Gelsenkirchen. . Zustimmung von SPD und Ex-Pirat Hansen – zwei Enthaltungen, Rest votierte dagegen. OB Baranowski lobte ersten ausgeglichenen Etat seit 24 Jahren.

Am Ende kam es wie erwartet: Die SPD stimmte für, CDU und Grüne gegen den Haushalt 2018. Zuvor legten zahlreiche Redner noch einmal ihre Sicht der Dinge dar.

Für die SPD trat Axel Barton ans Pult. Er argumentierte vor allem mit der Verantwortung für eine solide Finanzplanung. Diese sprach er CDU und Grünen ab und rechnete vor, dass deren Wünsche 10 bis 17 Millionen Euro gekostet hätten: „Das passt hinten und vorne nicht.“

CDU und Grünen stimmen gegen den Haushalt

Sascha Kurth (CDU) argumentierte dagegen. Aus seiner Sicht „gibt dieser Haushalt nicht die nötigen Antworten“ auf die Probleme der Stadt. Er kaprizierte sich auf drei Punkte: deutliche Aufstockung des Kommunalen Ordnungsdienstes (KOD), bessere Lösungen für den Verkehrssektor und Nein zur Erhöhung von Grund- und Gewerbesteuer. Da die CDU nichts erreichen konnte, gab es von Kurth das Fazit: „Folglich gibt es hier keinen gemeinsamen Weg.“

Diesen verweigerten der SPD auch die Grünen. „Ohne eine grüne Handschrift wird es keine grüne Zustimmung geben“, so Fraktionschef Peter Tertocha. Er begründete dies vor allem mit der ablehnenden Haltung der SPD zum Ausbau der Radwege und zu den Kultur-Vorschlägen (Einführung Kunstpreis, finanzielle Unterstützung für das „Wohnzimmer GE“).

„Gelsenkirchen – arm aber sexy“

Die dreiköpfige Linksfraktion stimmte nicht einheitlich ab: Es gab zwei Enthaltungen und eine Nein-Stimme. Gegen den Haushalt votierten auch Monika Gärtner-Engel (AUF), die WIN-Ratsfraktion, die AfD und Pro Deutschland. Einziger Unterstützer von Verwaltung und SPD: Ex-Pirat Jürgen Hansen, der eine „Gelsenkirchen – arm aber sexy“-Fußmatte vor dem Rednerpult aufstellte und die Haltung der SPD energischer verteidigte, als Axel Barton das tat.

Oberbürgermeister Frank Baranowski begrüßte die Verabschiedung: „Es ist uns gelungen, unserem Gestaltungsanspruch für die Stadt nachzukommen und mit Hilfe des Stärkungspaktes des Landes sowie durch die jahrzehntelangen Anstrengungen zum ersten Mal seit 24 Jahren einen ausgeglichenen Haushalt zu verabschieden. Das ist uns gelungen, ohne stadtprägende Strukturen zu zerschlagen, ohne Einrichtungen zu schließen und ohne Privatisierung öffentlicher Angebote.“


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Axel Barton (SPD)

Axel Barton
Axel Barton © Martin Möller

„Haushalt ist – wie bei jedem von uns zu Hause – die Aufgabe, Notwendiges und Wünschenswertes mit den vorhandenen Mitteln in Übereinstimmung zu bringen“, sagte Axel Barton für die SPD-Fraktion. „Dann muss ich abwägen, was ich mir leisten kann oder vielleicht sogar leisten muss.“ Dazu gehöre, klar zu erkennen, „was ich mir nicht leisten kann“. Sich diesem Prozess zu stellen, habe auch etwas mit Verantwortungsbewusstsein zu tun.

„Im politischen Alltag kommt den Parteien dieses Verantwortungsbewusstsein zu. In den diesjährigen Haushaltsberatungen muss ich leider wiederholt konstatieren, dass die Damen und Herren der CDU sowie der Vertreter der Grünen ihrer politischen Verantwortung für einen tragfähigen Haushalt nicht gerecht geworden sind.“ Sich dieser Verantwortung bewusst zu sein und danach zu handeln, sei die Kernfrage jeder Haushaltsdiskussion. Wenn zwei von drei Verhandlungspartnern nicht bereit seien, die Realität zu akzeptieren, „dann ist schon allein damit das Scheitern der gemeinsamen Bemühungen erklärt“.

