Beckhausen. . 20 Leser erkundeten die High-Tech-Anlage an den Sutumer Brücken. 6200 Pferdestärken jagen bald 13 500 Liter Wasser pro Sekunde durch die Rohre.
- Der Emscherumbau ist ein Generationenprojekt, insgesamt kostet er 5,3 Milliarden Euro
- 20 WAZ-Leser besuchten jetzt das Pumpwerk an den Sutumer Brücken in Gelsenkirchen
- Die High-Tech-Anlage sorgt mit dafür, dass das Abwasser auf 51 Kilometern im Klärwerk landet
Mit einem faulig-süßen Geruch kündigt sich die Emscher schon aus der Ferne an. Hier an den Sutumer Brücken weht aber schon bald ein ganz anderer Wind – dann können Radler, Spaziergänger und all die anderen Erholungsuchenden im Schatten von Bäumen und blühenden Sträuchern verweilen, die müden Glieder auf Bänken und Sitzen austrecken oder – ihren Blick von der Aussichtsplattform über Veltins-Arena, Kaltwalzwerk oder Emscherradweg schweifen lassen.
Das Pumpwerk an den Sutumer Brücken, dessen Pforten die WAZ für 20 Leser öffnete, wird ab 2018 weit mehr sein als nur ein voll automatisierter Betriebspunkt. Mindestens ein Verweilort mit parkähnlicher Anmutung, einer, der Industriekultur in die neue, digitale Zeit trägt. Vielleicht sogar mit Gastronomie oder als Teil der Extraschicht – Ideen gibt es viele.
Reiner Tatus, lenkt den Blick der Besucher zunächst einmal auf die Gegenwart. Und die eigentliche Aufgabe dieses High-Tech-Monstrum, das sich drei Sattelzuglängen tief (rund 40 Meter) unter der Erde verbirgt und nun exklusiv von den Gästen in Augenschein genommen wird. „Die Anlage hier hat eine besondere Funktion“, erklärt der Projektleiter der Emschergenossenschaft. Ihr Generationsprojekt ist es, zu trennen, was nicht zusammengehört. Und zwar sauberes Fluss- und Regenwasser, das in die Emscher fließt und Abwasser, das von Gelsenkirchen – das passt so schön ins Bild – mit Nachdruck auf seinen Weg zu den Kläranlagen in Bottrop und Dinslaken zu bringen. „Als Verteiler. Damit die Emscher wieder ein naturnaher Fluss wird“, sagt Tatus. Im Verbund mit zwei weiteren Anlagen pumpt das Werk das Abwasser durch den neuen unterirdischen Abwasserkanal Emscher auf einer Strecke von 51 Kilometern zwischen Dortmund und Dinslaken.
Eine ersten Eindruck von den gigantischen Dimension des 5,3 Milliarden Euro teuren Emscherumbaus bekommen die erwartungsfrohen Leser beim Blick von oben ins Pumpwerk – und kurz darauf gut hundert Nirosta-Treppenstufen tiefer auf der mittleren Ebene. Hier schießt in beinahe einen Meter dicken Rohren im kommenden Jahr das Abwasser durch. „Die elf Kreiselpumpen, haben eine elektrische Leistung von 4,5 Megawatt“, erklärt dazu Reiner Tatus. Durch die Aggregate jagen 13 500 Liter Wasser pro Sekunde. Macht umgerechnet etwa eine Leistung von insgesamt 6200 Pferdestärken oder das „Füllvolumen eines großen Muldenkipper“, das sekündlich von den rotierenden Schaufeln gehoben und weitergepumpt wird.
Spätestens da taucht die Frage nach der Sicherheit auf. Was passiert bei einem Stromausfall, steht dann Gelsenkirchen und der Pott unter Wasser? Die Antwort ist beruhigend: Die elf Pumpen werden von jeweils einem eigenen Trafo mit Strom versorgt, dazu arbeiten sie in zwei Gruppen voneinander räumlich getrennt – so bekommen sie ihren „Saft“ von zwei voneinander unabhängigen 110 000 Voltleistungen. Nicht alle Pumpen arbeiten außerdem gleichzeitig, vielleicht die Hälfte. Und da gibt es ja noch einen Überlauf. Sollte der sehr unwahrscheinliche Fall der Fälle auftreten, läuft das Wasser dank eingebauter Neigung praktisch von allein zu seinem Bestimmungsort Richtung Klärwerk.
Ein Riesenaufwand, Ingenieurskunst vom Feinsten. Die Besucher sind „schwer beeindruckt“. Alles dafür, damit das müffelnde Abwasser niemanden mehr unangenehm in die Nase steigt. Und damit die Emscher wieder ein Fluss wird.