Gelsenkirchen. . Die grüne Europapolitikerin Terry Reintke wurde vor dem Duisburger Hauptbahnhof Opfer eines sexuellen Übergriffs. Darüber sprach sie offen.

  • Die EU-Abgeordnete der Grünen, Terry Reintke, wurde Ende Juli Opfer eines sexuellen Übergriffs
  • Über den Vorfall berichtete sie im Plenum des EU-Parlaments beim Thema Istanbul-Konvention
  • Reintke fühlte sich von der Polizei am Tatort in Duisburg ernst genommen und lobt sie ausdrücklich

Es ist der 11. September. Im Plenum des Europaparlaments wird über den Beitritt der EU zum Übereinkommen des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen (Istanbul-Konvention) gesprochen. Am Rednerpult steht die Gelsenkirchener EU-Abgeordnete der Grünen, Terry Reintke, holt tief Luft – und beginnt eine sehr persönliche, mutige und vielbeachtete Rede. Die 30-Jährige berichtet, was ihr am Abend des 29. Juli vor dem Duisburger Hauptbahnhof passiert ist: „Da kam auf einmal ein Typ von hinten, und ohne, dass ich ihn vorher sehen konnte, griff er mir zwischen die Beine.“

Schockiert und wütend

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Im Saal ist es still. Niemand tuschelt mit dem Sitznachbarn, kein Papier knistert. Man zollt der jungen Politikerin aus dem Ruhrgebiet Respekt. Reintke berichtet, sie sei komplett schockiert gewesen. Dann kam die Wut, sie sei dem Mann hinterher gelaufen. „Ich habe ihn angeschrien und beschimpft und hatte nur einen Gedanken im Kopf: Wenn ich ihm genügend Angst mache, tut er das nie wieder in seinem Leben einer Frau an.“

Von der Polizei ernst genommen

Die 30-Jährige verlor den Täter in der Dunkelheit aus den Augen, rief die Polizei, die mit drei Wagen schnell zur Stelle war. Zwei Beamtinnen und ein Beamter haben sie befragt, wollten wissen, „ob ich psychologische Unterstützung brauche“. Die Polizei hat die Fahndung nach „dem Typen organisiert“, ihre Kleidung auf Spuren untersucht und sie nach Hause gebracht. „Ich habe mich wieder sicher gefühlt.“ Und sie fühlte sich ernst genommen. Reintke ist sich sicher, dass sie die Reaktion der Beamten den Debatten über die Istanbul-Konvention zu verdanken hat.

Frauen Mut machen, sich zu wehren

„Ich habe vorher sehr lange darüber nachgedacht, ob ich das tun soll“, sagt Terry Reintke zehn Tage später zur WAZ, als ein Video ihrer Rede unter anderem auf Facebook die Runde macht. Sie habe sich, obwohl der schockierende Vorfall eine sehr intime Angelegenheit sei „und man sich ja auch zum Opfer macht“ dazu entschlossen. Weil es für Frauen wichtig sei, weil sie ihnen Mut machen wolle, sich zu wehren und die Polizei zu rufen, anstatt aus Scham zu schweigen. Außerdem: „Politik kann nicht nur immer abstrakt diskutieren“, sagt Reintke.

Sehr viele positive Reaktionen

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„Ich habe sehr viele positive Reaktionen bekommen“, beschreibt die Grüne EU-Abgeordnete die Zeit nach ihrer Rede. Aber auch Berichte von Frauen, die sich nach sexueller Gewalt von der Polizei nicht gut behandelt fühlten. „Es gibt noch viel Verbesserungsbedarf.“ Auch in den Köpfen. Begrabschen sei kein Kavaliersdelikt. Aber noch immer würden viele Frauen nach Sexualtaten verhöhnt und nicht ernst genommen. Zu viele!

>>> 2014 ZOG TERRY REINTKE INS EU-PARLAMENT EIN

Terry Reintke hat am AvD ihr Abitur gemacht, anschließend Politikwissenschaft an der FU Berlin studiert.

  • 2004 wurde sie Mitglied der Grünen Jugend, war Sprecherin der Federation of Young European Greens. Seit 2014 ist Reintke Europaabgeordnete.