Der hochbetagte Georg Kreisler las im Consol-Theater aus seiner Biographie - gesungen hat er aber lieber nicht

Lesung im Consol Theater in Gelsenkirchen am 19.11.2009 mit Georg Kreisler der aus seiner Autobiografie Letzte Lieder vorliest. Foto: Caroline Seidel / WAZ FotoPool
Lesung im Consol Theater in Gelsenkirchen am 19.11.2009 mit Georg Kreisler der aus seiner Autobiografie Letzte Lieder vorliest. Foto: Caroline Seidel / WAZ FotoPool

Nein, gesungen hat er diesmal nicht. Seine Lieder und Chansons singt Georg Kreisler nämlich schon seit Jahren nicht mehr: „Ich verstehe nicht, wie man ein Lied über das Tauben vergiften im Kopf behalten und mich auch noch nach 50 Jahren damit identifizieren kann”, sagt der mittlerweile 87-jährige Autor und Komponist. Lieber stellte er im Consol Theater auf Einladung des Literaturbüros Ruhr sein aktuelles Buch „Letzte Lieder” vor.

Dabei handelt es sich nur vordergründig um eine Autobiographie, auch wenn Lebensstationen wie die Kindheit in Wien, das Exil in Amerika während der Nazi-Herrschaftdie Rückkehr nach Europa behandelt werden. Eine ewige Rastlosigkeit, das Gefühl, nirgends wirklich willkommen zu sein, zieht sich durch Kreislers Biographie: „Manche Menschen flüchten ihr Leben lang, anderen muss man beweisen, dass sie auf der Flucht sind.”

Im Kern ist „Letzte Lieder” ein flammendes Plädoyer für Georg Kreislers Kunstphilosophie: „Ich empfehle die Wirklichkeit der Kunst - es gibt keine andere.” Aus all den Geschichten über materielle Zwänge, Erfolge und Anfeindungen kristallisiert sich das Bild eines Künstlers heraus, der sich zu einem gewissen Grad unverstanden bzw. auf einige wenige Facetten seines Schaffens reduziert fühlt.

Über die gegenwärtige Situation von schöpferischen Künstlern meint Kreisler: „Ich glaube, wir leben in einer Kunstpause. Wir warten auf die nächsten Neuerer, und solange wird viel hilflos herumexperimentiert.” Während aus der amerikanischen Kunst die Unterhaltung nicht wegzudenken sei, sei es in Europa eher umgekehrt: „Vor lauter Kunst vergisst man zu lachen.”

Seinen berühmten, scharfzüngigen, bisweilen bitterbösen Humor hat Kreisler derweil nicht verloren. Er blitzt immer wieder in seinen Abrechnungen mit der Naziherrschaft („Antisemitismus ist überall, es kommt nur darauf an, wo ein Hitler sprießt”), der McCarthy-Ära („die Kommunisten sind jetzt die Juden, sagen die Juden, sofern sie nicht selbst Kommunisten sind”) oder seiner Heimatstadt Wien („Wiener zu sein ist kein Vergnügen, das ist Schwerarbeit”) auf. Ein mögliches Fazit aus all diesen Betrachtungen und Erinnerungen nahm Georg Kreisler bei seiner Lesung gleich zu Beginn vorweg: „Gott hat Humor”.

Den Text des Gelsenkirchen-Liedes gibt's im Netz unter http://www.gelsenkirchener-geschichten.de/viewtopic.php?t=210.