Gelsenkirchen. . Auch die Stadt findet kaum noch Betriebe, die sich um öffentliche Aufträge bewerben. Was die Hintergründe des Investitionsstaus sind.
Die deutsche Wirtschafts brummt, die Steuereinnahmen sprudeln üppig und dennoch schlagen Städte reihenweise Alarm wegen eines Investitionsstaus – sie finden für öffentliche Aufträge keine oder kaum noch Handwerksbetriebe. Die Folge: Geplante Sanierungen oder Neubauten verzögern sich, der deutsche Städte- und Gemeindebund sprach da jüngst noch von einer Größenordnung von 126 Milliarden Euro.
Die Verwaltung und die zuständige Handwerkskammer Münster bestätigten die missliche Situation. Die Gründe dafür sind vielschichtig. Michael Hoffmann von der Handwerkskammer sieht etwa in einer anhaltend hohen „Auftragsreichweite von aktuell bis zu 86 Prozent“ einen Grund dafür, warum das Interesse an öffentlichen Aufträgen überschaubar klein ist. Im Klartext: Die Auftragsbücher sind so voll, dass die 9000 Handwerksbetriebe der Region erst „in einem Zeitraum von etwa acht Wochen wieder dazu in der Lage sind, neue Aufträge anzunehmen“.
„Vergaberecht ist komplizierter geworden“
Warum also an einer bürokratisch aufwendigen Ausschreibung teilnehmen, deren Zuschlag Wochen oder gar Monate braucht, wenn private Aufträge die Kasse schneller und meist auch reichhaltiger füllen?
Ähnlich schildert auch Christoph Schlüter, Teamleiter der zentralen Vergabestelle für den Baubereich der Stadt, die Lage. „Es mutet derzeit an wie Rosinenpicken“, sagt der 58-Jährige, zumal das Vergaberecht zunehmend komplizierter geworden sei. Allein die geforderte Beschreibung des betriebseigenen Leistungsspektrums schrecke wohl aufgrund der geforderten Detailfülle Firmen schon ab.
Angebote übersteigen häufig Stadt-Kostenschätzung
Verzögerungen gibt es ebenso durch andere Faktoren. Schlüter nennt einige davon: Die Angebote übersteigen häufig die städtische Kostenschätzung. Firmen, die sich vor Arbeit kaum retten könnten, setzen ihre Kalkulation womöglich höher an als jene, die partout zum Überleben einen Auftrag brauchen. Neben dem günstigsten Preis hängt der Zuschlag unter anderem auch von Qualifikation, Zuverlässigkeit und auch von der Zahl der Mitarbeiter ab. Ein kleiner Malerbetrieb schafft es beispielsweise nicht, innerhalb kurzer Zeit eine komplette Schule zu streichen – da nützt auch alles Geld aus EU- oder Bundes-Förderprogrammen in der Hinterhand nichts. Und apropos Mitarbeiter: Auch hier schlägt der Fachkräftemangel spürbar durch.
„Bislang“, so erzählt es Christoph Schlüter, sind noch alle Aufträge vergeben worden, Projekte teils aber teurer geworden oder letztendlich in die öffentliche Ausschreibung gewechselt, wenn sich (bei kleineren Aufträgen – siehe Info-Box) kein Unternehmen beworben hat. All das führt zu Verzögerungen und zum erwähnten Investitionsstau von Wochen oder gar Monaten. Denn die Angebotsfristen überschreiten oft 30 Tage und mehr.
Gestockt hat es zuletzt beim Busbahnhof am Bahnhof. Das ursprüngliche Los sah Stahl- (Dächer) und Landschaftsbau (Begrünung) vor, da meldete sich kein Bewerber. Erst als getrennt ausgeschrieben wurde – üblicherweise wird das getrennt voneinander gewerkeweise getan – konnte die Stadt den Auftrag vergeben.
>> Verschiedene Vergabemöglichkeiten
Es gibt Grenzwerte, wie welche Aufträge vergeben werden. Ein grober Überblick:
Freihändiges Verfahren: Wird angewendet bis zu einem Auftragsvolumen von 10 000 Euro. Drei Angebote von Firmen muss sich die Stadt dabei pflichtgemäß einholen.
Beschränkte Ausschreibung: Hier liegt die Grenze zwischen 100 000 und 300 000 Euro je nach Gewerkeart, acht bis zehn Angebote sind Auflage.
Öffentliche Ausschreibung: Muss bei einem Auftragsvolumen jenseits der 300 000 Euro-Marke angewendet werden.