Gelsenkirchen. Bei einem Bummel über die Gelsenkirchener Bahnhofsstraße wird Redakteur Sinan Sat angepöbelt. Sein kleiner Sohn wird im Kinderwagen Zeuge davon.
„Ich wünschte, ich hätte eine Knarre, dann würde ich dieses ganze Kanackenpack abknallen.“ Diese Worte, die ein älterer Mann am gestrigen Mittwochmittag in der Gelsenkirchener Altstadt äußerte, galten WAZ-Redakteur Sinan Sat. Er war auf der Bahnhofstraße in Höhe des Jobpoints unterwegs. Sein sieben Wochen alter Sohn lag im Kinderwagen vor ihm.
„Mein Name ist Sinan Sat. Ich bin vor 30 Jahren in Gelsenkirchen geboren und hier aufgewachsen. Gelsenkirchen ist meine Heimat“, sagt er über sich selbst. Aufgrund seines südländischen Aussehens ist er rassistische Bemerkungen mittlerweile trotzdem gewohnt.
Sat wurde nicht zum ersten Mal beleidigt
Mit Anfeindungen geht er offensiv um: „Es ist nicht das erste Mal und leider auch nicht das zweite oder dritte Mal, dass mich meine Redaktion bittet, meine persönlichen Erfahrungen zu Papier zu bringen.“
Fremdenfeindliche Äußerungen auf offener Straße: Ein Thema, dass auch angesichts der aktuellen Vorkommnisse im sächsischen Chemnitz die Menschen im Land beschäftigt. In Gelsenkirchen gebe es so etwas nur in Einzelfällen, versichern die zuständigen Stellen am Mittwoch.
Betroffene sollen Anzeige erstatten
Anzeigen wegen Beleidigung mit rassistischem Hintergrund habe es in der letzten Woche keine gegeben, sagt Christian Zander von der Gelsenkirchener Polizei. Wie viele Betroffene zu dem Thema allerdings schweigen, ist unklar. „Viele dieser Sachen bekommt man gar nicht mit“, sagt der Integrationsbeauftragte der Stadt, Mustafa Cetinkaya.
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Denn dafür müssten Betroffene Anzeige erstatten. „Das ist eine Straftat und muss verfolgt werden“, betont Zander. Nur dann könne die Polizei tätig werden. „Wenn es mehrere Fälle geben sollte, sind wir dafür sehr sensibel“, versichert er und ermutigt Betroffene, sich bei der Polizei zu melden. Erst dann könnten die Behörden auf diese Zwischenfälle reagieren und zum Beispiel in bestimmten Bereichen stärker kontrollieren.
Im Zweifel keine Beweise
Sinan Sat hat sich dagegen entschieden, den rechten Pöbler anzuzeigen. Der Mann hatte den Journalisten nicht direkt angesprochen, sondern die Worte lautstark an eine Frau gerichtet, die neben ihm auf der Bank saß und ihm eifrig zustimmte. Laut genug, damit Sinan Sat sie deutlich hören und verstehen konnte: „Nur Kinderkriegen können die. Die musse alle abknallen.“
Im Zweifel hätte er dafür keine Beweise und Ohrenzeugen gehabt. Seine Aussage hätte gegen die des Mannes gestanden, so seine Befürchtung. Den Redner konfrontieren wollte er nicht. Denn: „Mit Kinderwagen breche ich keinen Streit vom Zaun.“
Präventivmaßnahmen sollen helfen
Nach den rechtsgerichteten Übergriffen in Chemnitz sei auch die Stimmung in Gelsenkirchen „angeheizt“, beschreibt Cetinkaya seine persönliche Wahrnehmung. Präventive Begegnungsmaßnahmen seien ein probates Mittel gegen Vorurteile.
Aber: „Wir erreichen nicht alle.“ Das zeigt auch der Fall von Sinan Sat. Ihm und möglichen anderen Betroffenen rät Zander, sich bei der Polizei zu melden. Nur so würde die Problematik bekannt, selbst wenn Pöbler nicht immer belangt werden könnten.
>>> INFO: Das kann teuer werden <<<
Wer einen anderen beleidigt, kann dafür vor Gericht zu einer Geld- oder Freiheitsstrafe verurteilt werden. Ist der Tatbestand der Volksverhetzung erfüllt, droht eine Geldbuße oder Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren. Bedrohung wird mit bis zu einem Jahr Haft bestraft.