Gelsenkirchen. . Michael Schulz, Intendant des Musiktheaters im Revier, blickt stolz auf die abgelaufene Spielzeit zurück. Sein Highlight: „Die Passagierin“.
- Im vierten SommerGEspräch 2017 haben wir Michael Schulz zum Interview gebeten
- Stolz und gut gelaunt blickt er auf die abgelaufene Spielzeit zurück
- Außerdem wagt er einen Ausblick auf die nächste Saison
Für das Musiktheater im Revier endete die Spielzeit überaus erfolgreich und wurde am Ende noch mit dem ersten Platz bei der NRW-Kritikerumfrage belohnt. Seit 2008 zeichnet Michael Schulz als Generalintendant für das Programm verantwortlich. Mit dem Theatermacher sprach WAZ-Redakteurin Elisabeth Höving über Höhepunkte der letzten Saison, über Pleiten, Wünsche und Pläne für die kommende Spielzeit.
Die nun zu Ende gegangene Spielzeit gilt als eine der besonders erfolgreichen. Wo sehen Sie die Stärken der letzten Saison?
Schulz: (lacht) Eigentlich war alles toll, und das meine ich auch so! Aber es gibt Dinge, auf die man ganz persönlich stolz ist. Die Oper „Die Passagierin“ hat die Spielzeit sicherlich zu etwas Besonderem gemacht. Das war ein absolutes Highlight. Zum einen, weil sie überhaupt auf dem Spielplan stand, zum anderen aber auch wegen der von vielen Mitarbeitern geleisteten Vermittlungsarbeit ans Publikum, mit der wir früh begonnen haben. Das zog eine große Aufmerksamkeit auf sich, wurde extrem gut angenommen. Das hat mich wirklich überrascht, das war sehr schön.
Und sonst noch?
Die Inszenierung der Komödie „Der Florentiner Hut“ habe ich als Wiedergutmachung an einem vergessenen Stück empfunden. Natürlich ist es eine Klamotte, aber ein Werk, das unglaublichen Spaß gemacht hat, gerade wegen der Besetzung des Ensembles und der Ästhetik der Inszenierung, die mich persönlich unendlich befriedigt hat. In Weimar ist uns eine Inszenierung vom „Florentiner Hut“ mal nicht so gut gelungen wie jetzt am Musiktheater. Da war ich sehr glücklich. Und über „Hoffmanns Erzählungen“, da war ich auch sehr froh.
Wo punktete das Ballett vor allem?
Da fand ich die letzte Produktion „Der Rest ist Tanz“ ganz großartig. Ein Abend, an den ich wenig Erwartungen hatte und der mich mit seinen drei so unterschiedlichen Choreographien und tänzerischen Farben dermaßen überrascht hat. Das war wie ein guter Wein, der mit jedem Schluck immer besser wird.
Gab es auch Produktionen, die die Erwartungen nicht erfüllt haben?
Es gab ganz wenige Dinge, mit denen ich meine Schwierigkeiten hatte. Aber es gab auch Stücke, bei denen ich dachte, die sind eine Bank und die dann doch gar nicht so gut laufen sind. Der „Don Giovanni“, der etwas sehr Besonderes war, der das Publikum vor große Anforderungen gestellt hat, der sängerisch großartig besetzt war, lief nicht so gut wie erwartet. Außerdem konnte man feststellen, dass es hier ein Wagner-Publikum gibt, das sich aber schnell erschöpfte. Es gab tatsächlich Tristan-Vorstellungen, die waren schlecht besucht.
Der letzte Spielplan war üppig. Zu üppig?
Wir haben nie vor leeren Häusern gespielt, aber es stimmt schon, der Spielplan war sehr dicht, nicht zuletzt deshalb, weil wir wegen der Renovierungsmaßnahmen erst sechs Wochen später gestartet sind. Das haben wir durchaus unterschätzt.
Künstlerisch ein Erfolg, aber stimmt auch die Auslastung?
Wir sind sicherlich stabil geblieben, da haben wir unser Ziel erreicht.
Erfolg basiert nicht immer, aber oft auch auf ausreichender finanzieller Ausstattung eines Hauses. Reicht die aus in Gelsenkirchen?
Wir sind durchaus auf das Engagement von externen Geldgebern angewiesen, und die sind in Gelsenkirchen nicht so breit gestreut. Aber in dem, was wir zu leisten vermögen, sind wir mit dem Etat an unsere Grenze angekommen. Mehr geht nicht! Wir müssen die Sparauflagen ja inzwischen über Mehreinnahmen erwirtschaften, das gelingt uns, darauf bin ich auch wirklich stolz. Wenn Produktionen aber mal nicht so gut laufen, schlägt das durchaus ins Kontor.
Werden Kooperationen verstärkt, wie die letzten mit den Ruhrfestspielen oder dem Cirque Bouffon?
Kooperationen sind nicht meine vordergründige Politik, sind aber interessant, wenn sie direkt etwas mit uns zu tun haben. Ja, für die Ruhrfestspiele planen wir wieder zwei gemeinsame Produktionen. Und auch der Zirkus wird im nächsten Jahr wieder kommen.
Wir können auch Wagner, lautete dank „Tristan und Isolde“ eine der positiven Botschaften der letzten Spielzeit. Fortsetzung geplant?
