Gelsenkirchen. . Das 8. Sinfoniekonzert stand im Zeichen von Clara Schumann. Lise de la Salle brilliert als Solistin. Emotion pur im Musiktheater Gelsenkirchen.

Vor 200 Jahren kam sie in Leipzig zur Welt, Clara Schumann, geborene Wieck, herausragende Konzertpianistin, Komponistin und schillernde Persönlichkeit des 19. Jahrhunderts. Generalmusikdirektor Rasmus Baumann nutzt am Montag das 8. Sinfoniekonzert der Neuen Philharmonie Westfalen zur außergewöhnlichen Hommage an die Künstlerin.

Die intensive Liebe Robert Schumanns zu seiner Frau, gepaart mit manisch-depressiven Schüben, sind Thema des Orchesterwerks „Florestan und Eusebius“ von Enjott Schneider, uraufgeführt 2012. Eine dumpfe Wolke aus Blech bahnt sich den Weg, eine Reminiszenz der „Rheinischen Sinfonie“ klingt im Raum wie Erinnerung an schöne Zeiten. Die Streicher wühlen mit berstendem Ostinato zum ruhelosen Herzschlag der Pauke. Der Satz ist ein auf und ab der Emotionen, nach Wahn gibt es zärtlich traurige Passagen der Oboe, eine liebliche Triangel, ein Streicherteppich wie ein klarer See in der Morgensonne. Schleichend beginnt die Angst erneut, kulminiert in der Lautstärke bis zur zerreißenden Generalpause. Einzelne Harfentöne läuten ein Finale des Pianissimo ein, kein versöhnliches, eher verwirrt und fragend.

Lise de la Salle.
Lise de la Salle. © Mark Wohlrab

Fantastisches Gespür für die Moderne

Die Musiker der Neuen Philharmonie legen unter Baumann ein fantastisches Gespür für die Moderne an den Tag. Im Konzert für Klavier und Orchester a-moll von Robert Schumann zeigt sich auch die erstklassige Fähigkeit des Zusammenspiels mit einem Soloinstrument. Lise de la Salle ist die Pianistin des Abends. „Sie ist großartig, ein Weltstar, spielt komplizierteste Passagen mit unglaublicher Leichtigkeit“, so lauteten die Vorschusslorbeeren. Und ist glatt untertrieben.

Sobald De la Salle die Tasten berührt wird unerheblich, wie Clara Schumann 1841 das Werk interpretiert haben mag, a-moll scheint für De la Salle geschrieben. Der sanfte Nachdruck in den Themen, das Wiegen im Meer von Streichern, das komplette Verschmelzen mit dem Gesamtorchester. Punktgenaues Loslassen der hochkarätigen Solopartien, traumhafte Zwiegespräche mit einzelnen Orchesterinstrumenten, intensive Blickkontakte, die nicht dem puren Abstimmen, sondern dem Mitfühlen dienen. Selbst in der Vehemenz energischer Passagen liegt eine Süße. De la Salle ist Meisterin des verzögerten Erwartens, der puren Liebe.

Rasmus Baumann.
Rasmus Baumann. © Mengedoht

Dank der bescheidenen Solistin geht an das Orchester

Am Ende steht ein spielerischer Rausch, gipfelt in einem nachdrücklichen Finalakkord aller Beteiligten. Der Applaus des nahezu ausverkauften Großen Hauses im Musiktheater im Revier kennt kein Ende, die Ovationen gibt De la Salle bescheiden und mit Dankesgesten an das Orchester weiter. Die 31-jährige Pianistin lässt das Publikum mit einem der „Sonetti di Petrarca“ von Franz Liszt noch einmal an ihrem außergewöhnlichen Gespür für die Romantik teilhaben. Die Emotionen lassen kaum Atem für das Werk nach der Pause, und doch, auch dieses ist durchdrungen von den innigen Gefühlen.

Für Johannes Brahms war Clara Schumann eine Muse, sie sprach von der Sinfonie Nr. 1 c-moll als „Kühnheit“ und „wunderbarer Schönheit“. Vier Sätze geballter Intensität, auftürmende Akkorde, meisterliche Motive, geistreiche Melodien. Rasmus Baumann führt die Neue Philharmonie empfindungsvoll durch das Herzenswerk eines Verliebten. Der Beifall des Publikums ist ehrlich, die schönen Soli der Holzbläser werden besonders stark honoriert.