Gelsenkirchen-Altstadt.. Hildegard Schneiders berichtet über Lebensgeschichten Verstorbener. Der Heimatbund gab ein Heft über den katholischen Altstadtfriedhof heraus.

Steinerne Zeugen erinnern an politische Größen, berühmte Baumeister, erfolgreiche Unternehmer, bekannte Musiker und sogar an einen Schalker Meisterspieler. Wer sich beim Rundgang über den katholischen Altstadtfriedhof an der Kirchstraße auf Spurensuche begibt, kann auf mehr als ein Jahrhundert Gelsenkirchener Stadtgeschichte zurückblicken.

Jesus als Herr, der die Kinder zu sich kommen lässt, zeigt die Figurengruppe auf dem Grab des Pferdehändlers Wilhelm Bischoff. Eine Tochter Bischoffs war mit fünf Jahren gestorben.
Jesus als Herr, der die Kinder zu sich kommen lässt, zeigt die Figurengruppe auf dem Grab des Pferdehändlers Wilhelm Bischoff. Eine Tochter Bischoffs war mit fünf Jahren gestorben. © H. Schneiders | Unbekannt

Hildegard Schneiders, frühere Lehrerin am Ricarda, ist fasziniert von der Geschichte und den Geschichten, die viele Bürger der Stadt geschrieben haben. Da liegt es auf der Hand, zunächst dort zu recherchieren, wo die ihre Ruhe gefunden haben, die einst das Leben in der Stadt mit geprägt haben. Über den Heimatbund hat die 66-Jährige ihre Ergebnisse im Heft 14 „Der katholische Altstadtfriedhof“ dokumentiert.

Lücken in der Biografie

Die siebenstellige Gruft gehörte einst Heinrich Johannes Strunk (1800-1879). Er war Großgrundbesitzer in Gelsenkirchen, besaß den größten Hof im Zentrum.
Die siebenstellige Gruft gehörte einst Heinrich Johannes Strunk (1800-1879). Er war Großgrundbesitzer in Gelsenkirchen, besaß den größten Hof im Zentrum. © H. Schneiders | Unbekannt

Ihr geschichtliches Interesse und die Verbindung zum Friedhof waren für die Pädagogin Wegweiser bei ihren Nachforschungen, was sich hinter den Namen verbirgt. „Der Friedhof war mir vertraut, schon als Jugendliche war ich häufig dort, erinnert sie sich.“ Jahrelang recherchierte sie, um Fakten zu sammeln, die den Namen auf den Gräbern eine weitere Geschichte geben könnten. „Bei meinen Befragungen“, so Schneiders, „bin ich nicht immer auf offene Ohren gestoßen.“

Doch die meisten Angehörigen der Verstorbenen zeigten sich auskunftsfreudig und konnten viele Lücken in der Biografie schließen. In alten Adressbüchern, Gelsenkirchener Blättern und auch bei Werbeanzeigen entdeckte die engagierte Ahnenforscherin so manche Namen, die das Puzzle über die Stadtlegenden ergänzen konnten. Doch nicht nur über die Bedeutung der Verstorbenen im städtischen Leben erfuhr Hildegard Schneiders wissenswerte Details. Sie weiß jetzt auch, dass noch 15 Kellergräber auf dem Friedhof existieren, deren geheime Zugänge sich bis zu sieben Meter tief unter der Grabstelle befinden.

Symbole verraten das Tagwerk zu Lebzeiten

Im Heft weiß die Autorin zu vielen Gräbern interessante Lebensgeschichten der Verstorben zu erzählen.

Hermann Knipper war Organist der Propsteigemeinde. Auf dem Stein sind Orgelpfeifen verewigt. Das Grabmal erinnert an ein Orgel-Prospekt.
Hermann Knipper war Organist der Propsteigemeinde. Auf dem Stein sind Orgelpfeifen verewigt. Das Grabmal erinnert an ein Orgel-Prospekt. © H. Schneiders | Unbekannt

Auffallend ist die aufwändig gestaltete siebenstellige mit neugotischen Bögen versehene Gruft der Bauernfamilie Strunk. Der Patron Johann Heinrich hatte bis zu seinem Tod 1879 erheblichen Grundbesitz erworben. Symbolische Schriftzeichen verraten auf manchen Gräbern, was der Verstorbenen zu Lebzeiten gemacht hat. So ist der Stein von Hermann Knipper, einst Organist in der Propsteigemeinde, wie ein Orgelprospekt aufgebaut.

Beim Kompositionskollegen Franz Röttger ist die Freude an der Musik mit einem Violinschlüssel, bei Hans Georg Boßhammer mit gregorianischen Noten auf dem Grabstein festgehalten. Auf einem Stein ist unschwer zu erkennen, dass hier ein Karusselbetreiber für immer Ruhe gefunden hat. Als reichster Unternehmer Gelsenkirchens galt Wilhelm Bischoff im 19. Jahrhundert. Der Mann, der im Volksmund nur „Pferdebischoff“ genannt wurde, mehrte sein Vermögen durch Postillonbetrieb, Grubenpferdeverleih und Kutschentransporte.

Prunkgebäude nannte man „bischöfliches Palais“

Es dreht sich ewig alles im Kreis: Der Grabstein der Familie Ruppert macht deutlich, dass die Familie ein Karussell betrieben hat.
Es dreht sich ewig alles im Kreis: Der Grabstein der Familie Ruppert macht deutlich, dass die Familie ein Karussell betrieben hat. © H. Schneiders | Unbekannt

„Sein Haus“, fand sie bei ihren Recherchen heraus, „nannten die Leute damals bischöfliches Palais.“ Auch Pfarrer und Pröpste der Gemeinde, die ersten Bürger der Stadt, Friedrich Wilhelm Vattmann und Hubert Scharley oder der erste MiR-Intendant Hans Hinrich ruhen auf dem Friedhof an der Kirchstraße. Und mit Ötte Tibulsky erinnert eine Schalker Legende mit sechs Meistertiteln wehmütig an erfolgreiche Kreiselzeiten.

>>Lange Lehrerin am Ricarda-Huch-Gymnasium

  • Das Heft 14 „Der katholische Altstadtfriedhof“ ist vom Heimatbund Gelsenkirchen herausgegeben worden. Die Autorin Hildegard Schneiders hat bis 2015 Deutsch, Geschichte und Latein am Ricarda-Huch-Gymnasium unterrichtet.
  • In dem Heft hat sie übersichtlich einen Wegeplan erstellt und viele Grabstellen mit Namen und Nummern versehen. Der Band ist im Gelsenkirchener Buchhandel erhältlich. Preis 5 Euro. Info über www.heimatbund-gelsenkirchen.de