Gelsenkirchen. . Christian Wulff hielt eine packende Rede beim Neujahrsempfang. Seine großen Themen: Terrorismus, Globalisierung und Digitalisierung
Prominenter Besuch am Mittwochabend beim Neujahrsempfang der CDU: Alt-Bundespräsident Christian Wulff war als Gastredner geladen, schilderte seine Sicht der Dinge auf Deutschland und die Probleme. „Die Bürger sind zutiefst verunsichert. Ich habe dafür Verständnis.“ Drei Themen sprach der 58-Jährige an: Terrorismus, Globalisierung und Digitalisierung.
Mehr als 300 Gäste waren der Einladung der CDU ins Augustinushaus gefolgt. Und sie alle lauschten Wulffs Rede – von Anfang an gebannt, aber doch irgendwie von Minute zu Minute gebannter. Der Niedersachse hatte viel zu erzählen und er verstand es, dies äußerst packend zu tun.
Wenn Wulff von Terror sprach, sprach er auch von Demokratie. Er nannte sie „die beste Staatsform“. Zugleich sei sie aber auch „die schwächste Staatsform, wenn sie angegriffen wird“, da sie alle rechtsstaatlichen Prinzipien eben auch dem Angreifer gewähre. Wulff zitierte einen Vergleich, in dem der Terror eine Fliege, die Demokratie ein Porzellanladen ist. Die Fliege sei so schwach, dass sie nicht einmal eine Tasse ins Wanken bringen könnte. „Doch sie sucht sich einen Stier, setzt sich in sein Ohr und beginnt laut zu summen, bis der Stier durchdreht und den Porzellanladen verwüstet.“
Das ehemalige Staatsoberhaupt ging weiter zum Thema Globalisierung. Seine Erkenntnis: „Sie ist nicht automatisch für alle gut.“ Besonders Arme hätten viel zu oft darunter zu leiden. Wulff forderte in diesem Zusammenhang mehr soziale Gerechtigkeit.
Wulff gab ein Bekenntnis ab
Drittes Thema: Digitalisierung. Der Mensch mache derzeit mehr Fortschritte, als je zuvor. „Die Digitalisierung wird die Menschheit mehr verändern, als der Buchdruck es getan hat.“ Das sei gut – aber es gebe eben auch Schattenseiten. Er schlug den Bogen über Soziale Netzwerke, Hasskommentare, den Brexit, Donald Trump hin zu Fake News. „Wir sollten uns immer häufiger fragen: Stimmt das, was ich da lese?“ Der Mann, der an anderer Stelle lächelnd zugab, nicht der Richtige für Lobeshymnen auf Journalisten zu sein, hielt einen flammenden Appell für einen unabhängigen und kostenpflichtigen Journalismus.
Zum Ende seiner Rede gab Wulff ein Bekenntnis ab: „Deutschlands Stärke lag stets in seiner Vielfalt.“ Er begründete dies vor allem mit dem Aufstieg des Ruhrgebiets, aber auch mit der deutschen Fußball-Nationalmannschaft. „Ich ziehe lieber mit Özil und Boateng ins Finale ein, als ohne sie in der Vorrunde auszuscheiden.“
Trotz aller Probleme zitierte Wulff das Sprichwort von der Angst als schlechtem Ratgeber. „Das Einzige, vor dem wir Angst haben müssen, ist Angst.“ Man dürfe nicht den Mut verlieren, Dinge anzupacken – mit einem Ja zur internationalen Zusammenarbeit. „Für mich ist die Europäische Union der einzige Frühling auf unserem Kontinent in seiner 2000-jährigen Geschichte.“
Eröffnungsrede von Wolfgang Heinberg
Die Eröffnungsrede hielt traditionell der Fraktionsvorsitzende. Anders als bei der SPD vor elf Tagen spielte die Bundespolitik hier kaum eine Rolle. Wolfgang Heinberg stellte die Situation Gelsenkirchens in den Mittelpunkt: „Mit Blick auf die Lage der Stadt: Ist das sprichwörtliche Glas Wasser halb voll oder halb leer?“ Er kenne Verfechter beider Positionen: „Die einen haben rosarote Brillen auf und die anderen sind die ewigen Nörgler.“ Er wolle weder schönreden noch nörgeln. „Wir sagen: Da ist noch Luft nach oben. Da sind 50 Prozent mehr drin.“
Die CDU wolle eine Stadt, in der Menschen gut und gerne leben. „Gelsenkirchen geht besser“, sagte Heinberg mehrfach in seiner Rede, auch wenn er nicht umhin kam, hier und da auch zu loben: „Selbstverständlich haben wir uns darüber gefreut, dass Gelsenkirchen jetzt digitale Modellstadt in NRW ist. Super!“ Auch seine Partei sei „auf das Erreichte stolz – ohne Wenn und Aber“. Wobei: Ganz ohne Aber ging es nicht. Heinbergs Kritikpunkte: eine rote Laterne beim Übergang Schule und Beruf, aus den Nähten platzende Grundschulen und ein wachsendes Unsicherheitsgefühl bei den Menschen. „Wir werden arbeiten, streiten und bis zur Kommunalwahl 2020 Opposition sein.“
Heinbergs Ausblick auf das neue Jahr: Die Sperrung der Uferstraße, Wirtschaftsförderung, Bäderkonzept, Kommunaler Ordnungsdienst, Langzeitarbeitslosigkeit, Schrottimmobilien, Bürgerbeteiligung und eine bessere Vereinbarung von Familie und Beruf seien Beispiele für Themen, „die die Kommunalpolitik 2018 herausfordern werden und bei denen wir zum Teil sehr deutlich andere Akzente setzen als Verwaltung und Mehrheitsfraktion“.