Gelsenkirchen. . Kupfer & Seidl betreiben den Flohmarkt an der Veltins-Arena seit zwei Jahrzehnten. Für sie kommt der „soziale Aspekt“ in der Debatte zu kurz.
In die Diskussion um den Flohmarkt an der Veltins-Arena schaltet sich nun auch der Betreiber ein, die Kupfer & Seidl Veranstaltungen GbR. „Der soziale Aspekt kommt in dieser Debatte viel zu kurz“, beklagt Jochen Kupfer. „Wir haben in dieser Stadt ein Potenzial an armen Menschen. Die haben außerhalb dieser Märkte kaum die Möglichkeit, irgendwo einzukaufen.“ Das Preissegment sei eben auch ein ganz anderes als etwa in der Innenstadt. „Ja, das Angebot überschneidet sich“, so Kupfer, „hat aber eine ganz andere Qualität.“
Kleidung aus Restposten
Die Debatte um den Trödelmarkt, die seit über zwei Jahrzehnten immer mal wieder hochkocht, hatte zuletzt deutlich an Fahrt gewonnen. Im Mittelpunkt steht zurzeit die Frage, warum die Verwaltung es in über 22 Jahren nicht geschafft hat, eine Sortimentsbeschränkung durchzusetzen. Einen entsprechenden Forderungskatalog hatte sie selbst 1995 erstellt und dem Rat vorgelegt. In den aktuellen Verträgen, die teilweise erst wenige Jahre alt sind, ist davon keine Rede.
Markus Seidl wäre es sicher am liebsten, wenn davon auch in Zukunft keine Rede ist: „Eine Beeinträchtigung oder gar Schließung von Trödelmärkten würde dem Einzelhandel nichts an Umsatzzuwachs bringen.“ Er verweist auf ein jetzt schon eingeschränktes Lebensmittelangebot, spricht unter anderem von nur einem Obst-, einem Fleisch-, einem Brot- und einem Süßwaren-Stand. „Auch das Bekleidungsangebot unterscheidet sich. Es wird hier viel Second-Hand-Ware angeboten.“ Zum Teil stamme die Kleidung aus Restposten oder Insolvenzen. Die Ware sei, ergänzt Kupfer, oft minderwertig und deshalb günstig, damit aber für ein bestimmtes Klientel attraktiv.
200 Händler aus Gelsenkirchen
500 bis 600 Aussteller würden bei gutem Wetter ihre Waren auf dem Markt anbieten, so Seidl. 300 seien quasi immer da. „Etwa 200 davon stammen aus Gelsenkirchen. Für die sind die Trödelmärkte von existenzieller Bedeutung.“ Dies gelte nicht nur für die Händler, sondern auch für die daran hängenden Arbeitsplätze.
Jochen Kupfer: „Ich weiß nicht, ob die Politiker wirklich wissen, was sie da lostreten.“ Für ihn geht die Diskussion „am normalen Leben vorbei“. Das sei „ein Schlagabtausch zwischen politischen Parteien“. Und Markus Seidl sagt: „Es wäre fatal, einen geschwächten Einzelhandel in der Weise stärken zu wollen, indem man ein funktionierendes System zerschlägt.“
Der Arena-Markt – kein öffentliches Polit-Thema
Das Thema wurde am Donnerstag auch im Wirtschaftsausschuss behandelt. Die SPD setzte aber durch, dass es bei einer internen Diskussion blieb...
„Die Lockerung der Verkaufsflächenbeschränkung im Gelsenkirchener Lebensmitteleinzelhandel“ fordert die CDU. Die Chance, größere Märkte zu realisieren und den Wünschen der Branche entgegen zu kommen, bedeuten für sie mehr Attraktivität und zeitgemäßere Warenpräsentation, vor allem aber die Stärkung in der Konkurrenz zu anderen Kommunen. Das von ihnen gesetzte Thema ließen die Christdemokraten Donnerstag in der Sitzung des Ausschusses für Wirtschaftsförderung von der Tagesordnung nehmen. Es wird später behandelt. Dabei hätte es als Vorspiel für ein weiteres strittiges Thema dienen können: die Diskussion über den Flohmarkt an der Arena stand ebenfalls auf der Tagesordnung. Allerdings erst im nichtöffentlichen Teil.
