Gelsenkirchen. . Vom Manhattan bis zum Flash Light wurde einst in Gelsenkirchen abgetanzt. Selbst Stars wie Wolle und Howie tingelten durch die Clubs.

1: Fledermaus in Resse

Auch die Fledermaus an der Böningstraße zwischen Resse und Westerholt galt als beliebte Partylocation. 1978 eröffnete Heinz Prüsener den Laden zwischen Bauernhöfen. Das alleinstehende Haus, in dem auf zwei Etagen gefeiert wurde, zog pro Abend bis zu 1200 Leute an und hatte lange sieben Mal die Woche geöffnet. „Damals gingen noch viel mehr Leute raus und wir hatten sehr viele Stammgäste“, erinnert sich Prüsener. Auch weiß der mittlerweile 73-Jährige noch, dass der „Ulk-Tag“ mit DJ Steve besonders gut ankam, Boney M. einen Auftritt hatte und dass die Künstler damals lediglich 3000 bis 4000 D-Mark gekostet haben. 1984 schloss die Diskothek nach einem Großbrand.

2: Manhattan und Batt

Seit den 1960ern wurde an der Horster Straße 162 getanzt. Dort traten auch mehrere Star-Musiker auf, die ungeheuer lang gut im Geschäft waren oder sind: Unter anderem Karel Gott (o.) und Howard Carpendale (r.). Das Foto von Howard Carpendale („Hello again“) entstand am 25. April 1969 während eines Konzerts, die beiden anderen Aufnahmen sind auch von 1969. Seit Anfang der 80er-Jahren hieß die Tanzlokalität Manhattan. Chartsmusik gab in der Kult-Diskothek den Ton an.

Karel Gott (r.) mit Gästen in der Diskothek Manhattan.
Karel Gott (r.) mit Gästen in der Diskothek Manhattan. © Institut für Stadtgeschichte

Nach eine Pause wurde das Manhattan schließlich 1995 vom Batt abgelöst. Der damals neue Club bestand bis 1997 mit einem Biergarten für an die 300 Leute. Auftoupierte Haare, spitze Stiefel, schwarze Klamotten und Lidstrich bestimmten den Stil der Gäste. Musikalisch liefen New Wave, Gothic und Rock. Das Haus wurde später abgerissen.

3: Hugo 1

Anfang der 80er-Jahre eröffnete das Hugo 1 an der Horster Straße 200, in dessen Gebäude sich mittlerweile die Trattoria Villa Italia befindet. Die Diskothek – das ehemalige Markenhäuschen für Bergleute der Zeche Hugo – zog sich damals über zwei Etagen. An die 350 Leute konnten in der 280 Quadratmeter großen Disco tanzen.

© Miriam Fischer

Auch beliebt war der große Biergarten. Gespielt wurde keine bestimmte Musikrichtung, sondern ein Mix aus dem was gerade angesagt war. „Die Diskothek war zu Hochzeiten immer gut besucht. 49 Wochen im Jahr war ich da, ich hatte lediglich drei Wochen Urlaub“, erinnert sich der ehemalige Besitzer Thilo Pietsch, dem auch das Kronski und einige Jahre das Zutz gehört hatte. In den 90ern besonders beliebt im Hugo 1 waren die Baguettes, dick bestrichen mit Remoulade. 2002 musste die Disco schließen – ein Großteil der alten Stammgäste war aus dem Partyalter heraus gewachsen. 2004 wurde aus der Disco ein Restaurant, das 2008 von Pietsch wieder übernommen wurde. Als Erinnerung veranstaltet er zweimal jährlich eine „Hugo-Reloaded-Party“.

4: Kronski in der Markthalle

In den 2000ern war das Lokal Kronski mit seinen „These Charming Men-Partys“ wohl die Feierhochburg. Das Lokal gehörte damals Thilo Pietsch, dem vorherigen Inhaber der Diskothek Hugo 1. Fast monatlich fand in der Markthalle eine große Party statt für die es mehr als 2000 Leute nach Buer zog. „Es war zu der Zeit die Adresse in Gelsenkirchen – immer rappelvoll“, sagt Daniel Ullrich, der mehrere Jahre das Event auf die Beine stellte und für die musikalische Untermalung der Veranstaltung sorgte.

