Gelsenkirchen. Gelsenkirchens Ballettdirektorin Bridget Breiner wurde vor vier Wochen erstmals Mutter. Ihr kleiner Sohn heißt William Oliver.
Sehr erfolgreich steht die gebürtige US-Amerikanerin Bridget Breiner seit 2012 an der Spitze der Compagnie des Musiktheaters im Revier. Als Tänzerin und Choreographin führte die 44-Jährige das Ensemble zu ungeahnten Höhen. Im Herbst nun beginnt die letzte Spielzeit der Ballettdirektorin in Gelsenkirchen. Mitte 2019 wechselt Breiner als Tanzchefin ans Badische Staatstheater Karlsruhe. Vor drei Wochen wurde Bridget Breiner zum ersten Mal. WAZ-Redakteurin Elisabeth Höving sprach im Stadtgarten mit einer glücklichen Künstlerin über ihren Sohn William Oliver, über ihren Mann, den kanadischen Opernsänger Phillip Ens, über Abschiede und neue Ziele.
Als Tänzerin sind Sie es gewohnt, in neue Rollen zu schlüpfen. Nun übernehmen Sie auch privat eine neue Aufgabe. Schon reingefunden?
Bridget Breiner: (lacht). Ja, und besser, als ich zuerst gedacht habe. Das war ja eine echte Überraschung, dass William Oliver noch gekommen ist. Ich gebe zu, ich habe nicht mehr damit gerechnet, noch ein Kind zu bekommen. Wir haben gedacht, diese Zeit ist an uns vorbei gegangen. Das ist nun ein neues Leben, eine schöne Umstellung.
(Die Bistro-Bedienung kommt, fragt, ob wir Kuchen zum Kaffee möchten. Wir winken ab)
Essen Sie überhaupt je Kuchen?
Ja, doch, tatsächlich. Ich habe das genossen in der Schwangerschaft.
Konnten Sie sich auf die neue Rolle vorbereiten?
Wenig. Es war sehr viel los in der letzten Spielzeit. Mein Mann hat viele Sache, die man jetzt braucht, besorgt, viele Leute haben uns Dinge geschenkt, aber Geburtskurse, die konnte ich kaum machen.
Sie haben so viele Rollen getanzt, ist das jetzt eine echte Traumrolle?
Das kann ich nicht vergleichen, das ist jetzt einfach etwas ganz anderes. Das war auch nichts, was ich wahnsinnig geplant habe. Wenn man den Sohn nun hat, dann ist es etwas ganz Besonderes und Tolles. Wir sind ziemlich verliebt in ihn.
Den Spagat als Tänzerin beherrschen Sie locker. Werden Sie auch den zwischen Familie und Beruf versuchen?
Ich weiß noch nicht, wie. Das Timing ist jetzt ganz gut, weil wir Sommer haben und Theaterferien. Mein Mann ist ja freischaffender Opernsänger und er hat sich entschieden, etwas kürzer zu treten. Es ist schön zu sehen, wieviel Zeit er mit dem Kind verbringt. Meine letzte Produktion war schon im März fertig und ich habe erst im März nächsten Jahres meine neue Premiere. Damit muss ich erst im November wieder anfangen, intensiv zu arbeiten. Das hilft, Raum zu schaffen. Zumal: Choreographen wie Richard Siegal oder Benvindo Fonseca vertraue ich sehr. Denen kann ich die Compagnie übergeben. Wir haben überhaupt ein gutes Team im Ballett.
Machen Sie eine Babypause?
Ja, ich steige nicht gleich wieder ein. Zu Beginn der Spielzeit werde ich nicht dabei sein, dann aber nach und nach. Ich werde mir Stücke ansehen, präsent sein. Es ist gut, dass ich so nah wohne, so kann ich immer wieder im Theater vorbei kommen. Für die Tänzer ist es wichtig, dass der Boss weiß, was los ist.
Sie sind mit 44 Jahren spät Mutter geworden. Hat Ihnen ihre große körperliche Fitness geholfen?
Anscheinend ja. Man hat mir gesagt, dass mein Körper im Vergleich zu anderen Frauen zehn Jahre jünger ist. Dann hat man weniger Sorgen, wir haben aber dennoch alle Tests gemacht.
Welche Vorteile hat die späte Mutterschaft?
