Gelsenkirchen. Am Sonntag fand in der Neuen Synagoge die Gedenkfeier zum Jahrestag der Befreiung von Auschwitz und für die Opfer des Nationalsozialismus statt.

Seit 23 Jahren ist der 27. Januar in Deutschland der offizielle Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus, es ist der Tag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz, Synonym für den europaweit begangenen Völkermord. Die Vereinten Nationen erklärten 2005 das Datum international als Tag der Erinnerung.

Bedeutung des 27. Januar für Gelsenkirchen

© Frank Oppitz

Für Gelsenkirchen hat dieser 27. Januar aber noch eine weitere Bedeutung: Im Jahr 1942 starteten just an diesem Morgen vom Güterbahnhof die Transporte der jüdischen Familien der Stadt und des nördlichen Ruhrgebiets in das Vernichtungslager KZ Riga und damit in den Tod.

„Die Menschen wurden in aller Öffentlichkeit am Wildenbruchplatz gesammelt“, erinnert Bürgermeisterin Martina Rudowitz am Sonntag bei einer Gedenkfeier in der Neuen Synagoge. „Jeder konnte es sehen“. Heute mache sich wieder eine Empathielosigkeit breit, ein Geschichtsvergessen. „Dem müssen wir Demokraten eine klare Absage erteilen, wir müssen klare Position beziehen“, das sei unser aller Verantwortung und Pflicht.

Die Geschichte des Holocaust weitertragen

„Von Auschwitz gibt es keine Befreiung“, erklärt Judith Neuwald-Tasbach, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde. „Wir brauchen die Kultur des Gedenkens, damit unsere Kinder verstehen lernen. Ich wünsche mir Respekt und Akzeptanz statt Gleichgültigkeit und Ablehnung“.

Fünf Jugendliche der Gemeinde schildern den rund 100 Gästen im Saal ihre Gedanken und Ängste zum Thema Antisemitismus. „Es betrifft uns alle, in der Schule wird man oft damit konfrontiert“, so Gloria Tenenbaum (18). Es sei wichtig, dass sie als jüdische Jugendliche die Geschichte des Holocaust weitertragen. Denn die Zeitzeugen sterben nach und nach.

Hass sei 2019 wieder in der Mitte der Gesellschaft angekommen

Musik und Gebete

Die musikalischen Beiträge von Michel Gershwin (Violine) und Anna Tyshayeva (Klavier) erfüllten die Herzen. Das jüdische Gelübde „Kol nidrei“ aus der Komponistenfeder des Christen Max Bruch setzte ein Zeichen.

Rabbi Chaim Kornblum sprach zum Abschluss der Gedenkfeier das „Kaddisch“, das Heilungsgebet der Trauernden, und das „El male Rachamin“, das Gedächtnisgebet für die ermordeten Juden Europas.

„Wir möchten nicht, dass die Gedenkkultur verloren geht“, pflichtet ihr Daniel Schwarz (18) bei. Der Hass sei 2019 wieder in der Mitte der Gesellschaft angekommen. „Das hätte man vor zehn Jahren nicht für möglich gehalten.“ Junna Baytman (18) war mit ihrer Klasse in Auschwitz. „Diese Reise ist für alle Jugendlichen wichtig, damit man es sieht, und nicht nur in Büchern liest“. Für sie persönlich sei das Entdecken des Nachnamens ihrer Mutter auf einem der Koffer in den Baracken sehr schockierend gewesen. Alexander Pestor (12) hofft, das jüdische Volk möge immer zusammenhalten. David Sherman (13) ist in seinem Umfeld noch nie mit Antisemitismus konfrontiert worden. „Das soll aber auch so bleiben“, wünscht er sich.

Der Gedenktag am 27. Januar ist ein wichtiger Baustein, dass sich sein Wunsch erfülle.