Barton „noch ein bisschen deutlicher“ weiter: „Wem taktische Spielchen und die eigene Profilierung wichtiger sind als die Zukunft der Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt, handelt unverantwortlich.“ Die Realität sehe so aus, „dass wir im Ergebnishaushalt nach Veränderungsverzeichnis um 2,1 Millionen Euro im Plus liegen und im Investitionshaushalt mit rund 1,7 Millionen Euro im Minus. Die Kernforderungen der CDU würden kosten: Verzicht auf konditionierte Grundsteueranhebung 8,9 Millionen Euro, Verzicht auf Gewerbesteueranhebung 4,8 Millionen Euro, Ausbau KOD (...) 2,1 Millionen Euro.“

Bei den Grünen könne man Gewerbesteuer und KOD abziehen, dafür kämen Radwegemaßnahmen mit einer Million Euro dazu. Alles in allem Beträge zwischen 10 und 17 Millionen Euro, die zusätzlich ausgegeben werden sollen. „Nimmt man allein diese Summen, wird auf den ersten Blick deutlich: Das passt hinten und vorne nicht.“ Er sei sich sicher: Keiner der Anträge „hätte je das Licht der Welt erblickt, wären Sie in der Verantwortung.“

Sascha Kurth (CDU)

Sascha Kurth (CDU)
Sascha Kurth (CDU) © CDU

Haushaltsberatungen seien üblicherweise auch immer ein Stück weit eine Generaldebatte über die politische Ausrichtung unserer Stadt, sagte Sascha Kurth für die CDU-Fraktion. „Wo und wie wollen wir Problemstellungen angehen? Welche Ziele wollen wir für unsere Stadt verfolgen? Für einen gemeinsamen Beschluss des Haushalts sind daher auch gemeinsame Antworten auf diese Fragen nötig. Und ich nehme es an dieser Stelle vorweg: Aus Sicht der CDU gibt dieser Haushalt die nötigen Antworten nicht und deshalb können und werden wir hier heute auch nicht zustimmen.“

Kurth verdeutlichte das an Beispielen. „Da ist zuerst das Ziel, dass wir als CDU den Bürgerinnen und Bürgern ein sicheres Umfeld bieten wollen. Dafür sind wir als Stadt nicht in Gänze alleine verantwortlich. Wir haben aber einen gewichtigen Anteil daran. Das lässt sich auch daran erkennen, dass Sie, Herr Oberbürgermeister, selbst die Aufstockung des Kommunalen Ordnungsdienstes, des KOD, im nächsten Jahr in den Haushalt aufgenommen haben. Und es ist es uns wert, dafür Geld in die Hand zu nehmen: für Stützpunkte des KOD in den Stadtbezirken, für eine Ausstattung an Personal und Ressourcen, die eine Verbesserung möglich machen. Auch in mehreren Schichten.“

Zweiter Punkt: Wer durch Gelsenkirchen gehe oder fahre, wisse, dass man hier eine Vielzahl von Problemen im Verkehrssektor habe. „Wir haben das Ziel, hier Lösungen zu schaffen. Deshalb haben wir gesagt: Lassen Sie uns ein gemeinsames Ziel vereinbaren, dass wir die ideologische Brille abnehmen und schauen, wie wir Lösungen auf die Straße bekommen.“

Dritter Punkt: „Wir als CDU haben uns dafür eingesetzt, die Maßnahmen zur Erhöhung von Grundsteuer und Gewerbesteuer zu streichen. Wir als CDU wollten das Signal senden, dass wir verstanden haben, dass es keine weiteren Belastungen für Bürgerinnen und Bürger sowie für Unternehmen geben darf. Dieses Signal wollten Sie nicht senden.“ Dann reiche es eben nicht für eine gemeinsame Zielvorstellung und auch nicht für einen gemeinsamen Haushalt, so Kurth.

