Gelsenkirchen. . Starfotograf und Visagist Maik Rietentidt verwandelt Normalos in Models. 21 Frauen und ein Mann tauchen in Gelsenkirchen ein in die Glitzerwelt.
Sexy, elegant, märchenhaft oder streng, gar finster und geheimnisvoll – ganz gleich welche auch noch so vage Vision die Menschen vor der Kamera von sich selbst haben, Maik Rietentidt (37) nimmt sie mit auf die Reise ins Scheinwerferlicht, tief hinein in eine Welt aus Glitzer und Glamour. Der Fotokünstler bringt viel Renommee mit, er hat beim Luxuslabel Chanel gelernt und gearbeitet, auch für Karl Lagerfeld und bei Germany’s Next Topmodel Heidi Klum in Staunen versetzt, indem er mancher Schönheit einen echten, glitschigen Oktopus auf den Kopf setzte.
Shooting im Salon der Friseurmeisterin
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Hier im Salon von Friseurmeisterin Annette Schmidt an der Kirchstraße wechselt der gebürtige Aumaer/Thüringen den roten Teppich der pompösen Modemetropolen gegen schlichte Fliesen. Rietentidt widmet sich aber mit ebenso viel Engagement und Akribie den Träumen und Wünschen der Kunden: „Einmal in eine andere Welt entfliehen, das etwas andere Ich, das Verborgene ins rechte Licht rücken.“ So erzählen es alle.
Alle, das sind an diesem Tag 21 Frauen und – schau an, schau an – sogar ein Mann, die den Abstecher in die Welt der Models und Mode gebucht (270 Euro) haben. Designerkleidung auf üppig gefüllten Ständern und kistenweise Accessoires stehen bereit. Themen heute zur Auswahl: Fetisch, Winter, Lichter, Wasser und Zebra.
Vom Normalo zum Model: Victor Mingolla
Annette Schmidt, die den Kontakt zu dem Starfotografen über den Marketing Club eines namhaften Kosmetikherstellers geknüpft hat, kümmert sich mit ihren Team um die Haare der Laien-Models, Maiks beste Freundin und Kollegin Silvia Gugino um das Styling mit Make-up. „Der Trend geht zu mehr Natürlichkeit“, sagt Gugino, während sie Sara Limanowski (18), ihre Mutter Melanie (42) und auch Victor Mingolla (35) nacheinander zurecht macht. „Die Gesichter sollen nicht mehr gebügelt aussehen, sie sollen noch Ecken und Kanten haben.“
Lampenfieber verfliegt schnell wieder
„Lampenfieber“ haben fast alle, mehr oder weniger jedenfalls, Prosecco, Saft und Canapés stehen bereit, um die Nerven zu beruhigen. Noch mehr aber ist es Maik Rietentidt selbst, wie die Fotografierten begeistert erzählen. Der gehe ganz in seiner Arbeit auf, „fragt nach den Wünschen, hat super Ideen und legt völlig entspannt selbst letzte Hand an. Der 37-Jährige zupft hier und da noch einmal Kleidung und Accessoires zurecht, korrigiert Lidstrich und Lippenstift oder delegiert mit leiser Stimme Hände, Kopf und Körper in Position. Dann macht es leise Klick - beinahe unaufhörlich. Die Ergebnisse der Foto-Session erhalten die Models noch vor Weihnachten – vorgezogene Bescherung sozusagen.
Vom Normalo zum Model: Sara Limanowski
Sara hat sich unter anderem für einen schwarzen Lederdress entschieden – streng wirkt sie da, ein wenig düster und unnahbar – „ein Kontrast“, wie sie selbst sagt, denn als angehende Erzieherin ist neben guten Nerven eher herzliche Offenheit gefragt. Mutter Melanie stellte ihre Tattoos farbenfroh in den Fokus und Victor, der auf den ersten Blick wie ein Ausbund der Gemütlichkeit wirkt, wechselte ins Lager geheimnisvoller Dominanz.
Physiotherapeutin taucht zum Shooting ins Wasser
Und Sarah Dittmann, die von sich selbst sagt, dass sie extrem kamerascheu sei, liebt es mittlerweile abgöttisch, wie Maik Verborgenes von ihr zu Tage fördert. Die Physiotherapeutin gehört an diesem Tag zu den Mutigen und taucht für das besondere Foto sogar ein in ein kleines Wasserbassin. „Es ist ein prickelndes Gefühl, in eine andere Rolle zu schlüpfen. Die Fotos machen süchtig“, sagt sie. Wie sehr, mag man vielleicht daran sehen, dass die 30-Jährige es mittlerweile auf ein gutes halbes Dutzend Shootings mit Maik bringt.
Vom Normalo zum Model: Sarah Dittmann
Maik Rietentidt ist ein Gratwanderer, er bewegt sich zwischen der Welt aus High Fashion und Otto Normalverbraucher. Gelernt hat der 37-Jährige den Beruf des Werkzeugmachers. „Glücklich war ich damit nicht“, sagt er. Zu wenig kreativ erschien ihm der Job. Also wechselte er die Seiten, lernte und arbeitete sechs Jahre bei Chanel und bereiste über Stationen wie Estee Lauder sowie Karl Lagerfeld die Laufstege und Studios der Welt.
Große Faszination übt die Fotografie auf Rietentidt aus. Also wagte der Autodidakt den Schritt in die Selbstständigkeit. Ein Vorteil dabei: Das Netzwerk, das er sich über seine berühmten Arbeitgeber aufgebaut hatte. Roter Teppich und Co. sind aber rein saisonale Jobs. Daher das zweite Standbein mit den Kunstfotos für jedermann.
Vom Normalo zum Model: Melanie Limanowski
Aktuell ist Maik Rietentidt für den Wettbewerb Miss Germany tätig. Auf Fuerteventura findet dazu Mitte Februar mit ihm ein großes Shooting statt, das 2018er-Finale folgt Ende Februar im Europapark Rust. Mit den Miss-Kandidatinnen war er zuvor schon in Ägypten. Und erlebte so manche Überraschung. Am Flughafen trauten die Wachmänner seiner Ausrüstung (Licht etc.) nicht. „Ich musste die Klapp-Scheinwerfer aufbauen und selbst einschalten“, erzählt Maik Rietentidt. „Die Sicherheitsleute hielten weit Abstand. Die dachten wohl, es sei eine Bombe.“
Maik Rietentidt führt ein Leben aus dem Koffer
Maik Rietentidt führt ein Leben aus dem Koffer. Freitags bis montags tourt der heute nahe Augsburg wohnende Fotograf durch die Lande – mit dem Van durch Deutschland, Österreich und der Schweiz.
Zwölf- bis 16-Stunden-Tage sind die Regel. Morgens um fünf Uhr sitzt der 37-Jährige bereits am Rechner und bearbeitet Fotos, ab acht Uhr beginnen die Shootings, meist über acht Stunden. Auch danach heißt es: Bildbearbeitung und Versand. Entspannung findet der Naturliebhaber zwischen seinen Touren im heimischen Garten.