Hassel. . WAZ-Leser lernen in der Kläranlage, was Amöben schaffen. 530 Liter Abwasser pro Sekunde fließen in die Becken. Wie die Anlage funktioniert.
- 13 WAZ-Leser besuchen in der Reihe „Waz öffnet Pforten“ die Kläranlage in Hassel
- Abwässer von 56 000 Bewohnern verwandeln sich dank biologischer Reinigungsstufen in klares Wasser
- Aus Marl-Polsum, Dorsten-Altendorf und Buer bis zum Bergmannsheil kommt die Abwasserbrühe täglich
Welcher Betrieb kann schon von sich behaupten, Millionen Mitarbeiter zu beschäftigen. Mitarbeiter, die rund um die Uhr arbeiten, als betriebliche Lebensgeister operieren und dennoch keinen Lohn verlangen. In der Kläranlage Picksmühlenbach des Lippeverbandes ernähren sich Glocken-, Pantoffeltierchen und Amöben von dem, was wir Menschen täglich ausscheiden. Für 13 WAZ-Leser öffnete die Kläranlage in Hassel die Tore. Die Gäste konnten sich überzeugen, dass das ankommende Schmutzwasser mit Hilfe der Bakterien als sauberes Wasser wieder in den Picksmühlenbach fließt.
Pro Sekunde fließen 530 Liter Abwasser in die Kläranlage. An trockenen Tagen müssen zwischen 12 000 und 15 000 Kubikmeter Wasser behandelt werden. Wenn es regnet, laufen 50 000 Kubikmeter durch die verschiedenen Klärstufen. Ist der Zulauf zu stark, fangen Mitarbeiter den Spülstoß im Regenbecken auf. 4500 Liter werden dann pro Sekunde in das 10 000-Kubikmeter-Becken gepumpt.
Abwässer von 56 000 Bewohnern verwandeln sich dank biologischer Reinigungsstufen in klares Wasser. Verkraften könnte die Anlage die Hinterlassenschaften von 70 000 Einwohnern. Aus Marl-Polsum, aus dem Gebiet um die Zeche Westerholt, Dorsten-Altendorf und Buer bis zum Bergmannsheil landet täglich die Abwasserbrühe in der Hasseler Anlage. In der kommunalen Anlage landen keine Industrieabwässer.
Bevor die Bakterien ihr Werk verrichten, trennt zunächst ein Grobrechen die festeren Bestandteile wie Toilettenpapier, Binden oder Pflaster. Ohne eine ausreichende Sauerstoffversorgung können die Mikro-Organismen nicht ihr klärendes Werk verrichten. Betriebsleiter Franz-Josef Wiesmann kann die Gewohnheiten der Menschen schon daran erkennen, was der Rechen in seine Fänge genommen hat.
Weihnachten sind Paranüsse dabei
Wiesmann: „Um die Weihnachtszeit entdecke ich Paranüsse, wenn Zeit ist für die Kirschernte, tauchen Kerne in der Anlage auf.“ An der Intensität der Wasserkurve kann er auch erkennen, ob Ferienzeit (kleiner) ist oder ein Feiertag den Wasserzufluss (größer) beeinflusst hat.
Ein Selbstläufer ist die biologische Klärstufe nicht. Abwassermeister Franz-Josef Wiesmann weiß, dass bestimmte Stickstoff- oder Phosphatwerte nicht überschritten werden dürfen. Das gereinigte Abwasser werde ständig gemessen. Seit 1983 ist der 58-Jährige beim Lippe-Verband. Eigentlich wollte er Berufsschullehrer werden. Es kam anders. Er machte schließlich im Fernstudium seinen Klärmeister.
Bei der biologischen Reinigung spielt auch Schlamm eine bedeutende Rolle. Allein 130 Kubikmeter geht täglich in die Faulung. Das gewonnene Gas wird als Energiespender wieder genutzt. In einer Schlammpresse mit 162 Platten wird durch enormen Druck die Feuchtigkeit aus den Feststoffen geholt. Um die Wirkung zu verdeutlichen, verrät Wiesmann die Werte. Vor dem Pressvorgang werden die Platten mit 70 Kubikmeter Nassschlamm gefüllt. Nach drei Stunden bleiben 5,5 Kubikmeter gepresster Schlamm übrig.
Bis zu sechs Mitarbeiter sind auf der Anlage beschäftigt, die die Prozesse rund um die Uhr auch dann erledigt, wenn die Mitarbeiter längst den Feierabend genießen. Die Männer sind zwischen 6.30 und 15.15 Uhr im Einsatz. Danach steht eine Rufbereitschaft parat, die Störungsfälle nach Bottrop meldet. Die Kollegen dort sind rund um die Uhr im Einsatz, können Störungen sofort beseitigen. In Hassel ist zwischen 22 und 5 Uhr Ruhezeit.
Kein Trinkwasser fließt zurück
Die WAZ-Leser sind beeindruckt von der Anlage, von den technischen und biologischen Möglichkeiten, Abwasser in klares Wasser zu verwandeln. Auch wenn es sauber zugeht auf der Anlage, müssen die „Männer oft genug in die Scheiße packen, wenn sie Pumpen reparieren“, sagt Wiesmann. Und wie sauber ist das Wasser nach der Behandlung? „Trinken würde ich es dennoch nicht“, sagt Wiesmann. Von Bakterien ist es nämlich nicht befreit, wenn es zurück in den Bach fließt. Dass Reinlichkeit bei dem schmutzigen Geschäft eine große Rolle spielt, erlebt der Chef täglich aufs Neue. „Ich wasche mir 30 Mal am Tag die Hände.“