Gelsenkirchen. . Sowohl in der Theorie als auch in der Praxis scheitern immer mehr Fahrschüler in Gelsenkirchen. Gerade Helikopter-Eltern sorgen für Probleme.

Immer mehr Fahrschüler fallen bei der Führerscheinprüfung durch. Ob Theorie oder Praxis spielt dabei keine Rolle. Das zeigt eine Statistik des Kraftfahrt-Bundesamtes. Bundesweit fielen 2017 39 Prozent der Schüler durch die theoretische, 32 Prozent durch die praktische Prüfung.

Auch in Gelsenkirchen registrieren die Fahrschulen immer größere Probleme bei ihren Schülern. Konkrete Zahlen, heruntergebrochen auf die Stadt, gibt es zwar nicht. „Die Grundfakten kann ich aber bestätigen“, sagt etwa Volker Kessler, Geschäftsführer der Fahrschule Kessler und zugleich Unterbezirksleiter des Fahrlehrerverbandes Gelsenkirchen. Doch wo liegen die Ursachen?

Überfürsorgliche Eltern

„Die Prüfungen sind auf keinen Fall schwieriger geworden“, betont Kessler. Hauptursache für ihn sind die so genannten „Helikopter-Eltern“ – also gerade diejenigen überfürsorglichen Eltern, die ihr Kind am liebsten nie aus den Augen lassen wollen. Kessler erklärt das so: „Vor 30 Jahren sind die Jugendlichen selber in die Fahrschule gekommen und wollten einen Führerschein machen.

Vor 15 Jahren sind sie gemeinsam mit den Eltern gekommen, haben aber noch selbst gesprochen. Heute sprechen nur noch die Eltern und klären alle Termine ab. Das spiegelt sich dann in der Praxis wider.“ Bedeutet: Die fehlende Selbstständigkeit sorgt dafür, dass die Schüler es nicht gewohnt sind, auf der Straße eigene Entscheidungen zu treffen.

Zahl der Stunden steigt stark an

Nicht mehr zwingend auf den Führerschein angewiesen

„Die Jugendlichen haben teilweise gar keine Lust mehr, den Führerschein zu machen“, sagt Steffen Schulte von der Blauweißen Fahrschule. Durch den ÖPNV sind sie nicht mehr unbedingt darauf angewiesen.

Auch beim TÜV ist man sich der höheren Durchfallerquoten bewusst. „Da die Theorie nur noch am Computer stattfindet, ist das einfache Auswendiglernen nicht mehr möglich“, glaubt Rainer Camen, Sprecher des TÜV-Nord.

Die Zahl der Fahrstunden, ehe ein Schüler überhaupt für die Prüfung angemeldet wird, steigt deshalb ebenfalls. „Im Durchschnitt sind es inzwischen wohl schon 40 bis 50 Stunden. Vor einigen Jahren waren es vielleicht 30 bis 40“, meint Kessler. Die vielen Stunden sorgen bei den Eltern für zusätzlichen Ärger, wie Jana Brozda, Geschäftsführerin bei der Fahrschule Kiauka & Goss, erzählt: „Es kommt häufig der Vorwurf, dass wir mit mehr Stunden nur mehr Geld machen wollen. Das ist dann der Zeitpunkt, wo ich den Eltern anbiete, einfach mal eine Stunde mitzufahren.“

Das kann peinliche Folgen haben. „Ein Vater hat mal nach drei Minuten gefragt, ob er wieder aussteigen darf“, lacht Brozda. Immerhin hatte er sich einsichtig gezeigt. Auch sie beklagt die fehlende Selbstständigkeit der Jugendlichen: „Frage ich einen Schüler, ob er am nächsten Tag Zeit hat, sagt er mir: ‘Da muss ich erst einmal meine Mutter fragen.’“ Sowohl Brozda als auch Kessler würden preislich bei einem Führerschein wohl nicht unter 1800 Euro kalkulieren.

Auch Sprachbarrieren sind ein Problem

Seit der Flüchtlingswelle im Jahr 2015 ist zudem oft auch die Sprachbarriere ein Problem. „Bei insgesamt rund 1000 Fahrschülern waren bei uns bis vor Kurzem bestimmt die Hälfte Syrer oder Araber“, sagt Steffen Schulte von der Blauweißen Fahrschule.

Bei der Theorie sei das häufig kein Problem, weil die Prüfungen am Computer in der Landessprache verfügbar sind, in der Praxis könne es aber schon mal sein, dass der Prüfling die Anweisung des Prüfers nicht richtig versteht, an der falschen Stelle ausfährt und durchfällt. „Es gibt Tage, da kommen von zehn Fahrschülern nur zwei durch. Die Prüfer sagen, dass das inzwischen normal ist“, ist Schulte frustriert.

Häufige Wechsel der Fahrschule

Wer im Ausland bereits einen Führerschein besitzt und diesen umschreiben will, ist zudem nicht auf Pflicht-Übungsstunden angewiesen. „Sie wollen dann häufig direkt die Prüfung machen, aber das mache ich nicht mit. Dann wechseln sie häufig einfach und probieren es bei der nächsten Fahrschule“, sagt Volker Kessler.

Dabei sei das Fahren auf deutschen Straßen nun mal in der Regel etwas anderes als in deren Heimat.