Gelsenkirchen. Gelsenkirchener Unternehmen, Schulen und auch die Stadt sehen einem möglichen EU-Austritt der Briten gelassen entgegen. Ein Stimmungsbild zum Thema Brexit.

Am 11. Dezember stimmt das britische Parlament über den Brexit ab. Sollte Großbritannien die EU tatsächlich verlassen, hätte das auch Folgen für unsere Stadt.

„Wir wissen noch nicht genau, wie sich ein Brexit auswirken könnte, aber Folgen wird er haben“, sagt Angelis Dehlinger vom Drahtseilhersteller Bridon mit Standort in der Magdeburgerstraße. „Wir sind ein weltweit operierendes Unternehmen und natürlich exportieren wir auch nach Großbritannien.“ Sie wolle sich aber nicht konkreter äußern, bevor der Brexit nicht beschlossene Sache sei.

Mehr bürokratischer Aufwand befürchtet

Die Norres Group, Schlauchhersteller mit Sitz in Gelsenkirchen, betreibt in Birmingham einen Produktionsstandort. „Insofern werden wir auch betroffen sein“, meint ein Sprecher. Auch Masterflex, das ebenfalls Schläuche herstellt, ist mit dem Königreich auf der Insel verflochten. „Wir haben dort ein Tochterunternehmen.“

Ein möglicher Brexit würde sich aber nicht nur auf hiesige Unternehmen auswirken. Auch Schüleraustausche werden betroffen sein, viele Schulen in der Stadt pflegen sie seit Jahren. Erst kürzlich hat eine Gruppe von Schülern der Gesamtschule Berger Feld London besucht, „das lief noch völlig problemlos, da war von Restriktionen nichts zu bemerken“, sagt Schulleiterin Maike Selter-Beer. Aber für die Zukunft befürchtet sie mehr Bürokratie. „Wenn dann Einreisebeschränkungen in Kraft treten werden oder Visapflicht, werden wir da nicht mal eben so rüberfahren können.“ Gerade für junge Menschen, die Englisch lernen wollen würden, wäre das schade.

Städte sind sich ähnlich

Regelmäßige Kontakte zur britischen Insel pflegt auch die Stadt: Mit der nordenglischen Partnerstadt Newcastle upon Tyne ist man hier so lange verbandelt, dass selbst ein Sitzungssaal im Hans-Sachs-Haus nach ihr benannt ist. Beide Städte lebten einst vom Kohleabbau – das führte sie 1948 zusammen. Newcastle mit seinen heute rund 270.000 Einwohnern war DIE Kohlenstadt im Nordosten Englands. In den 1970er-Jahren begann das große Zechensterben und damit das Ende des Kohleabbaus. Auch darin sind sich beide Städte ähnlich.

„Für uns ist die Partnerschaft mit Newcastle auch deswegen wichtig“, betont Andreas Piwek, Europabeauftragter der Stadt. Dass der Brexit die Kontakte erschweren könnte, darüber macht er sich nicht allzu große Sorgen: „Von Einreisebestimmungen lassen wir uns nicht abschrecken. Ich fahre ja auch in die Schweiz, und die ist auch nicht in der EU.“ Außerdem, so Piwek, sei die mögliche Brexit-Entscheidung ja eine nationale. „Deswegen können wir ja als Städte befreundet bleiben.“ Zumal Gelsenkirchen viel von seinen englischen Freunden lernen kann. Nach Jahren des wirtschaftlichen Niedergangs hat Newcastle upon Tyne inzwischen den Wandel zu einer kosmopolitischen Metropole vollzogen. „Großbritannien ist und bleibt spannend für uns.“

>> Sechs Partnerstädte für Gelsenkirchen

Gelsenkirchen hat sechs Partnerstädte in verschiedenen Ländern Europas und in Russland. Zu den Städten gehören neben Newcastle upon Tyne in England Büyükcekmece in der Türkei, Olsztyn (früher Allenstein) in Polen, Schachty in Russland, Zenica in Bosnien-Herzigowina und Cottbus im Osten Deutschlands.

Die Geschichte der Stadt Newcastle upon Tyne geht zurück auf die Festung Pons Aelii, eine der römischen Festungen entlang des Hadrianswalles. Im Mittelalter entwickelte sich der Ort zu einem wichtigen Handels- und Wirtschaftszentrum. Im 17. Jahrhundert wurde Kohle der Hauptexportartikel, das blieb so bis ins 20. Jahrhundert.