Gelsenkirchen. . Der Schauspieler las in der „Flora“ aus Texten alter Arbeiterdichter, die über den harten Alltag vor Kohle erzählen.

Das Publikum kennt und liebt ihn als Tatort-Kommissar, als tragikomischen Alltagshelden oder auch als trotteligen, aber nie lächerlichen Verlierer. Schauspieler Martin Brambach verkörpert in unzähligen Fernseh- und Kino-Rollen Menschen mitten aus dem Leben, gibt unauffälligen Typen ein markantes Gesicht. Am Freitagabend verlieh der 50-Jährige im ausverkauften Kulturraum „Die Flora“ den Bergleuten aus dem Ruhrgebiet eine beeindruckend eindrückliche, nachdenkliche Stimme.

Werke sind in den letzten 100 Jahren entstanden

Brambach, einer der derzeit bedeutendsten deutschen Schauspieler und der Mann von nebenan (er ist seit einigen Jahren in Recklinghausen zu Hause), las unter dem Titel „Wir fürchten nicht die Tiefe“ aus Texten bekannter Arbeiterdichter, entstanden in den letzten 100 Jahren. Und stimmte mit seiner literarischen Auswahl weniger in den allgemeinen Klagegesang über das endgültige Ende des Kohlebergbaus im Revier ein, sondern ließ Autoren zu Wort kommen, die über den harten Alltag unter Tage, über Arbeitsunfälle, Hitze, Lärm, Staub, Krankheit und Todesangst erzählen.

Künstler richtet Fokus allein auf die Texte

Sich selbst nahm der Künstler dabei komplett zurück, trat unprätentiös in Hemd und Pulli auf, richtete den Fokus allein auf die Texte, die er mit knappen erklärenden Worten sinnstiftend verband. Auch wenn die Hände mitreden, Martin Brambach arbeitet perfekt mit Stimm- und Tonlage, liest mal laut, mal leiser, moduliert Stimmung und Atmosphäre, kitzelt Nuancen aus den Worten heraus, gibt den Bergleuten mit leichtem Berliner Einschlag eine klare Stimme.

Schauspieler erinnert an dichtende Malocher

Flora-Chefin Wiltrud Apfeld als Gastgeberin stellte den Mann hinter den Texten kurz vor. Dann schlüpfte Brambach in die unterschiedlichen Figuren und Geschichten. Erinnerte an den dichtenden Malocher Kurt Küther (1929-2012): „Der schrieb kritisch und bissig, denn die oftmals anzutreffende Romantisierung der Bergbauwelt vernebelte oft die eigentliche Sachlage.“ Ähnlich habe Herbert Berger (1919-1992) über den Arbeitsalltag geschrieben: „Er zeigte Missstände auf. Nicht nach dem Motto ,Woanders is auch scheiße‘, das wäre zu einfach gewesen.“ Berger, der Bergmann, habe gezeigt: „Hier konkret is grad scheiße!“

„Ihr singt zum Bergmannsleben...“

Auch Heinrich Kämpchen (1847-1912), einer der stilprägenden Bergbauliteraten, habe sich gegen die Verschlechterung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Kumpels gewehrt. Brambach zitiert ihn mit dem Gedicht „Bergmannslos“, einem veritablen Angriff auf nostalgische Zechen-Folklore: „Ihr singt zum Bergmannsleben/ Und seiner Poesie -/ Hier ist die nackte Prosa,/ die wahre Melodie.“

Zum Schluss schrieb Brambach fleißig Autogramme

Viele weitere Autoren ließ der Schauspieler zu Wort kommen, darunter Max von der Grün. Die Lesung geriet zu einem besonderen Teil des langen Abschieds von der Kohle, die unter der optimistischen Überschrift „Glückauf Zukunft!“ steht. Am Ende das berührende Gedicht „Kameraden, gute Nacht!“

Zum Schluss gab auch persönliche Begegnungen zwischen Fans und dem Künstler Martin Brambach: Er schrieb fleißig Autogramme.