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Der mittlerweile 34-Jährige hatte das Konzept seit Ende 2007 mit seinem Kollegen Dominik Fellkel weitergeführt, nachdem die Gründer Frank Hoitz und Jörg Wickermann ausgestiegen waren. Gespielt wurde damals ein bunter Mix quer durch die Genres 80er, 90er, House, Hip-Hop und R’n’B. „Wir haben häufig unbekannte Songs von bekannten Künstlern aufgelegt. Und am Ende gab es als Ritual immer um sieben Uhr morgens die Originalversion von ‘San Francisco’ – daran erinnere ich mich“, so Ullrich lachend.

Bei Special-Abenden legte auch das prominente Duo „Disco Boys“, Tom Novy oder Giulia Siegel auf. Auch mehrere Schalke-Spieler genossen in der Markhalle damals ihre Freizeit. So sah man beispielsweise Ralf Fährmann oder Gerald Asamoah unter den Gästen. Doch auch die beliebte Partyreihe hatte irgendwann ihr Ende. Nach dem Besitzerwechsel des Kronskis stellte man auch das Partykonzept um. Neue DJs, mehr Schlager und ein stärkerer Fokus auf Cala-Ratjada-Sounds. Das kam beim Publikum nicht wirklich an – die damalige Kult-Partyreihe wurden 2009 eingestellt und auch das Lokal Kronski selbst schloss seine Türen.

5: Old Henry

Schlagersänger Wolfgang Petry gastierte in der Lokalität Old Henry in Gelsenkirchen.
Schlagersänger Wolfgang Petry gastierte in der Lokalität Old Henry in Gelsenkirchen. © Matthias Heldermann

1966 eröffnete das Old Henry an der Cranger Straße 198. Schlager, Discohits, Rock und Pop schallten über drei Jahrzehnte über die mehr als 200 Quadratmeter der Diskothek. In den Spitzenzeiten tanzten an die 400 Leute in dem Laden. „Gerade in den 70ern gab es viele klassische Vorstadtdiskotheken. Die Lokale waren oft fußläufig zu erreichen oder man zahlte fünf Mark für das Taxi“, erinnert sich Matthias Heldermann, der zwischen 1983 und 1986 in dem Lokal als Resident-DJ aufgelegt hatte und auch in anderen Läden in der Stadt am DJ-Pult stand. Sogenannte „Je-Ka-Mi“-Abende, die bedeuteten, jeder kann mitmachen, waren im Old Henry besonders beliebt. „Das war damals wie heute bei DSDS, da wurde gesungen, nur eben im kleinen Rahmen“, so der 55-Jährige. Auch Nino de Angelo und Wolfgang Petry hatten Auftritte in der Gelsenkirchener Lokalität. Petry damals, als er noch völlig unbekannt war.

Noch immer wird das Old Henry gewürdigt. Allerdings wesentlich seltener und im Vereinsheim des SV Erle 08. „Da kommen immer an die 200 Personen und feiern für eine Nacht ihre Jugend“, freut sich Heldermann. 1983 schloss die kleine Disco. Es folgte für eine kurze Zeit das Luna, mittlerweile steht das Lokal leer.

6: Tanzcasino Royal

Das Tanzcasino Royal eröffnete 1962 an der Kurt-Schumacher-Straße praktisch auf der jetzigen Schalker Meile. Längst wurden die Räumlichkeiten verkleinert und im vordereren Bereich befindet sich ein Imbiss. Besonders beliebt und bekannt war in der Eckdisco der Discjockey mit Ziegenbart und Felljacke. „DJ Mac“, so sein Name, war bundesweit für seine extremen Auftritte bekannt. „Er kannte sich in der Musikgeschichte gut aus und hat sich oft am Ende der Party ans Schlagzeug gesetzt, dann ist er völlig durchgedreht“, erinnert sich Heiner Schulte, der öfter mal als Gast dort zu Besuch war. Die Tanzfläche war etwas tiefer angelegt, an die 250 Leute passten in den Laden und im Lokal befand sich ein Springbrunnen. Musikalisch lief hier ein Mix aus Rock und Pop.