Ich bin beruflich schon gefestigt. Und ich kann Hilfe bekommen, wenn ich sie brauche. Es ist für mich als Ballettdirektorin sicherlich einfacher als für eine Tänzerin, Mutter zu sein. Gerade als junge Tänzerin hat man mit Kind Angst, dass man nicht mehr auf die Bühne zurück kann. Für die ist es schon sehr schwer, denn der Probenplan ist, wie er ist. Ich glaube, ich bin auch eine gelassene Mutter.
Hängt der Wechsel nächstes Jahr nach Karlsruhe mit der Familienplanung zusammen?
Nein, das waren zwei separate Dinge. Die Gespräche mit dem Intendanten fingen viel früher an.
Wollen Sie in Karlsruhe sesshaft werden?
Sesshaft werden? Ich weiß nicht (schmunzelt). Ich glaube, für uns als Familie ist es dort nicht schlecht, wir kennen noch viele Leute in Stuttgart, wo ich lange war, haben dort alte Freunde. Wir haben auch gute Freunde in Gelsenkirchen, aber keine alten. In Karlsruhe ist man schnell in der Natur. Es ist dennoch überraschend, wie gut uns der Ruhrpott gefällt. Wir werden ihn nur sehr ungern verlassen. Die Leute hier sind sehr direkt und offen. Außerdem herrscht hier im Theater eine fantastische Stimmung. Was wir hier als Compagnie machen können, das ist erstaunlich, weil die Leute uns so unterstützen. Das werde ich sehr vermissen.
Am Musiktheater feierten Sie riesige Erfolge. Was gab den Ausschlag für die Entscheidung zum Wechsel?
Die Chance, an einem größeren Haus zu arbeiten mit einer größeren Compagnie. Ich habe es mir lange überlegt, weil ich es sehr schätze, was wir an dieser kleineren Gruppe haben. Dass wir eng miteinander arbeiten, dass sich die Tänzer sehr vertrauen. Das Problem für mich war einfach, wir haben hier erreicht, was wir erreichen können. Noch mehr geht nicht. Und zu so einem Angebot konnte man auch nicht Nein sagen und das wäre auch ungerecht den Tänzern gegenüber gewesen. Denn auch die brauchen jetzt eine neue Herausforderung, neue Inspiration. Ein paar allerdings kommen auch mit, weil ihnen hier die Konkurrenz einer größeren Truppe fehlt. Hier ist es toll, weil alle meine Aufmerksamkeit haben. Alle bekommen die Chance, Stücke von Jiří Kylián oder David Dawson zu tanzen. Diese Chance bekommt man in eine größeren Gruppe nicht sofort.
Wieviele Tänzer werden Sie mit nach Karlsruhe nehmen?
Das steht noch nicht genau fest, aber es werden schon einige sein.
Welche Erfahrungen aus Gelsenkirchen werden Sie mitnehmen?
Gute Frage! Nun, ich denke, es wird in Karlsruhe völlig anders laufen. Es ist ein großes Haus mit mehr Sparten, anderen personellen Konstellationen. Was ich hier gelernt habe und mitnehmen werde, das ist die große Bedeutung des Vertrauens zwischen Tänzern und Direktion. Das hat uns wahnsinnig viel gebracht. Das hängt auch damit zusammen, dass ich selbst getanzt habe. Ich war jeden Tag im Ballettsaal, habe mit trainiert.
Werden Sie auch in Karlsruhe selbst tanzen?
Nein, das glaube ich nicht. Ich bin 44 Jahre alt, das Tanzen hat zum Schluss schon körperlich weh getan. Irgendwann muss man aufhören, ich hatte ja alles. Meine letzte Vorstellung war die Rolle der Charlotte Salomon, das hat große Bedeutung für mich. Wenn ich damit meine Karriere als Tänzerin beende, dann kann ich gut damit leben. Ich möchte mich jetzt auf die Compagnie und auf diesen kleinen Mann konzentrieren.
Vorfreude auf Leonard Bernsteins „Mass“
Worauf freuen Sie sich in Ihrer letzten Saison am Musiktheater besonders?
