Gelsenkirchen. . Das 4. Sinfoniekonzert der Neuen Philharmonie widmete sich unter Generalmusikdirektor Rasmus Baumann musikalisch dem fernen Osten.
Verträumte Töne eines lieblichen Fagotts läuten am Montagabend im Musiktheater im Revier die Reise der Neuen Philharmonie Westfalen nach „Fernost“ ein. Wie ein Hauch weht die sonore Melodie der „Japanischen Suite“ von Gustav Holst in den, leider nur schwach besetzten, großen Saal. Zum 4. Sinfoniekonzert der Saison hat Generalmusikdirektor Rasmus Baumann herrlich bildhafte Musik zu den Ländern der aufgehenden Sonne zusammengestellt.
Unter perlenden Harfenklängen erheben sich die Streicher, kollektives Seufzen der Sektionen werfen liebliche Wellen an einen Strand, das leise Glockenspiel lässt die Chimäre eines Tempeltors in der Ferne entstehen. Das Prelude „Song of a Fisherman“ und die folgenden vier intensiven Tänze mit exotischem Flair aus der Feder des ostasienbegeisterten britischen Komponisten sind nur der mitreißende Auftakt zu einem Abend der ungewöhnlichen Emotionen.
Verschmelzung von Ost und West
„Bis vor kurzem kannte ich dieses Instrument auch nicht“, gibt Rasmus Baumann vor dem zweiten Stück zu. Die Rede ist vom „Zheng“, einer chinesischen Harfe, die in ihrer ganzen Schönheit vertikal vor dem Orchester aufgebaut ist. Solistin ist Chanyuan Zhao, ebenfalls aus dem Reich der Mitte, wie auch das „Konzert für Streichorchester und Zheng“ von Tan Dun. Es ist eine phänomenale Verschmelzung von Ost und West, rasante Streicher dialogieren mit der Zheng, Zhao „tanzt“ anmutig mit ihrem Fingern über die Saiten, Arme und Oberkörper sind mit Grazie ins Spiel integriert.
„Yao“ rufen überraschenderweise mehrmals die Stimmen der Cellisten, auch das Stampfen mit Füßen und das rhythmische Klopfen auf die Streicherkästen gehören dazu. Faszinierendes Unbekanntes paart sich mit gewohnten Pfaden einer schwelgerischen Romantik, die Streicher bearbeiten die Saiten leidenschaftlich. Zhao verzaubert mit Spieltechnik und Eleganz, das Ende ist eine von unglaublicher Spannung erfüllte Stille.
Das Lied von der Erde
Nach der Pause eine Symbiose von West nach Ost, ein opulenter Gustav Mahler, „Das Lied von der Erde“ vertont freie Nachdichtungen chinesischer Lyrik von Hans Bethge. Fanfaren und Pauken erschallen, erschütternd dramatisch singt Kor-Jan Dusseljee souverän mittenhinein in das volle Orchester, Jammer und Schmerz offenbaren sich mit großer Stimme. Eine düstere Stimmung unendlicher Depression, „Dunkel ist das Leben, ist der Tod“. Sechs Lieder erstaunlicher Poesie, es wechseln Tenor und, im Original Bariton, hier Altistin Alexandra Petersamer. Die wegen Krankheit erfolgte Umbesetzung erweist sich spätestens beim Gesang „Der Abschied“ als Volltreffer. Sehnsucht, Einsamkeit und Ewigkeit schimmern und glühen in wunderbaren Klangfarben. Gewaltige Lieder, fantastische Leistung der Sänger, des Orchesters – Xièxiè, ein Dank an Rasmus Baumann für den Ideenreichtum.