutzwesten, Bodycams und Helmen sollen Beamte auch Smartphones bekommen.
Der Minister setzt auf „IT als Schlüssel“ der Kriminalitätsbekämpfung. Neben Telekommunikationsüberwachung zur Gefahrenabwehr (Terror etc.) hofft er auf Bilderkennungsoftware, um im Fall von Kinderpornografie „Tausende von Tätern“ zu entlarven. Reul: „Wir verfügen über zwei Petabyte belastendes Material.“ Ein Petabayte (Eine Eins mit 15 Nullen !) entsprechen 1000 Terabyte.
Stichwort Einbruch: Laut Reul haben die Ermittler gigantische Mengen an DNA-Spuren von potenziellen Einbrechern. Auch hier könnte softwarebasierte Analyse- und Vergleichstechnik helfen, Täter schneller zu finden.