Peter Tertocha (Bündnis 90/Die Grünen)

Peter Tertocha (Bündnis 90/Die Grünen)
Peter Tertocha (Bündnis 90/Die Grünen) © Joachim Kleine-Büning

Die Grünen sagten Nein zum Haushalt 2018. Fraktionschef Peter Tertocha: „Finden wir uns mit unseren Vorstellungen und Anträgen im Haushalt wieder, stimmen wir einem städtischen Haushaltsplan zu. Sind wir der Meinung, dass die Schwerpunkte falsch gesetzt sind und es zu weiteren Einschnitten in wichtigen Bereichen der Stadt kommt, lehnen wir einen solchen Haushaltsplan ab. Ungeachtet der schlechten Finanzlage der Stadt gibt es für uns nach wie vor Schmerzgrenzen bei den Einsparungen, denn wir haben den Anspruch, unsere Stadt attraktiver zu machen. Die Grünen ziehen diese Grenze bei den Einsparungen dort, wo es in Gelsenkirchen zu weiteren Einschnitten in den Bereichen Bildung, Jugend, Soziales, Kultur und Sport kommt. Das ist mit uns nicht zu machen.“

Eine Stadt wie Gelsenkirchen müsse trotz schlechter Finanzlage auch den Anspruch haben, sinnvolle Projekte anzugehen und natürlich auch umzusetzen. Tertocha: „Wir haben versucht, unsere Vorstellungen unter anderem mit diversen Anträgen im Verkehrs- und im Kulturbereich einzubringen und sind damit bei der Mehrheitsfraktion, trotz inhaltlicher Sympathie für einige unserer Anträge, im Ergebnis auf völlige Ablehnung gestoßen. Wir halten diesen Weg für falsch. Eine Stadt muss trotz aller notwendigen Sparmaßnahmen für die Bevölkerung attraktiv und lebenswert bleiben.“

Martin Gatzemeier (Die Linke)

Martin Gatzemeier (Die Linke)
Martin Gatzemeier (Die Linke) © Die Linke

„Die Linke fordert die Entschuldung der Kommunen und eine vollständige Gegenfinanzierung der Folgekosten von Arbeitslosigkeit“, so Martin Gatzemeier, Vorsitzender der Linksfraktion. „Arbeitslosigkeit in diesen Dimensionen ist ein strukturelles Problem und nicht die Folge persönlichen Versagens des einzelnen Arbeitslosen oder der Gemeinde. Nicht zu hohe Ausgaben sind das Problem, sondern zu niedrige Einnahmen. Wir brauchen ein sozial gerechtes Steuersystem. Die Kosten für die Zuwanderung aus EU-Ost sowie der Integration von Geflüchteten müssen stärker von Bund und Land übernommen werden“, so Gatzemeier unter anderem.

Jürgen Hansen (Einzelmandatsträger)

Ex-Pirat Jürgen Hansen in Richtung CDU und Grüne: „Zum dritten Mal entziehen sie sich ihrer Verantwortung und verweigern sich der konstruktiven Zusammenarbeit, in dem sie unfinanzierbare Forderungen stellen. (...) Es ist Ihnen egal, weil sie ja im tiefsten Inneren genau wissen: Die SPD sichert die notwendigen Rahmenbedingungen mit ihrer Mehrheit, da kann man ja unbeschwert finanziellen Unsinn fordern und dann recht gut nach außen kommunizieren, die SPD wollte ja nicht ernsthaft verhandeln.“

Monika Gärtner-Engel (AUF)

Monika Gärtner-Engel von AUF Gelsenkirchen sagt: „Die Schwarze Null ist ein trügerisches Signal, dass alles auf bestem Wege ist. Das ist es aber nicht.“ Es werde eine große Problematik geben, wenn sich die Zinspolitik ändere. Der SPD warf sie vor: „Sie schmettern alles ab, was von anderen kommt.“

Ali-Riza Akyol (WIN)

„Ich möchte mich zunächst für den konstruktiven, sachlichen und kollegialen Verlauf der letzten HFBP-Sitzung zu der Haushaltsberatung bedanken. Ich habe es als sehr angenehm empfunden.“ Lobende Worte von Ali-Riza Akyol von der WIN-Ratsfraktion. „Es ist schon interessant, dass ich das Gefühl habe, mich für etwas zu bedanken, was das normalste auf der Welt sein müsste. Anscheinend ist das, was überall normal ist, bei uns ein besonderes Ereignis. Vielleicht ist das Quelle unserer Probleme in Gelsenkirchen. Wenn wir daraus zukünftig Lehren ziehen, haben wir vielleicht mehr erreicht, als alle Anträge zu dem diesjährigen Haushalt.“