Gelsenkirchen. . Fett legt hier keine Kanäle lahm. Es sind die Feuchttücher oder „Grobstoffe“ wie Binden, die Probleme machen, Kosten treiben und Pumpen zusetzen.
- Schlagzeilen machte der Londoner Untergrund. Ein 130 Tonnen schwerer Fettklumpen verstopfte die Kanalisation
- Mit solchen Riesenpfropfen ist in der Stadt nicht zu rechnen – hier sorgen eher Feuchttücher für Pumpen-Probleme
- Tücher, Haarbüschel, Binden oder auch Kondome gehören nicht in die Toilette, sondern in den Müll
Das Thema ist nur bedingt appetitlich. Und vielleicht verführt dies gerade dazu, damit verbundenen Probleme zu entsorgen, ja geradezu runterzuspülen: Feuchttücher, vor allem Bündel aus Haaren sowie Artikel wie Binden, Tampons oder Kondome, selbst volle Windeln landen häufig in der Toilette. Kräftig abziehen – und weg? Nein, eben nicht, sagt die Emschergenossenschaft, sagen Gelsenkanal und Gelsenwasser, sagt das IKT, das Institut für unterirdische Infrastruktur aus Gelsenkirchen. In der Kloschüssel, sind sich die Experten einig, fängt der Ärger eigentlich erst richtig an.
In Gelsenkirchen gibt es 28 Pumpwerke
Schlagzeilen machte zuletzt der Londoner Untergrund. Ein 130 Tonnen schwerer Fettklumpen verstopfte dort die Kanalisation. Mit solchen Riesenpfropfen ist in der Stadt nicht zu rechnen. Fettabscheider (vor allem in der Gastronomie) leisten da offensichtlich gute Arbeit. Es ist eher der Unrat, die sogenannten Grobstoffe, die stören, die Schäden, Arbeit und Kosten verursachen. „In Gelsenkirchen gibt es 28 Pumpwerke, die regelmäßig von den Betriebsmitarbeitern der Emschergenossenschaft und des Lippeverbandes kontrolliert und vom unerwünschten Müll befreit werden müssen. Pro Jahr beläuft sich dieser finanzielle Aufwand an den Anlagen im Emscher-Lippe-Gebiet auf rund eine Million Euro“, sagt Iias Abawi, Sprecher der Emschergenossenschaft. Deutschlands größter Abwasserentsorger betreibt rund 1320 Kilometer Abwasserkanäle, rund 350 Pumpwerke und fast 60 Kläranlagen.
Ein Prozent Leitungsgefälle
Kanalrohre messen unter den Straßen der Stadt zwischen 30 Zentimeter (DN 300) und bis zu 2,6 Meter (DN 2600) im Durchmesser. Zwei Prozent Gefälle haben die Hausanschlüsse in der Regel, ein Prozent die öffentlichen Sammler. Das reiche „völlig aus“ um das, was ins Abwasser gehört, abzuführen, sagt Joachim Weise, Abteilungsleiter Betrieb/Kanalunterhaltung bei Gelsenkanal. Wenn Rohrreiniger zum Einsatz kommen müssen, dann meist, weil private Anschlussleitungen zusitzen.
Verwurzelungen und Blätter, die über die Dachentwässerung eingetragen werden, sind laut Weise dort die Hauptursachen für Rückstau. Neuralgische Punkte im öffentlichen Netz seien allerdings die Pumpstatioen, „auch Schneckenanlagen können Probleme kriegen“. Ganz vorne dabei auf der Störerskala für den Kanal-Experten: reißfeste Feuchttücher.
Mehrere Fortbildungsseminare für die Branche
„Man fragt sich manchmal wirklich, wie die Sachen im Kanal landen. Da haben wir schon so ziemlich alles gefunden: Gebisse, Brillen, Kanthölzer“, sagt Stefan Bretz vom IKT, dem Institut für unterirdische Infrastruktur. Doch auch dort hat man die Feuchttücher, die sich im Kanalsystem und den Kläranlagen nicht zersetzen, als besonderes Problemfeld ausgemacht. Allein 2017 hat das IKT mehrere seiner Fortbildungsseminare für die Branche dem Thema gewidmet. Was zeigt: das Problem ist bundesweit eines „in den meisten Kommunen“, einher gehend mit Geruchsbelastungen (durch Fettreste), Problemen bei der Kanal-Be- und -Entlüftung oder Verstopfungen. „In Pumpwerken treten durch Tücher riesige Verzopfungen auf. Das erfordert einen hohen Wartungsaufwand“, stellt auch Bretz fest.
Das Problembewusstsein schärfen
Bei Kunden und Herstellern „Problembewusstsein zu schaffen“, ist für das IKT ein wesentlicher Schritt. „Richtig wäre es, wenn der Müll ganz einfach über den normalen Hausmüll entsorgt wird“, betont Abawi. „Dieser wird verbrannt; Kanäle, Pumpwerke und Klärwerke werden verschont.“