Gelsenkirchen. . Vorwurf des Mönchengladbacher Ratsherrn Dominik Roeseler vor der Demo: Verletzung der Neutralitätspflicht. Polizei am Sonntag mit Großaufgebot.
Im Vorfeld der angekündigten Demonstrationen am Sonntag (12 bis 18 Uhr) in der Altstadt wurden Freitag letzte Feinabsprachen getroffen. Wie berichtet, hat sich nach der Ankündigung einer Demo der rechten Gruppen „Mütter gegen Gewalt“ und „Patrioten NRW“ auf dem Bahnhofsvorplatz das Aktionsbündnis 16.9. gegründet, um jeder Form von Rassismus und Fremdenhass Paroli zu bieten. Insgesamt werden circa 2000 Teilnehmer erwartet.
Die Polizei wird die Kundgebungen – insgesamt zwölf zwischen Bahnhofsvorplatz und Heinrich-König-Platz – mit einem Großaufgebot an Einsatzkräften begleiten. Im Vordergrund ihrer Arbeit steht das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit. Polizeisprecher Torsten Sziesze machte im Vorfeld der Aufmärsche aber ganz deutlich, dass „Rechtsbrüche, Gewalt und rassistische oder gar volksverhetzende Aussagen „konsequent verhindert, unterbunden und strafrechtlich verfolgt werden“.
Mail an die Mitarbeiter der Verwaltung
Stichwort Straftat: Der Mönchengladbacher Ratsherr Dominik Roeseler (parteilos, Ex-Pro NRW) hat bei der Staatsanwaltschaft Essen Anzeige gegen OB Frank Baranowski wegen „Verletzung der Neutralitätspflicht und Amtsmissbrauchs“ erstattet. Die Stadt hatte auf ihrer Internetseite dafür geworben, dass Aktionsbündnis zu unterstützen, gleichzeitig hat die Verwaltungsspitze mit dem Personalrat die Mitarbeiter in einer internen Mail dazu aufgerufen, sich der Demonstration des rechten Lagers als Privatpersonen zahlreich entgegenzustellen und so „mit zu einem starken Zeichen für ein friedliches und demokratisches Gelsenkirchen“ beizutragen.
Unterstützung erhält der durch den Dügida-Marsch (Düsseldorfer gegen die Islamisierung des Abendlandes) bekannte Roeseler vom Gelsenkirchener Bundestagsabgeordneten Jörg Schneider – der AfD-Politiker will strafrechtliche Schritte gegen den OB prüfen.
Juristen sehen keinen Straftatbestand
Stadtrat Christopher Schmitt, zugleich Jurist, nimmt die Anzeige gelassen: „Der Oberbürgermeister verletzt mit seinem Aufruf nicht das Neutralitätsgebot. weil er sich nicht auf eine Veranstaltung von politischen Parteien oder von Wahlbewerbern bezieht. Die Verwirklichung eines Straftatbestandes ist erst recht nicht ersichtlich.“
Ähnlich urteilt Joachim Schürmann, Vorsitzender des Anwaltsvereins Buer-Horst: „Die Neutralität zu verletzen, ist kein Straftatbestand“. Einzig eine verwaltungsrechtliche Relevanz könnte die Aktion haben. Als der Düsseldorfer OB Geisel im Jahr 2015 mit seiner Aktion „Lichter aus“ das Rathaus aus Protest gegen die Dügida-Kundgebung verdunkeln ließ und die Bürger aufforderte, ebenfalls das Licht zu löschen, stufte das Bundesverwaltungsgericht das als rechtswidrig ein.
Wer sich wo versammelt
Offiziell haben zwölf Gruppierungen ihre Kundgebungen bei der Polizei für Sonntag angemeldet. Die „Mütter gegen Gewalt“ und die „Patrioten NRW“ wollen sich gemeinsam am Sonntag von 14 bis 18 Uhr auf dem Bahnhofsvorplatz versammeln. Anreise und Vorbereitungen bzw. Aufbau dürften aber bereits früher geschehen. Unterstützt werden die Protestler außerdem noch von den „Bikern für Deutschland“. Letztere planen kein Motorradkorso, wohl aber wird das rechte Lager durch die Innenstadt zwischen Hauptbahnhof und Heinrich-König-Platz über die Bahnhofstraße marschieren - das wurde so angemeldet.
Die Liste der Gegendemonstranten
Die Gruppe der Gegendemonstranten setzt sich wie folgt zusammen: Aktionsbündnis 16.9., die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA), Die Partei, SPD (Hans-Sachs-Haus), MLPD, Die Linke (Husemannstraße), Falken, DGB-Jugend, Schalker Fan Initiative, DKP, Jusos, Bündnis90/Die Grünen (Preuteplatz).
Das Gros der Gegendemonstranten trifft sich auf dem auf dem Heinrich-König-Platz (13 bis 18 Uhr).
Einschränkungen für Bürger und Besucher
Die Polizei wird die Gruppen strikt voneinander trennen, das geschieht bereits bei der Anreise. Bezirksbeamte haben im Vorfeld der Kundgebungen in der Innenstadt Flyer verteilt, auch an die Gastronomen. Anwohner und Besucher müssen aufgrund der Vielzahl von Versammlungen und Teilnehmern mit Einschränkungen rechnen – etwa um Rettungswege frei zu halten für die jeweiligen Kundgebungsorte.
MiR sendet Appell ans Bündnis
Auch das Musiktheater im Revier hat reagiert und ein neues Banner installiert (Bild). In einem offenen Brief schreibt Generalintendant Michael Schulz: „Am 16. September beabsichtigen zwei rechte Gruppierungen in Gelsenkirchen aufzumarschieren, um ein Gefühl der Unsicherheit zu verbreiten und zu behaupten, sie würden für die Mehrheit der Gesellschaft stehen. Sie fordern, Rechte von Minderheiten oder Fremden einzuschränken und unsere Freiheit, die wir auch für notleidende, Fremde aber auch Andersdenkende geschaffen haben und mit Leben füllen, aufzugeben.“ Schulz betont, mit dem neuen Banner sende das MiR einen Appell „an die freiheitsliebenden Teilnehmer der Gegendemonstration“. „Der Generalverdacht und die verbale Sippenhaft von Flüchtlingen, Asylbewerbern und letztlich allen Menschen nichtdeutscher Herkunft sind verachtenswert, beschämend und haben nichts mit einer freien und offenen Gesellschaft zu tun.“
Friedensgebet und Glockenläuten
Mit einem Friedensgebet und Glockengeläut zum Auftakt der Gegendemo des Bündnisses 16.9. – Gelsenkirchen stellt sich quer beteiligt sich der evangelische Kirchenkreis GE und Wattenscheid an den Aktionen gegen den Aufmarsch rechter Gruppierungen. Um 12.40 Uhr läuten Sonntag die Glocken der Altstadtkirche und laden zum Gebet mit Pfarrerin Kerstin Sowa und Superintendent Heiner Montanus. „Als evangelische Kirche in Gelsenkirchen wollen wir ein friedliches Miteinander aller Religionen und Nationalitäten“, sagt Montanus.