Gelsenkirchen. . Stadt beschließt Schutzmaßnahmen für Sanierungen in öffentlichen Gebäuden, Schulen und Kindertagesstätten. Asbest-Faser kann Krebs auslösen.
Asbest war in den 1960er- bis 1980er-Jahren ein beliebtes Baumaterial. Erst als die Nebenwirkungen immer offenkundiger wurden, begann der Abschied von dem gefährlichen Stoff.
Denn freigesetzte und eingeatmeten Fasern, mikroskopisch klein, können Lungenkrebs verursachen. Dies führte 1993 in Deutschland zum Verbot, in der EU seit 2005. Neuere Studien haben jedoch gezeigt, dass das Risiko durch andere Gefahrenquellen – etwa in Klebern, Spachtelmassen oder Putzen – bislang unterschätzt wurde.
Das hat die Stadt veranlasst, die Schutzmaßnahmen für kleinere Umbauten oder Reparaturen in öffentlichen Gebäuden, Schulen und Kindertagesstätten zu erweitern. „Künftig kommen bei Bohrarbeiten nur noch Arbeitsgeräte zum Einsatz, die anfallende Stäube sofort absaugen und Schadstoffe nicht wieder in die Raumluft lassen“, erklärt Lutz Kalkstein, Leiter des Referates Hochbau und Liegenschaften.
Spezialgeräte sollen zum Einsatz kommen
Drei Stufen sehen die Maßnahmen vor: die Verwendung von Spezialgeräten von geschulten städtischen Mitarbeitern – etwa beim Bohren für Schalter und Steckdosen sowie beim Aufschlitzen von Wänden für die Verlegung von Leitungen.
Die Beauftragung nur von zugelassenen Sanierungsfachbetrieben bei größeren Arbeitsumfängen (Stemmen, Fräsen, Schleifen) sowie die Probenentnahme und die Erstellung eines Schadstoffgutachtens bei sehr umfangreichen und stark zerstörerischen Eingriffen in die Bausubstanz.
Risiko-Minimierung ist das oberste Gebot
„Die Maßnahmen gelten insbesondere für Gebäude, die vor 1995 errichtet wurde“, sagt Lutz Kalkstein. Der Fachmann betont, dass niemand einer unmittelbaren Gefahr ausgesetzt werden darf, besonders an Schulen gilt dieses für Kinder, Lehrer und Arbeiter der beauftragten Firmen. „Die Stadt möchte in jeder Hinsicht etwaige Risiken ausschließen.“
Experten zufolge wurde der gefährliche Stoff zwischen 1960 und 1990 in mehr als 3000 Produkten eingesetzt (siehe Infobox). Etwa 70 Prozent des Asbests gelangten als Asbestzement, also in gebundener Form, in die Häuser. Gesundheitlich sind solche Produkte in der Regel kein Risiko.
135 Hausmeister (darunter auch Frauen) an 89 Schulen in Gelsenkirchen werden jetzt im Umgang mit den neuen Gerätschaften geschult, 50 Spezialbohrmaschinen mit Absaugvorrichtung angeschafft, damit die Schuldiener kleine Reparaturen problemlos selbst erledigen können: Kosten pro Gerät: 1500 bis 2500 Euro.
Gutachter im Zweifel eingeschaltet
Im Zweifel tritt Hansjörg Kieper von der Münsteraner Gesellschaft für Schadstoffuntersuchung und Sanierungsbegleitung auf den Plan, der promovierte Routinier „hat der Stadt schon vor Jahren mit Rat zur Seite gestanden, als es darum ging, Fenstereinfassungen auszutauschen, die mit PCB-Dichtungen versehen waren.“ Polychlorierte Biphenyle sind gefährliche Umweltgifte, die unter anderem auch Krebs auslösen. Die Präventivmaßnahmen der Verwaltung könnten auch unliebsame Folgen haben. Denn sie sind, je nach Art, zeitaufwendig. Damit erhöht sich der Termindruck, „ein Verzug der Sanierungen könnte den Verlust von Fördergeldern mit sich bringen“, sagt Kalkstein.
Damit man mal eine Vorstellung bekommt, wie viel Asbest in früheren Jahren verbaut wurde, ein paar Zahlen: Allein 1975 listete das Umweltbundesamt in seinem Jahresbericht rund 164 000 Tonnen Roh-Asbest auf. Von 1950 bis 1985 waren es etwa 4,4 Millionen Tonnen – bis zum Verbot 1995 dürfte die Marke im deutlich zweistelligen Millionenbereich gelegen haben.
>> Asbest wurde einst als Wunderfaser gefeiert
Dass sich Asbest so großer Beliebtheit erfreute, lag an den Eigenschaften der einstigen Wunderfaser. In Kombination mit Zement ließen sich daraus vielfältige stabile Formen herstellen: unbrennbar, hitzebeständig, isolierend, chemisch stabil.
Die typischen Eigenschaften der Silikatmineralien sorgten für zahlreiche Anwendungsgebiete, vom Bremsbelag im Auto bis zur Abdichtung des Heizofens. Asbest wurde zu weit mehr als 3000 unterschiedlichen Produkten verarbeitet. Beispiele: Fußbodenbeläge, Deckschichten im Straßenbau, Schutzbekleidung, (Dach-)Pappen, Dämm- und Isolierplatten, Gartenmöbel, Nachtspeicherheizungen, Auskleidungen von Elektrogeräten (Toaster, Haartrockner, Bügeleisen).