Unter anderem spielte auch Rolf Wagemann, in Gelsenkirchen bekannt als „Jazzpapst“, mit seiner Band „German Tramps“ im Royal. An zwei Besonderheiten kann er sich noch erinnern: „Dienstags war immer Damenwahl, da durften die Frauen die Männer zum Tanz auffordern und an manchen Tagen gab es für Männer Krawattenzwang.“

7: Fledermaus an der Ringstraße

1985 feierte die Fledermaus an der Ringstraße Eröffnung, die übrigens nicht mit dem gleichnamigen Laden in Resse in Verbindung stand. 1993 übernahm Toni Gerdenitz (76) die Diskothek, die sich größtenteils auf Schlager spezialisiert hatte. Gerade die „Talentshows“, bei denen Gäste ihr musikalisches Können unter Beweis stellen konnten, waren beliebt und Schlagersänger Olaf Henning wurde hier berühmt.

81963 eröffnete Meta Schwalm das Tanzlokal „Corso“ an der Wanner Straße. Als 1967/68 Sohn Reinhard Schwalm, der mittlerweile 63 Jahre alt ist, ins Geschäft einstieg, nannte man die Lokalität allerdings in „Flash Light“ um. „In der Zeit entstanden die ersten Diskotheken“, erinnert sich der Sohn der Gründerin. Aufgelegt wurden deutsche und englische Schlager – Musik, die damals besonders angesagt war. Auch Soul und Fox - kurz gesagt die sogenannte Discomusik schallte zu der Zeit aus den Boxen.

Über 1000 Leute kamen pro Abend vorbei, um zu tanzen und Spaß zu haben oder um sich die Liveauftritte bekannter Musiker anzuschauen. Peter Maffay, Jürgen Drews, die deutsche Disco-Formation Silver Convention – alle traten im Gelsenkirchener Lokal auf.

8: Flash Light und Groove Club

Tradition war gerade Ende der 60er und Anfang der 70er der sogenannte „Friseusenball“. Die Veranstaltung jeden Montag wurde so genannt, da an dem Tag besonders viele Friseure frei hatten und stattdessen die Location besuchten. „Auch traditionell war die Bierparty jeden Freitag, wo es das Bier für eine D-Mark gab“, so Schwalm. In den 1960er-, 70er- und 80er-Jahren hatte die Diskothek sogar sechs Mal die Woche geöffnet, in den letzten zehn Jahren wurden die Öffnungszeiten des Flash Lights dann allerdings auf Freitag, Samstag und Sonntag begrenzt.

Außenansicht der Diskothek Flash Light an der Wanner Straße 110 in Gelsenkirchen.
Außenansicht der Diskothek Flash Light an der Wanner Straße 110 in Gelsenkirchen. © Thomas Nikutta

Silvester 1985/86 brannte das Lokal. „Da alles ausbrannte, das Dach zerstört war und wir nicht versichert waren, mussten wir damals bei Null anfangen“, berichtet Schwalm. Allerdings verliefen die Umbauten so schnell, dass die Disco an Karneval 1985 wieder eröffnen konnte. Im August 1991 schloss das Lokal schließlich ganz, weil der Mietvertrag nicht verlängert wurde.

Nach der Zeit der Diskothek Flash zog der Groove Club ab 1993 in die Location an der Wanner Straße 110. „Technomäßig war der Laden die Adresse im Ruhrgebiet“, sagt Kai-Uwe Müller, der zwei Jahre als Resident-DJ dort an den Turntables stand.