Flohmarkt-Kritiker Ali-Riza Akyol warb dafür, das Thema – mit Ausnahme von Vertragsdetails – öffentlich zu behandeln. Unterstützung fand er dafür bei CDU, Grünen und Linken. Werner Wöll (CDU) plädierte, die „öffentlichen Aspekte“ rein „fachlich orientiert und nach vorne gerichtet“ zu erörtern. Die SPD sah angesichts der jüngsten hitzigen Debatten keine Chance, dass eine Trödelmarkt-Diskussion öffentlich ohne Interna geführt werden könne. Ratsherr Klaus Haertel: „Um in der Sache weiterzukommen, ist eine nichtöffentliche Diskussion sinnvoller.“ Mit SPD-Mehrheit blieb es so bei der alten Tagesordnung.
Pro & Contra: Ist der Trödelmarkt eine Konkurrenz zur City?
PRO – von Elisabeth Höving
Das Publikum auf dem Trödelmarkt ist natürlich auch als Käuferschicht in der City unterwegs. Um die Dinge zu bekommen, die es auf dem Ramsch-Markt nicht zum Mega-Billigpreis gibt! Aber auch nur die! Gäbe es den Markt mit seinem Lebensmittel-Angebot nicht, müssten auch diese Menschen ihre Waren im Laden kaufen. Und damit ist der Flohmarkt durchaus eine Konkurrenz zum klassischen Einzelhandel, der seine Angebote unter sehr strengen Bedingungen verkaufen muss.
Klar, es gibt Gelsenkirchener, denen dieser Trödelmarkt herzlich egal ist. Aus gutem Grunde: Es gibt kaum Trödel! Nicht Omas alte Sammeltasse, nicht die erste Single von Heintje oder den fehlenden Deckel der Teekanne. Dafür ungewöhnlich billige Neuwaren. Dieser Trödelmarkt ist schlicht ein Etikettenschwindel!
Weil das viele wissen, wollen sie profitieren von den Schnäppchen. Und lassen ihr Geld nicht im Laden, wo Hygiene und Lebensmittelrecht eingehalten werden müssen und Falschparker vorm Laden Knöllchen kassieren. Konkurrenz belebt das Geschäft, aber was Recht ist, muss auch Recht bleiben. Und zwar überall!
CONTRA – von Steffen Gaux
Das Publikum auf dem Trödelmarkt ist ein ganz anderes als in der Innenstadt. Und das geben selbst die Flohmarkt-Kritiker an anderer Stelle zu – indem sie aufgrund des hohen Migrantenanteils der Besucher von einer „Parallelwelt“ sprechen.
Jetzt könnte man sagen: Da wird doch aber Ähnliches angeboten – Duschgel, Shampoo, Batterien, Obst und Gemüse. Ja, aber das Klientel ist doch ein völlig anderes. Glaubt eigentlich irgendjemand, dass die Tausenden Flohmarkt-Besucher die Bahnhof- oder Hochstraße aufsuchen würden, sollte der Markt das alles nicht mehr anbieten dürfen? Und glaubt jemand, der Kunde aus der City würde zum Trödelmarkt rennen, wenn ich ihm sage, dass es die Seife dort 20 Cent günstiger gibt? Niemals! Weil sich für ihn auch die Qualitätsfrage stellt. Konkurrenz ist letztlich auch eine Frage der Zielgruppe. Dacia und Porsche verkaufen auch beide Autos. Aber stehen sie in Konkurrenz zueinander? Nein.
Vielleicht ist auf dem Markt nicht alles toll. Aber eine Sortimentsbeschränkung hätte keine nennenswerten Auswirkungen auf die Innenstadt.