Gelsenkirchen. . Im NRW-Talentzentrum Ückendorf resümierten Akteure Kinder- und Jugendarmut. Extremes Ungleichgewicht zwischen Gelsenkirchen und Pfaffenhofen.

Den gestrigen Sonntag hatte die katholische Kirche zum „Welttag der Armut“ deklariert. Quasi passend dazu veröffentlichte die Bundesarbeitsgemeinschaft Katholischer Jugendsozialarbeit (BAG KJS) e.V. ihren inzwischen fünften „Monitor Jugendarmut in Deutschland“.

Den Ort für die Präsentation hätten die Organisatoren bei diesem Thema kaum besser wählen können: Im NRW-Talentzentrum in Ückendorf resümierten die Akteure eine gesellschaftliche Schattenseite, für die Gelsenkirchen immer wieder die „Rote Laterne“ kassiert.

„Wir müssen dahin gehen, wo die Not ist, deshalb ist Gelsenkirchen ein guter Ort,“ sagte Prälat Karl Jüsten, Leiter des Katholischen Büros Berlin. Er forderte: „Arme brauchen eine Lobby, eine Stimme, die für sie ruft.“

Einfluss des Elternhauses

Ein Beispiel aus dem „Monitor“-Bericht macht das schonungslos deutlich: Während 2,3 Prozent der Kinder und Jugendlichen unter 18 Jahren im beschaulichen Pfaffenhofen (Bayern) in Hartz-IV-Haushalten leben, sind es in Gelsenkirchen 39,8 Prozent.

Mythen und Fakten

Die BAG KJS e.V. versteht sich als Anwalt für sozial benachteiligte oder individuell beeinträchtigte junge Menschen. Der „Monitor Jugendarmut“ basiert auf der Auswertung aktueller und frei zugänglicher Statistiken und Studien über junge Menschen zwischen 14 und 27 Jahren.

Der aktuelle „Monitor“ beschäftigt sich mit der Gegenüberstellung von Mythen und Fakten. Mit dem Ziel, diverse Vorurteile, die rund um Jugendarmut kursieren, aufzuzeigen und sie anhand von Fakten und Ö-Tönen betroffener Jugendlicher als Mythen zu entlarven.

Weitere Informationen: www.jugendarmut.info

Stefan Ewers vom Vorstand der BAG KJS sagte mit Blick auf die gesamte Bundesrepublik: „Wir wollen uns nicht damit abfinden, dass Millionen junger Menschen von Armut betroffen sind.“ Armut sei ein enormer Hemmschuh bei der Verselbstständigung junger Menschen. Denn wie solle er das schaffen, wenn er nicht einmal die Miete zahlen könne?

Auf den originären Zusammenhang zwischen dem Einkommen der Elternhäuser und Bildungsabschlüssen wies Marcus Kottmann hin. Der Leiter des Talentzentrums sagte: „Wenn wir möchten, dass junge Menschen die Zukunft gerecht gestalten, müssen sie diese heute gerecht erleben.“ Für mehr Bildungsgerechtigkeit sorgen bekanntlich Talentscouts, die Potenziale junger Leute aus sozial benachteiligten Verhältnissen in Schulen entdecken und fördern.

Talente wie Sarah-Lee Heinrich (17), eine politisch engagierte junge Frau aus einem Hartz-IV-Haushalt. Sie ist die Erste in der Familie, die das Abitur macht. „Ich hatte Glück“, erzählte sie. Ich bekomme ein Stipendium der Ruhrtalente. Aber der Bildungsweg darf nicht vom Glück abhängen, er muss gesichert sein.“ Sie fordert eine Kindergrundsicherung. „Es gibt in diesem Bereich viele Baustellen, aber die müssen auch angepackt werden. Ich hoffe, dass irgendwann politische Konsequenzen gezogen werden.“

Ökonomische und soziale Armut

Später sagte sie, neben dem CDU-Bundestagsabgeordneten Oliver Wittke an der richtigen Adresse stehend, noch etwas Bedenkenswertes: „Der Zugang zu Bildung und Teilhabe muss vereinfacht werden.“ Es sei „mega-anstrengend“ und aufwendig, die Anträge für die Gutscheine zu stellen.

„Die größte Gruppe, die von Armut betroffen ist, sind die Jugendlichen“, sagte Wittke. „In Gelsenkirchen leben 20 Prozent von Hartz IV.“ Seine Sorge: „Ökonomische Armut geht oft mit sozialer Armut einher.“

Der CDU-Politiker kündigte an: „Wir sind gerade dabei, ein Programm aufzulegen, das nicht mehr nach dem Gießkannenprinzip, sondern nach tatsächlicher Bedürftigkeit helfen soll.“ Weil es eben immer noch starke regionale Unterschiede gebe.

Wohl wahr – siehe Pfaffenhofen und Gelsenkirchen.