Gelsenkirchen. . Rabbiner Chaim Kornblum und Judith Neuwald-Tasbach erklären Bräuche. Etwa, was das Purimfest in Gelsenkirchen mit großen Ohren zu tun hat.

Die Mitglieder der jüdischen Gemeinde in Gelsenkirchen feiern in diesen Tagen das Purimfest. Das hebräische Wort Purim bedeutet, ins Deutsche übersetzt, „Los“ oder „Schicksal“. „Dieses Fest erinnert uns an die Rettung der Juden im Archämenidenreich“, erzählt Judith Neuwald-Tasbach, die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Gelsenkirchen – und verweist auf die Geschichte aus dem Buch „Esther“, das auf einer Pergamentrolle vor ihr liegt.

Eine überaus dramatische Geschichte

Darin wird die dramatische Geschichte beschrieben, in der Haman, ein Regierungsbeamter des persischen Königs Achaschwerosch, beleidigt war, weil ein jüdischer königlicher Diener nicht vor ihm hinknien wollte. „Haman wollte das ganze jüdische Volk daraufhin vernichten lassen und gab den entsprechenden Befehl aus. Dabei beruhte die Weigerung, sich nicht vor ihm hinzuknien, auf einem religiösen Grund: Es ist uns Juden nicht erlaubt, uns vor einem irdischen Menschen niederzuknien und ihm damit zu huldigen“, erklärt der Gelsenkirchener Rabbiner Chaim Kornblum.

Purim ist ein Symbol für ein Wunder

Es war schließlich Königin Esther, die die Situation rettete: „Sie hat zunächst gefastet und gebetet – und sich schließlich getraut, ohne Einladung ihren Mann, den König zu besuchen. Das war seinerzeit nicht erlaubt. Sie hat jedoch all’ ihren Mut zusammengenommen und ihn um Rettung gebeten. Damit hat sie erwirkt, dass der König es dem jüdischen Volk erlaubt hat, sich gegen Haman und seine Gefolgschaft zur Wehr zu setzen“, erklärt Judith Neuwald-Tasbach und zeigt eine bunte Holzratsche, die bis heute im Purim-Gottesdienst eingesetzt wird. „Vor allem Kinder machen damit jedes Mal Lärm, wenn der Name Haman in der Lesung der heiligen Schrift erwähnt wird“, erklärt sie. „Wir Juden begehen dieses Fest bis heute so, als wenn wir damals dabei gewesen wären – Purim steht als Symbol für das Wunder, dass das jüdische Volk damals überlebt hat. Das Gedenken daran wird heute, in Zeiten des wieder zunehmenden Antisemitismus und den damit verbundenen Bedrohungen, immer wichtiger“, betont Neuwald-Tasbach.

Lautstarker Protest

Nach Gottesdienstfeiern am Mittwoch und Donnerstag wird es am morgigen Sonntag in der neuen Synagoge an der Georgstraße eine große Feier geben. „Unsere Jugendgruppen werden die Geschichte des Festes nachspielen und unser Gemeindechor singt“, erzählt Judith Neuwald-Tasbach. Während der Purim-Feierlichkeiten sei es üblich, vor allem den Kindern der Gemeinde kleine Geldgeschenke zu machen. Und es werden gebackene Dreiecke gereicht, mit Mohn, Nüssen oder Pflaumenmus gefüllt: Die so genannten „Haman-Taschen“. „Der Erzählung nach hatte Haman riesige Ohren, man muss sich das in etwa so vorstellen wie bei Mister Spock aus Raumschiff Enterprice“, sagt Chaim Kornblum mit verschmitztem Lächeln. „Das verspeisen dieser ‘Ohren’ ist so etwas wie eine späte Rache“, erklärt der Rabbiner. Und schon beim ersten Biss merkt man: Rache ist süß. . .

>> Die Hintergründe

Die Geschichte von Esther und König Achaschwerosch kann auch übertragen gelesen werden: In der „überirdischen“ Fassung ist König Achaschwerosch der „König, dessen Anfang und Ende Seine sind“ und Esther seine Braut Israel.

Die Geschichte im Buch Esther spielt übrigens im 5. Jahrhundert vor Christus im Perserreich.