Schalke. Straffälligenhilfe besteht seit 35 Jahren. Unter dem Dach der Awo. Zur Feierstunde kamen auch viele ehemalige Ratsuchende. Austausch mit Bürgern

Knackis würden den Luxus begrüßen, den die eingerichtete Zelle im Awozentrum an der Grenzstraße gestern bot. Symbolisch hatte die Beratungsstelle für Straffällige und Angehörige das Wohnen im Knast dargestellt. Seit 35 Jahren betreut, berät und hilft „Die Chance“ Menschen, die mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind. Besuchern, die das Zellenleben kennengelernt haben, fiel gleich auf, dass das echte Knastbettgestell aus Metall gefertigt ist.

Viele ehemalige, denen die Beratungsstelle wieder auf die Beine geholfen hatte, waren erschienen. Sie sind nach wie vor dankbar für die Hilfe, fühlen sich auch emotional mit der Einrichtung verbunden. Heinz Dieter H. wird die Hilfe, die er durch „Die Chance“ erhielt, nicht vergessen. „Die Leute haben verhindert, dass ich nach einem Haftbefehl für 19 Monate in den Knast gemusst hätte.“ Durch die Hilfe sei er wach geworden, hätte sein Leben neu geordnet. Noch heute ist der 52-Jährige häufig Gast in der Beratungsstelle.

Awo-Geschäftsführerin Gudrun Wischnewski erinnerte in ihrem Streifzug durch die Geschichte an die Gründungsväter und -mütter, die das Projekt der freiwilligen Straffälligenhilfe stets vorangetrieben hätten. 1999 schließlich sei „Die Chance“ an die Awo angedockt worden. Der Bedarf für die Arbeit, meinte Wischnewski, sei bis heute nicht zurückgegangen und aktueller denn je.

Doris van Kemenade, Bereichsleiterin für Gesundheit und Soziales im Quartier Schalke, setzt auch weiter auf den starken Partner. Sie will mit den Bürgern stärker ins Gespräch kommen und die Notwendigkeit der Straffälligenhilfe deutlich machen. Ziel sei es auch, die Angebote von „Die Chance“ weiter publik zum machen.

Antonia Roth ist seit Jahren in der Straffälligenhilfe engagiert. Freunde hätten mitunter Zweifel geäußert, ausgerechnet in diesem Bereich helfen zu wollen. Für sie stehe fest, dass es Menschen geben müsse, die hinter Straftätern stünden, ihnen Hoffnung gäben. Roth: „Mir sind die Menschen, für die ich mich einsetze, sympathisch.“

Passend zu der Lebensphilosophie früherer und heutiger Klienten könnten auch die Titel „Take it easy“ oder „peaceful“. stehen, die der Gitarrist und Sänger Andreas Hägler vortrug: Von beeindruckender Lebensbeobachtung, Wehmut, Tragik, aber auch Humor waren die Geschichten und Gedichte geprägt, die Hans-Werner-Schürmann aus der Zelle geschrieben hat. Beate Schmid-Große, die als Lehrerin in der Sozialtherapeutischen Anstalt arbeitet, trug die fantasievollen und sprachgeschliffenen Werke voller Empathie vor. Der Knastdichter, der in Gelsenkirchen im Gefängnis saß, ist vor vier Jahren gestorben. In seinen Gedichten hatte er dem Leben begeistert Applaus gespendet.