Gelsenkirchen. . Mittelständler sehen darin Bedrohung der Exitstenzgrundlage. Problem: Reichweite von E-Autos, fehlende Ladestationen. Ein Einblick.
- Viele kleine und mittlere Betriebe in Gelsenkirchen und Umgebung haben Dieselflotten
- Darunter nicht wenige, die in jüngerer Zeit in schadstoffärmere Dieselautos investiert haben
- Fahrverbote für Selbstzünder brächten Unternehmer in Bedrängnis, sogar in Existenznot
Die E-Mobilität ist in aller Munde, der Diesel-Skandal und die drohenden Fahrverbote haben das Thema auf die Agenda gesetzt. Große Sorgen treibt viele Unternehmer um, manche sehen ihre Existenz gefährdet.
Mike Sternkopf ist Geschäftsführer der Rolf Lutz GmbH, 15 Transporter umfasst die Flotte des Dachdeckers. Er beschäftigt 30 Mitarbeiter, zugleich spricht der 44-jährige Innungsobermeister für dutzende Betriebe in dieser Stadt und darüber hinaus in Gladbeck und Bottrop. Mehr als eine halbe Million Euro hat er in die Modernisierung seiner Dieselflotte (5-6 Jahre alt) investiert. „Käme das Aus für Dieselautos in der Umweltzone, sind wir nicht mehr arbeitsfähig“, sagt Sternkopf. „90 Prozent meiner Kollegen ginge es ähnlich“, so der Obermeister, „trotz guter Konjunktur werden viele ihren Fuhrpark nicht erneuern können“.
Von Existenznot spricht Friedrich Gatenbröcker, Inhaber der gleichnamigen Bäckerei, zwar nicht, wohl aber von einem „dramatischen Problem“. Die Eckdaten des Filialisten: 720 Mitarbeiter, 35 Serviceautos, 14 Lkw, 600 000 Euro Investitionskosten für den Fuhrpark mit Euro 5- und Euro-6-Norm. „Ich habe Zweifel, ob das am Ende reichen wird“, sagt der 57-Jährige. Etwa, wenn sich die Testzyklen änderten – von Labor- auf Realbetrieb. Würden wichtige Achsen wie die Kurt-Schumacher-Straße für Diesel gesperrt, so müsste seine Flotte „weite Umwege in Kauf nehmen, wie viele andere auch. Das gäbe verstopfte Nebenstraßen.“ Und die Lieferung mit Frischwaren „’just in time’ wäre akut gefährdet“.
Geringe Reichweite von E-Fahrzeugen
Umrüsten auf E-Autos? „Macht keinen Sinn“, sagt Gatenbröcker. Kollege Lutz pflichtet ihm da bei. Denn: „Die Reichweiten sind noch zu gering, E-Fahrräder für uns nicht geeignet. Ergo: Es gibt derzeit keine bezahlbare Alternative.“ So wie ihnen geht es vielen – auch aus anderen Branchen.
Lutz und Gatenbröcker nennen weitere Probleme: die schlechte Ökobilanz der E-Autos, die ungelöste Entsorgungsfrage, die Herkunft des Stromes und die Frage: Was passiert mit den Alt-Autos? Verkaufen in Länder mit weniger strengen Auflagen – für sie „zumindest moralisch verwerflich“.
Es gibt aber auch jene, die der Diesel-Skandal nicht tangiert. Beispielsweise Uwe Klaile und seinen Elektriker-Fachbetrieb. „Aus Überzeugung“ hat der Gelsenkirchener die neun Firmenautos für seine neun Mitarbeiter lieber gleich mit Benzinmotoren gekauft.
Die Vielzahl ungelöster Fragen und das löchrige Netz an Ladestationen lässt die Stadt zögern, ihren Fuhrpark ad hoc umzustellen. Die Beteiligungen der Stadt verfügen über sechs Ladestationen. Weitere 19 Stationen, darunter acht in Gelsenkirchen, betreibt die Emscher Lippe Energie GmbH in ihrem Verbreitungsgebiet. Die ELE nutzt fünf E- und 32 Erdgasautos und beabsichtigt zumindest, „die E-Mobilität künftig noch weiter auszubauen“.
71 private E-Autos in Gelsenkirchen
Bei den Bürgern ist die Elektrifizierung nicht weit vorgedrungen. Auf Gelsenkirchens Straßen fahren bislang nur 71 private E-Autos.
Wo es geht, sind umweltfreundliche Fahrzeuge im Einsatz. Gelsendienste hat nach eigenen Angaben derzeit acht E-Pkw im Fuhrpark, die „hauptsächlich für kurze Kontrollfahrten im Stadtgebiet genutzt werden“. Zwei weitere sollen bald dem Referat Umwelt zur Verfügung stehen. Parallel dazu hat Gelsendienste einen E-Transporter getestet, wie ihn die Post schon einsetzt für Strecken bis zu 80 Kilometer. Ein offizielles Fazit hinsichtlich Alltagstauglichkeit und Wirtschaftlichkeit und eine Aussage, ob diese Transporter das Stadtbild hier prägen werden, gibt es aber nicht.
Die Bogestra hat 2014 erstmals zwei E-Autos gekauft und schickt ganz aktuell 22 weitere für Dienstfahrten im Betriebsgebiet auf die Straße. Dazu wurden, verteilt auf alle Betriebshöfe, 37 Ladepunkte installiert.