Gelsenkirchen/Hünxe. Ruhr Oel sieht sich im Skandal um 30.000 Tonnen illegal entsorgter Rußpellets als Opfer. Ermittlungsverfahren gegen Beschäftigte eingeleitet.

Es war wohl ein Lkw-Fahrer, dem ungewöhnliche Ölspuren aufgefallen waren und der einen Prozess in Gang setzte, der Staatsanwälte, Richter, Aufsichtsbehörde, Fach-Unternehmen und nicht zuletzt auch die Ruhr Oel GmbH Gelsenkirchen nachhaltig beschäftigt. Es geht um illegale Abfallentsorgung zwischen 2010 und 2013 nahe Schermbeck-Gahlen auf der Deponie Mühlenberg der Firma Nottenkämper.

Mit Siebsand und Aktivkohle vermischt

30.000 Tonnen Ruß- oder Ölpellets sind dort gelandet, vermengt mit Substanzen wie Siebsand und Aktivkohle. Die soll im zwischenzeitlich insolventen Recycling-Zentrum-Bochum geschehen sein. Ihren Ursprung hatten die Pellets im Stadtnorden: Ölpellets fallen im Werk Scholven der Ruhr Oel GmbH als Nebenprodukt der Schwerölvergasung an. Als Energieträger wurden sie seit den 1970er Jahren vornehmlich bis 2009 als Brennstoff im benachbarten Kraftwerk Scholven verfeuert. Sie gelten als sogenanntes Nebenprodukt und können auch Abfall sein.

Der seit 2017 in Bochum anhängige Strafprozess wirft aus Sicht von Beobachtern ein Schlaglicht auf „mafiöse Strukturen in der Müllbranche“. Als Opfer „hoher krimineller Energie“ sehen sich: 1. der Deponiebetreiber, 2. Ruhr-Oel.

Mit einem durchorganisierten Firmengeflecht soll der Hauptangeklagte, Ex-Prokurist bei Nottenkämper, die Rußpellets billiger und unsachgemäß als mineralischen Abfall entsorgt haben und so einen Millionenschaden verursacht haben. Gegen ihn und drei mutmaßliche Mittäter wird vor dem Landgericht Bochum verhandelt.

Ermittlungsverfahren gegen Mitarbeiter

„Um es deutlich zu betonen: Wir haben zu keinem Zeitpunkt an einer illegalen Entsorgung der Rußpellets mitgewirkt“, erläutert Ruhr Oel-Unternehmenssprecher Marc Schulte und betont: „Die Deponierung erfolgte ohne unser Wissen. Vielmehr wurden wir hier bewusst und mit hoher krimineller Energie in die Irre geführt.“ Auch habe das Unternehmen „weder einen Produktstatus erschlichen noch hat eine angebliche Um- oder Falschdeklaration der Rußpellets stattgefunden, wie immer wieder von Seiten eines Angeklagten behauptet wird.“ Und: „Weder Ruhr Oel noch aktuelle oder ehemalige Mitarbeiter „sind in dieses Verfahren wegen der mutmaßlich rechtswidrigen Deponierung von Rußpellets einbezogen“.

Vergangene Woche hatte die Staatsanwaltschaft Bochum wie berichtet nun auch ein Ermittlungsverfahren gegen Mitarbeiter der Ruhr Oel GmbH in Gelsenkirchen eingeleitet. Der Vorwurf: unerlaubter Umgang mit Abfällen. Schulte stellt aus Sicht des Konzerns dar, dass die Vorwürfe dabei „nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem seit Monaten laufenden Umweltstrafverfahren stehen“. Im neu eingeleiteten Ermittlungsverfahren solle die Rechtsfrage geklärt werden, ob die Einstufung der Rußpellets als sogenanntes Nebenprodukt in den Jahren vor 2015 rechtlich zutreffend war, sofern sie nicht im benachbarten Kraftwerk als Brennstoff eingesetzt wurden. Letzteres sei unstrittig.

Analytik der Schwermetallgehalte

Im Kraftwerk Scholven wurden in der Vergangenheit Ölpellets verfeuert
Im Kraftwerk Scholven wurden in der Vergangenheit Ölpellets verfeuert © Hans Blossey

Ausgelöst wurde das neuerliche Verfahren laut Staatsanwaltschaft durch das Gutachten eines Sachverständigen im Strafprozess. Demnach sei eine spezielle Analytik nötig, um die Schwermetallgehalte der Ölpellets zutreffend darstellen zu können. Von der Höhe der Schwermetalle ist – verkürzt gesagt – der schadlose Einsatz der Pellets abhängig und letztlich auch die Frage, ob das Material „als Nebenprodukt frei in den Wirtschaftskreislauf zu bringen“ oder andernfalls „ordnungsgemäß als Abfall zu entsorgen“ sei. Für einen Teil der Ölpellets bestehen seitens der Staatsanwaltschaft „aufgrund aktueller Erkenntnisse Zweifel am Status als Nebenprodukt“, eine strafrechtliche Überprüfung der Vorgänge rund um die Bewirtschaftung sei daher erforderlich.

Erste Verurteilung im Jahr 2015

Das Bundesumweltministerium stellte jüngst auf Anfrage des Münsteraner Bundestagsabgeordneten der Linken, Hubertus Zdebel, zu den Vorgängen auf der Nottenkämper-Deponie fest: „Aufgrund des Organikgehaltes und des Schwermetallgehaltes ist die Verfüllung der Tongrube mit einem Gemisch aus mineralischen Abfällen und den Ölpellets und der daraus zu befürchtenden Gefährdung des Grundwassers weder eine ordnungsgemäße und schadlose Verwertung noch eine gemeinverträgliche Beseitigung“, jedoch bestehe aus abfallrechtlicher Sicht „kein unmittelbarer Handlungsbedarf“.

Ein und dasselbe Rußpellet kann nach Einschätzung der Ruhr Oel GmbH „wie jeder andere Stoff auch, abhängig von den Umständen des Umgangs und der weiteren Verwendungsmöglichkeit sowohl Nebenprodukt als auch Abfall sein“.

Regelmäßige Überprüfungen und auch Anpassungen

Die „abfallrechtliche und stoffliche Einstufung der Rußpellets“ sei dabei abhängig von zahlreichen Parametern (eingesetzte Rohöle, Fahrweise von Anlagen im Raffinerieverbund, Änderung der Gesetzeslage) und unterliege regelmäßigen Überprüfungen und auch Anpassungen.

Das laufende Umweltverfahren vor dem Landgericht Bochum hat laut Ruhr Oel eine Vorgeschichte. „Der angeklagte ehemalige Geschäftsführer der Ökotec GmbH ist unter anderem auch im Zusammenhang mit den Rußpellets gemeinsam mit anderen Beteiligten in einem gesonderten Verfahren, an dem die Ruhr Oel als Geschädigte und Nebenklägerin beteiligt war, im Dezember 2015 zu einer mehrjährigen Haftstrafe, u.a. wegen Betruges zu Lasten der Ruhr Oel rechtskräftig verurteilt worden“.