Gelsenkirchen-Ückendorf. . 38 sehr individuelle Fotoserien aus dem Revier erzählen ab sofort im Wissenschaftspark Gelsenkirchen Geschichten – und das ganz ohne Worte.

Sie kamen, weil man sie bat, hier zu arbeiten. Oder weil das Leben in ihrer Heimat für sie unerträglich geworden war: Die Fotoausstellung „Neue Heimat Ruhr“ gibt Gastarbeitern, Flüchtlingen und Zuwanderern ein Gesicht. 38 sehr individuelle Fotoserien erzählen dabei Geschichten – und das ganz ohne Worte. Eröffnet wird die Bilderschau im Wissenschaftspark an der Munscheidstraße 14 am Montag, 22. Januar, um 18.30 Uhr.

Bilder sollen Austausch fördern

„Wir möchten mit dieser Ausstellung zeigen, dass Zuwanderung kein neues Thema ist, vor allem für das Ruhrgebiet, denn diese Region ist ja aus Migration entstanden. Und gerade die Vielfalt macht diese Region ja so besonders“, erzählt Peter Liedtke, Initiator und Organisator des „Pixelprojekt Ruhrgebiet“, aus dessen Bilderfundus viele der hier ausgestellten Arbeiten stammen.

„Wir möchten den aktuellen politischen Entwicklungen mit dieser Bildersammlung etwas entgegensetzen“, sagt Peter Liedtke vom „Pixelprojekt Ruhrgebiet“.
„Wir möchten den aktuellen politischen Entwicklungen mit dieser Bildersammlung etwas entgegensetzen“, sagt Peter Liedtke vom „Pixelprojekt Ruhrgebiet“. © Olaf Ziegler

„Das Projekt Neue Heimat Ruhr gibt es seit 2016, weil wir den politischen Entwicklungen etwas entgegen setzen möchten“, betont Liedtke. „Viele unserer Künstler haben sich intellektuell mit Zuwanderung auseinandergesetzt. Ihre Arbeiten haben wir auf der Internet-Plattform Neue Heimat Ruhr zusammengefasst. Mit dieser Plattform wollen wir auch den Ideenaustausch fördern, deshalb gibt es auf neueheimat.ruhr/react zudem für Jedermann die Möglichkeit, eigene Bilder mit eigenen Geschichten hochzuladen“, erklärt Peter Liedtke. Dank der finanziellen Unterstützung des Kulturministerium NRW, der Sparkasse Gelsenkirchen, des Kulturamtes der Stadt Gelsenkirchen sowie des Fördervereins „Pixelprojekt Ruhrgebiet“ sei nun sogar diese Ausstellung mit 130 Bildern im Wissenschaftspark ermöglicht worden – eine Art Zeitreise in Bildern, die tief eintaucht in die Lebenswirklichkeit der Menschen vor Ort.

„Fluchtbewegungen verlaufen in Wellen“

„Zuwanderung und Fluchtbewegungen verliefen ja immer schon in Wellen“, erinnert Peter Liedtke – und verweist auf Bilder, die die Einwanderung nach dem Asylrecht seit den 1980er Jahren und der Kontingentflüchtlinge spiegeln, wie etwa die Serien von Stefan Kalscheid, Michael Kerstgens, Gerno Michalke und Andre Zelck.

Aus Zeiten der Spätaussiedlung in den 90er Jahren datiert eine Serie von Klaus Rose. Der jüngsten Einwanderungswelle aus Syrien und Afghanistan widmen sich dagegen Arbeiten von Rainer Bigge, Evi Blink, Alexandra Breitenstein, Brigitte Kraemer, Cornelia Suhan, und Jutta Schmidt.

Jakob Studnars Fotografien aus dem Friedensdorf Oberhausen zeigen, warum Menschen wie der kleine Esmatulla aus Afghanistan Zuflucht in Deutschland suchen.
Jakob Studnars Fotografien aus dem Friedensdorf Oberhausen zeigen, warum Menschen wie der kleine Esmatulla aus Afghanistan Zuflucht in Deutschland suchen. © Jakob Studnar

Jakob Studnar lenkt das Augenmerk auf die Kinder, die schwer verletzt aus Krisengebieten flüchteten und im Friedensdorf Oberhausen Hilfe und neue Hoffnung fanden. „Bilder wie diese zeigen, dass die Menschen flüchten, weil es für sie gar keine Alternative gibt“, betont Liedtke. Auch die Zuwanderung aus den neuen EU-Mitgliedsstaaten ist Thema – unter anderem bei Matthias Bozellec, Achim Pohl, Heiner Schmitz, Jasmine Shah und Cornelia Wimmer: Wer ihre Bilder anschaut, mag kaum glauben, dass sie schon vor rund 20 Jahren entstanden, so aktuell wirken sie.

Gastarbeiter gestern und heute

Noch älter sind die Arbeiten von Hans Rudolf Uthoff, der einst Gastarbeiter mit seiner Kamera von Istanbul bis nach Bochum begleitete. Seine Arbeit setzt die junge Fotografie-Studentin Emine Ercihan mit ihrer Serie fort: Sie hat die Gastarbeiter, unter anderem aus der Türkei, Griechenland, Spanien und Italien, heute besucht und sie in ihren Wohnzimmern fotografiert. In diesen Bildern wird die Zerissenheit deutlich, etwa wenn die Deutschlandfahne über dem Tisch auf Bilder aus der Heimat trifft, die die Wände schmücken. „Es gibt viele Fragen, zu denen ich mit meinen Bildern eine Antwort suche“, sagt Ermine Ercihan lächelnd. Ihre Suche geht weiter. Die „Neue Heimat Ruhr“ hat so viele Facetten. . .

>>Info: Bei der Podiumsdiskussion am Montag, 22. Januar, ab 18.30 Uhr im Wissenschaftspark Gelsenkirchen an der Munscheidstraße 14 geht es um die Frage, ob gesellschaftliche Veränderungen durch Fotografie möglich sind.

Es diskutieren Gisela Kayser, Künstlerische Leiterin des Freundeskreises Willy-Brandt-Haus, Bildredakteurin Miriam Zlobinski, Landtags-Vizepräsident Oliver Keymis und der Dortmunder Fotografie-Professor Dirk Gebhardt mit dem Fotografen Peter Liedtke. Moderiert wird der Abend von Hella Sinnhuber.