Die Diskothek Groove Club bestand ebenfalls an der Wanner Straße in Gelsenkirchen
Die Diskothek Groove Club bestand ebenfalls an der Wanner Straße in Gelsenkirchen © Thomas Jongeling

Zuvor hatte man Technopartys in der Kaue an der Wilhelminenstraße 176 veranstaltet, dann in einem eher ranzigen Laden an der Bochumer Straße unter dem Namen N-R-G Club und schließlich in der Location in Bulmke als Groove Club. Im Gebäude des Clubs an der Wanner Straße befand sich zudem die Redaktion für das Magazin „Trendline“, ein damals kleines Fanzine im Bereich Techno, House, Trance und Elektro. Später wurde es in „Raveline“ umbenannt. Kai-Uwe Müller selbst fungierte dafür zwei Jahre als Chefredakteur. Erst im Februar 2013, längere Zeit nach seinem Ausstieg, wurde die Zeitschrift eingestellt. Weiter gehörte zum Club eine Booking-Agentur und ein großes Netzwerk an DJs. Moguai, Mark ‘Oh, DJ Hooligan aka Da Hool und Phil Fuldner gehörten zu den prominenten Resident-DJs, die im Inneren des Groove Clubs musikalisch für Stimmung sorgten. „Auch Feierlustige aus Köln, Aachen und Düsseldorf und sogar aus den Niederlanden wurden dadurch angezogen“, so Müller, der in den 90ern selbst nach Köln zog und mittlerweile in Essen lebt. 1995 schloss der Club seine Türen.

9: Old Charly

Chris Plewka, mittlerweile als DJ Chris Count bekannt, erinnert sich noch an die Diskothek „Old Charly“ in Ückendorf. Der Club sei in den 1990ern für an die 200 Leute ausgelegt gewesen. „Freitags gab es dort immer einen Techno-Abend, ‘Electro-Box’ hieß der, und samstags wurde Hip-Hop gespielt“, erzählt der 37-jährige Gelsenkirchener und fährt fort: „Damals war ich noch sehr jung. Der Resident-DJ in den Club hatte mich inspiriert selbst Musik zu machen.“

Was dem Gelsenkirchener heute noch gefällt, „dass damals die Musik noch mit Platten und Handarbeit zum Klingen gebracht wurde, anstatt digital auf Laptops.“ „Das ist leider heute eine Seltenheit geworden“, so Plewka, der bereits eigene Tracks auf den Labels der internationalen Techno- und House-Mogule Carl Cox und Kenny Dope veröffentlicht hat und dessen Songs das Londoner Star-DJ-Duo „Gorgon City“ mit in seine Playlist aufgenommen hat. Wie sein Vorbild damals, legt er selbst immer noch Platten auf, anstatt die Tracks digital abzuspielen.

10: Altstadtdisco

Anfang der 70er eröffnete die Altstadtdisco an der Bochumer Straße 134, dort, wo sich das jetzige Exodus befindet. Jürgen Beck legte von 1982 bis 1985 in der Diskothek nebenberuflich auf. Die Hitparade spielte man rauf und runter. „Üblich war es damals, dass deutsche Schlagerstars aufgetreten sind. Es wurden vorab Plakate aufgehängt und ab einem Eintritt von fünf Mark kam man hinein“, so Beck. An ein Ereignis erinnert er sich besonders: „Als Nino de Angelo noch nicht sonderlich bekannt war, hatte man den Sänger für 1200 D-Mark gebucht.“ Aus gesundheitlichen Gründen musste der Termin jedoch zweimal verschoben werden. In der Zwischenzeit brachte der Sänger seinen erfolgreichen Hit „Jenseits von Eden“ heraus. Aber gebucht war gebucht. So gab der Sänger trotz der verhältnismäßig niedrigen Gage ein Konzert in der Altstadtdisco. „Der Laden war richtig brechend voll“, erinnert sich der 72-Jährige. In der Hochzeit hatte die Diskothek sogar ab 16 Uhr geöffnet, da die Gäste unter 18 Jahren bereits um 22 Uhr das Lokal verlassen mussten.