Gelsenkirchen. . Mit „Eisengarn“ entwirft Inge Meyer-Dietrich ein Bild der späten 1930er Jahre und erzählt lebensnah die Geschichte der Näherin Mimi weiter.
Mit dem Roman „Leben und Träume der Mimi H.“ zeichnete die Gelsenkirchener Autorin Inge Meyer-Dietrich 2015 ein sehr authentisches Bild des klassischen Reviers zu Zeiten des Ersten Weltkrieges. Nun gibt es ein literarisches Wiedersehen mit der Protagonistin, der lebensfrohen Näherin Mimi, die mit ihrem kriegsinvaliden Mann Heinrich und drei Kindern die Höhen und Tiefen des Lebens im Ruhrgebiet durchlebt.
Traum von einem eigenen Mode-Atelier
Diesmal startet das Buch an einem warmen Sommerabend im Jahr 1938. Die Vorboten des Zweiten Weltkrieges lassen sich bereits erahnen, doch voll Euphorie erfüllt sich Mimi mit ihrer jüngeren Stiefschwester den Traum von einem eigenen Mode-Atelier. Das Geschäft läuft gut, als um die Familie herum der Krieg ausbricht – und schon bald darauf der einzige Sohn, Willi, den Einberufungsbefehl an die Front erhält und auch Tochter Änne als Krankenschwester mitten ins Kriegsgeschehen reisen muss. Sehnsüchtig wartet Mimi mit ihrer zweiten Tochter Elisabeth auf Briefe und Lebenszeichen ihrer beiden Kinder. Sorgen macht sie sich auch um den jüdischen Freund von Änne, der bereits Jahre zuvor nach Frankreich geflohen ist.
Inge Meyer-Dietrich zeichnet diese einzelnen Lebensstränge sehr gradlinig nach, webt in ihre Texte markante Erinnerungsstücke und Liedertexte aus dieser Zeit hinein. Das lässt die Figuren nahbar und lebendig werden, gerade so, als hätte man sie persönlich gekannt.
Der Erzählstil verändert sich
Und als der Weg durch das Leben immer steiniger wird, lässt die Autorin auch die Erzählerin immer wortkarger werden, die Kapitel werden kürzer, Gewichtungen verlagern sich, der Erzählstil verändert sich. Es sind auch diese Stilmittel, von Inge Meyer-Dietrich gekonnt eingesetzt, die bewirken, dass dieses Buch wohl keinen Leser kalt lässt. Mimi beißt sich durch, meistert am Ende alle Prüfungen des Lebens. „Eisengarn ist ein glänzendes, reißfestes, extrem strapazierbares Garn“, diesen Satz hat die Gelsenkirchenerin ihrem Roman voran gestellt – und damit ihrer Hauptfigur zugleich ein Psychogramm erstellt.
Dabei erzählt Inge Meyer-Dietrich die Geschichte ihrer Stief-Oma, bei der sie fünf Jahre lebte, und der sie mit dieser Romanreihe ein Stück Erinnerung widmen möchte.
Ein Stück Erinnerung widmen
Die kleine Anna, wie sie im Buch heißt, vermag es auf den letzten Seiten, die von ihren Schicksalsschlägen gebeutelte und nahezu verstummte Mimi wieder zum Reden zu bringen. „Plötzlich hat sie wieder ganz viel von ihrem Leben erzählt, und ich wusste, das muss ich eines Tages aufschreiben. Auch um an die Zeit, die Verzweiflung und die Trauer zu erinnern, mit denen diese Generation umgehen musste“, sagt Inge Meyer-Dietrich. Das Buch „Eisengarn“ ist eine Mahnung an die Leser von heute, sich immer wieder neu bewusst zu machen, wie wertvoll ein Leben in Zeiten des Friedens ist. Vielleicht hilft es dem ein oder anderen Leser auch, einen ganz neuen Blick auf die beiden Generationen vor unserer Zeit zu erhalten.
>> 224 Seiten für 9,90 Euro
„Eisengarn“ ist in der Edition „Ruhrgebiet de luxe“ im Verlag Henselowsky Boschmann erschienen und hat die ISBN 978-3-942094-70-2.
Der zweite Band dieser Romanreihe hat 224 Seiten und kostet 9,90 Euro. Weitere Informationen gibt es online auf
www.vonneruhr.de