Wagner immer mal wieder und auch nicht erst in zehn Jahren. Aber wir werden auch nicht in jeder Saison einen großen Wagner spielen können. Das bündelt einfach sehr viele Kräfte.
Ein Coup gelang mit der Verpflichtung des Weltstars Torsten Kerl, ein Sänger aus Gelsenkirchen. Mit Anne Schwanewilms kommt ein weiterer Star aus dieser Stadt. Sind Sie da im Gespräch?
Wir hatten bereits mal Kontakt mit ihr. Ich wäre nicht abgeneigt, sie zu fragen, ob sie hier etwas machen würde. Es gibt ja viele Künstler, die mal hier gearbeitet haben und wegen der ganz besonderen Atmosphäre gerne wieder kommen. Da ist auch Torsten Kerl nicht abgeneigt oder Catherine Foster.
Das sind die großen Namen. Aber es gab zuletzt auch großes Glück mit den jungen, den unbekannten Künstlern.
Den noch unbekannten, ja, das ist richtig. Das hat auch etwas mit meinem Mut zu tun, so haben wir uns einen guten Ruf erarbeitet. Man weiß, dass wir uns um die jungen Sänger kümmern, sie nicht verbraten. Manchmal müssen wir aber auch die jungen Künstler zügeln und ihnen klar machen, dass sie hier Ensemblearbeit leisten. Das alles trägt jetzt in der Tat Früchte.
Nun steht die nächste Spielzeit vor der Tür, mit gefühlt eher weniger populären Produktionen.
Das ist etwas, was wir schon seit Jahren machen, diese Mischung aus Bekanntem und weniger Bekanntem. Die erste große Premiere ist seit Jahren immer etwas Ungewöhnliches. „Mathis der Maler“ ist ein Stück, das mich schon seit meiner Schulzeit begleitet und begeistert. Ich habe lange darauf gewartet, das selbst inszenieren zu können. Es passt ins Reformationsjahr. Es handelt sich bei „Mathis“ um großes Welttheater, das uns alle emotional und intellektuell angeht. Das fordert, lohnt sich aber auch. Ich wünsche mir, dass alle mutig und neugierig sind, dann werden diese Oper und andere viel Spaß machen. Aber wir bieten ja auch Hits wie „Nabucco“ oder „Liebestrank“. „Die Gespräche der Karmeliterinnen“ sind nicht wirklich ein Nischenstück, es trifft den Nerv der Zeit, hat gut zu hörende Musik, nicht so modern, wie man glaubt.
„Jesus Christ Superstar“ zählt zu den populären Produktionen, die Sie selbst inszenieren werden. In einer ganz neuen Sicht oder orientiert an der Essener Sichtweise?
Grundsätzlich bin ich als Regisseur nicht der Meinung, dass die einmal gefundene Lesart für ein Werk immer gültig bleibt. So habe ich den „Sommernachtstraum“ zum Beispiel dreimal sehr unterschiedlich inszeniert. Bei „Jesus Christ Superstar“ sehe ich das allerdings anders. Wir sind in Essen für uns absolut richtig mit dem Stück umgegangen. Ich habe im Vorfeld mit vielen Kollegen und Wegbegleitern gesprochen, die aus der Kenntnis der Essener Produktion heraus mich darin bestätigt haben, auch am MiR bei dem Erzählstrang zu bleiben. So werden auch unter anderem die beiden Protagonisten Henrik Wager und Serkan Kaya wieder mit von der Partie sein
Die Religionen dominieren thematisch den Spielplan. Eine Reaktion auf die aktuelle Weltenlage?
Schon in meiner ersten Saison in Gelsenkirchen war es mein Wunsch, irgendwann eine Produktion auf die Bühne zu bringen, in der Vertreter aller Religionen in einer Reihe nebeneinander sitzen und in der alle sehen, dass wir die gleichen Wurzeln haben, die gleichen Ideen verfolgen. Es ist ein so universelles Thema, es bietet so viele Chancen und so viele Gefahren, solange sich die Menschen nicht auf die gemeinsamen Wurzeln konzentrieren, die da sind. Beim allem, was wir in der nächsten Saison machen, geht es nicht darum, eine der Religionen an den Pranger zu stellen, sondern dass wir feststellen, dass die Auseinandersetzungen zu extrem viel Leid führen. Wir werden das nicht ändern können, aber wir regen den Diskurs an.
Ihr Vertrag läuft in der Spielzeit 2018/19 aus. Macht Ihnen der Erfolg Appetit auf eine Verlängerung?
Das ist eine Überlegung, die es gut abzuwägen gilt. Ich arbeite wahnsinnig gerne an diesem Haus, in dieser Stadt, im Ruhrgebiet, ich hadere nicht damit. Gleichwohl muss ich mir selber Gedanken darüber machen, wie es mir, nach dann immerhin elf Jahren, gelingt, weiterhin Impulse in das Haus, aber auch in die Stadt auszusenden. Nichts ist langweiliger, als wenn ich mit einem Erfolgsmodell einfach weitermachen würde. Nichts ist schlimmer als im eigenen Saft zu schmoren. Es ist meine Aufgabe, immer wieder zu überraschen, neue Themen aufzutun. Man muss sich darüber im klaren sein, ob man diese neuen Ideen findet, ob man bereit ist, sich neu zu erfinden. Damit bin ich derzeit beschäftigt. Ich werde mich aber in den nächsten Wochen mit den Verantwortlichen zusammensetzen.