Eigentlich auf alles. Ich bin stolz und glücklich, dass wir Richard Siegal haben, der die Saison mit „Mass“ eröffnet. Er war im Juni eine Woche bei uns, hat mit den Tänzern gearbeitet. Er ist sehr intelligent, sehr sensibel, ganz ohne Allüren, die Tänzer mögen ihn sehr. Die Produktion wird Spaß machen, die Musik ist Bernstein pur. Ich freue mich auch auf Fonsecas „Nussknacker“ als Kinderballett. Er hat so viel Energie, er tanzt die ganze Zeit mit. Er hat einen Stil, der nicht so von Nordeuropa geprägt ist. Es ist gut, hier mal einen ganz anderen Tanz zu sehen.
Was wünschen Sie sich für das Ballett im Revier, wenn sie es Mitte 2019 verlassen?
Jeder Direktor hat seinen eigenen Stil, den er mitbringt. Ich hoffe, dass das Publikum neugierig bleibt, dass es nun einfach weiter schauen möchte. Wir haben eine große Bandbreite präsentiert. Besonders glücklich bin ich über die Entwicklung des Jugendtanzprojektes Move. Das ist ja noch von meinem Vorgänger Bernd Schindowski angestoßen worden. Das Projekt hat sich toll entwickelt. Das ist etwas, was bleiben wird. Hier kommen Jugendliche aus unterschiedlichen Schichten zusammen und machen etwas gemeinsam mit der Compagnie. Und zwar nicht einfach so nebenbei.
Sind Sie in die Suche eines Nachfolgers, die sicherlich schon begonnen hat, eingebunden?
Nein, ich bin nicht eingebunden. Es ist wichtig, dass Michael Schulz die Entscheidung trifft, die zu ihm passt. Er muss mit diesem Menschen arbeiten. Ich bin nach Gelsenkirchen gegangen, weil ich mit Schulz arbeiten wollte. Er hat das Ballett super unterstützt, wir haben uns von Anfang an gut verstanden. Deshalb ist es wichtig, dass er jemanden findet, mit dem er sich gut versteht.
Haben Sie denn Vorschläge gemacht?
Nein. Ich kenne aber einige Bewerber. Es müssen bereits sehr viele sein, und das ohne Ausschreibung der Stelle. Das sagt schon etwas über das Ballett im Revier aus. Aber ich fände es nicht gut, wenn der jetzige Direktor seinen Nachfolger aussucht. Wenn man mich fragt, würde ich aber zumindest etwas über meine Einschätzung der Kandidaten sagen. Es sind sehr gute Bewerber dabei. Wenn ich gefragt werden würde, würde ich meine Überlegungen zu den Kandidaten äußern.
Was braucht das Ballett im Revier dringend für die Zukunft?
Mehr Geld, sicherlich immer. Was mir in den letzten zwei Jahren aber am meisten gefehlt hat, das waren mehr Zuschauer. Wir haben ein sehr loyales Publikum, aber nicht genug für die vielen Vorstellungen, die wir anbieten. Doch Tänzer müssen so oft wie möglich auf die Bühne. Mein Herz hat in der letzten Zeit oft geblutet, wenn wir tolle Produktionen hatten, aber nicht immer ein volles Haus. Das macht es dann für die Tänzer schwer, sich zu motivieren. Ich wünsche der Compagnie, dass dieses so interessierte Publikum noch größer wird. Die Leute, die kommen, sind ganz toll und unterstützend, aber es müssten mehr sein.
Vor allem mehr aus der Region, dem Umkreis.
Ja, auf jeden Fall. Aber das ist gar nicht so einfach. Die meisten gehen in das Theater in ihrer Stadt.
Braucht die Compagnie auch mehr Tänzer?
Das wäre schon hilfreich, ist aber nicht unbedingt nötig. Man kann auch mit 14 Leuten gute Arbeit machen. Es darf dann nur nicht jemand krank werden. Überhaupt hilft auch die Stadt Gelsenkirchen dem Ballett sehr, die Unterstützung ist groß.
Wie wird die junge Familie den Sommer verbringen?
Wir würden gerne in einigen Wochen nach Kanada zur Familie meines Mannes fliegen. Mal sehen, ob das mit Baby schon klappt. Wenn nicht, geht es an die Nordsee, oder nach Italien. Auf jeden Fall raus in die Natur.
Hat Ihre Familie William schon kennengelernt?
Ja, meine Mutter war da. Und seine kanadischen Großeltern und Tante waren auch zur Geburt da. Am gleichen Tag wie ich bekam übrigens auch meine Schwester in New York ihr erstes Kind.