Gelsenkirchen. . Sehr gutes biodeutsch-marokkanisches Kabarett wurde am Freitagabend in der Kaue serviert. Comedian kam in seiner Mission als „Staatsfreund Nr. 1“
Es ist ein Running Gag, auf den sich (fast) ganz Deutschland einigen kann: Bielefeld gibt es gar nicht. Den Gegenbeweis trat am Freitag in der mit 300 Gästen sehr gut besuchten Kaue Abdelkarim an. Der Comedian kommt aus Bielefeld. Ja, in dieser Stadt kann man sogar geboren werden. Kann man sich ja ohnehin nicht aussuchen.
Abdelkarim zeigt sich auch in seinem aktuellen Bühnenprogramm „Staatsfreund Nr.1“ als Vertreter dieser Comedygeneration, die aufgrund ihrer Herkunft ganz andere Themen hat als Jonas, Rating oder Pispers. Bei dem 36-jährigen Sohn marokkanischer Einwanderer geht’s um den ganz alltäglichen Rassismus, um diesen „Das-wird-man-ja-wohl-noch-sagen-dürfen“-Quatsch, um die Angst vor dem Islam, um Vorurteile gegenüber „Andersaussehenden“.
Die Gerüchte-Küche brodelt
Die überhaupt wohl auch der Gegenstand dieses Gerüchts über diese nicht existente Stadt in die Welt gesetzt haben. „Der damalige Oberbürgermeister Bielefelds hat das ganz bewusst gesagt. Damit die Rumänen nicht kommen.“ Ist natürlich ein Gag, der aber symptomatisch für Abdelkarims Humor ist. Wo draufgedroschen wird, drischt er mit, aber ganz leise, sacht und weich – und sehr intelligent.
„Sind auch Kanaken hier?“ fragt Abdelkarim zu Beginn eines sehr unterhaltsamen Abends ins Publikum. Ist mal wieder typisch. Wer als Kabarettist/Comedian die vermeintlichen Tugenden politischer Korrektheit pflegt, hat den falschen Job. Trotzdem fühlen sich einige angesprochen, aber wahrscheinlich checken sie den Checker und wollen nur mitspielen. Auf Abdelkarims Nachfrage stellt sich heraus: Die meisten sind Türken. Und es ist auch klar: Hat sich ein Begriff wie „Kanake“ erst einmal als Schimpfwort des bioweißen Deutschland etabliert, trägt der Angesprochene ihn mit Stolz als Orden – schon zum Trotz.
„Nach der Show gibt’s Kopftücher!“
Abdelkarim ist einer, der dazu beitragen könnte und zumindest mit seiner ganzen Kunst daran arbeitet, diesen bescheuerten und völlig überflüssigen gesellschaftlichen Riss zu kitten. Religionen und Kulturen können trennen, hatten wir schon und erleben wir jeden Tag aufs Neue. Humor kann verbinden. Auf diese Erfahrung dürfen wir gespannt sein. Immerhin sah man am Freitag in der Kaue viele Besucher mit offensichtlichem Migrationshintergrund (Kopftücher sind bei biodeutschen Frauen derzeit nicht so en vogue, aber auch das kann sich ja ändern).
Aber der Abend war ja ohnehin nur als Comedy getarnt. „Eigentlich will ich mit euch über den Islam sprechen“, sagt Abdelkarim an einer Stelle. „Nach der Show werden draußen Kopftücher verteilt.“ Mann, der Mann ist so gut, der könnte auch erzradikale Comedyskeptiker bekehren.
Und dann setzt er noch einen drauf. „Ich finde, man sollte an Silvester schwule Männer rund um den Kölner Hauptbahnhof postieren“, sagt er in Anspielung auf Silvester 2015 mit den zahlreichen Übergriffen. „Vor denen haben Marokkaner nämlich große Angst“. Könnte man sich ja mal überlegen. Eine Armlänge lang.
>> Nach dem Abitur ein Studium angefangen
Abdelkarim wurde am 6. Oktober 1981 in der Mitte von Nirgendwo (aka Bielefeld) geboren. Nach dem Abitur studierte er erst ein Jahr lang Germanistik und Islamwissenschaft, um danach auf Jura umzuschwenken. Er brach das Studium jedoch ab, um sich auf seine Comedy-Karriere zu konzentrieren.
Zuletzt erhielt er den Deutschen Fernsehpreis in der Kategorie „Information“ für seinen Politiker-Check „Endlich Klartext!“ auf RTL2. Bekannt geworden ist Abdelkarim vor allem mit seinen Auftritten in der ZDF „Heute Show“. Auch in der Sendung „Nuhr im Ersten“ ist er oft zu Gast.