Erle. . „Gelsenkirchen im Nationalsozialismus“ ist Ergänzung und Vertiefung zugleich. Institut für Stadtgeschichte legt Katalog zur Dauerausstellung auf.
1937, der Gauparteitag der nordwestfälischen NSDAP findet n Gelsenkirchen statt. Kinder in kurzen Hosen, Matrosenanzug und Sommer-Kleidchen stehen aufgereiht zwischen Erwachsenen im Sonntagsstaat, einige haben einen Gebäudevorbau erklommen und überblicken so aus der vierten Reihe die Szenerie. Was Kinder und Eltern eint – sie haben den rechten Arm erhoben, zum Hitlergruß.
Das Foto von Kurt Müller zeigt: Die NS-Zeit, sie war zwei Jahre vor Kriegsausbruch längst Lebensalltag für die Gelsenkirchener, von denen viele – in einer eigentlich „roten Stadt – früh Mitläufer und Täter wurden. Die Partei-Bonzen werden freudig begrüßt. Man putzt sich zu diesem Anlass heraus.
Thing-Platz am Berger Feld
Das Foto ist auf dem Titel eines neuen Katalogs zu sehen, der eher umfangreiches, sehens- und lesenswertes Buch mit immerhin fast 280 Seiten geworden ist – es zeigt „Gelsenkirchen im Nationalsozialismus“ und ist der Katalog zur gleichnamigen Dauerausstellung in der Erler Dokumentationsstätte an der Cranger Straße 323.
Vor gut zwei Jahren wurde dort die Ausstellung vollkommen überarbeitet präsentiert. Sie zeigt die Opfer, die Akteure, den Alltag im sogenannten „Dritten Reich“, die Verfolgung und Denunziation, die Bürokratie der Vernichtung selbst im Kleinsten. Sie dokumentiert aber eben auch den Jubel über sportliche Schalker Erfolge in der NS-Zeit, Parteiinszenierungen und Nazi-Visionen vom Gelsenkirchen der Zukunft als „Stadt der Arbeit und Erholung“ mit einem riesigen „Thing-Platz“ auf dem Berger Feld, mit Aufmarschplätzen und Mustersiedlungen. Und sie erinnert an individuelle, teils bewegende Schicksale – Diktatur-Opfer, die einst mitten in Gelsenkirchen lebten. Dieser direkte Bezug ist es, der die Ausstellung so lebensnah macht. Der Identifikationsgrad ist hoch, weil die beschriebenen Menschen auch 80 Jahre später noch so nah sind.
Band 12 in der Schriftenreihe des Instituts
„So eine Austellung braucht einen Katalog. Selbst wenn man zwei bis drei Stunden hier verbringt, kann man nicht alles sehen. Nun kann man die Eindrücke zuhause vertiefen, das war auch vielfach gewünscht“, sagt Daniel Schmidt. Der promovierte Historiker vom Institut für Stadtgeschichte (ISG) ist der Herausgeber des zwölften Bands in der Schriftenreihe des Instituts. „Mit den zwei Jahren, die wir dafür gebraucht haben, liegen wir zeitlich ganz gut“, findet Institutsleiter Prof. Stefan Goch. Es war auch eine zähe Auswahlarbeit: „In der Ausstellung haben wir rund 600 Bilder, im Buch sind 450 Abbildungen. Bei der Auswahl haben wir darauf geachtet, dass auch die bekannten Gelsenkirchener Fotos gezeigt werden. Und es gibt gewisse Bilder, die müssen sein, weil sie ikonisch für die Zeit stehen.“
Katalog mit einem hohen Wiedererkennungswert
Die Ausstellungsgestalterin Nicole Cub hat die „Anmutung der Ausstellung in den Katalog übersetzt. Wir wollten eine gleiche Gestaltung, eine ähnliche Platzierung und einen hohen Wiedererkennungswert“, sagt Cub. In der Ausstellung ist der Grundton eher „ein bisschen düster. Der Stimmung entsprechend“. Dieser Grundton zieht sich auch über manche Bilder-Doppelseite. Ansonsten gilt für Schau wie Katalog : „Es muss Dinge geben, die man entdecken kann. Ich glaube, dass das auch im Buch möglich ist.“ Für Schmidt hat das Buch auch einen dokumentarischen Anspruch. Es soll populärwissenschaftlich versammeln, „was wir über den Nationalsozialismus in Gelsenkirchen wissen.“
>> Buch aus dem Klartext-Verlag
„Gelsenkirchen im Nationalsozialismus“ ist in 1000er Auflage im Klartext-Verlag erschienen und kostet 24,95 Euro. Den Katalog gibt es in der Erler Dokumentationsstätte, im lokalen Buchhandel und in der Stadtinfo im Hans-Sachs-Haus.