Einen Fall wie den Münchener S-Bahn-Mord gab es in GE bisher nicht. Jugendliche Gewalt gibt es. Und Strategien dagegen

OPFER SEINER ZIVILCOURAGE: DER 50-JÄHRIGE DOMINIK BRUNNER (HIER EIN BILD MIT ZWEI UNBEKANNTEN JUNGEN FRAUEN) WIRD VON ZWEI JUGENDLICHEN AUF DEM BAHNSTEIG DER S-BAHN-HALTESTELLE SOLLN ERSCHLAGEN / MÜNCHEN / BAYERN / DEUTSCHLAND / EUROPA / 150909 / 2009 / FOTO / BLUMEN AUF BAHNSTEIG / BAHNHOF / OPFER 50 JÄHRIGER DOMINIK BRUNNER WURDE VON ZWEI JUGENDLICHEN ERSCHLAGEN ALS ER KINDER VOR IHNEN SCHÜTZEN WOLLTE / SYMBOLISCH ZIVILCOURAGE / KRIMINALITÄT / MORD / HUMAN INTEREST / SCHICKSAL
OPFER SEINER ZIVILCOURAGE: DER 50-JÄHRIGE DOMINIK BRUNNER (HIER EIN BILD MIT ZWEI UNBEKANNTEN JUNGEN FRAUEN) WIRD VON ZWEI JUGENDLICHEN AUF DEM BAHNSTEIG DER S-BAHN-HALTESTELLE SOLLN ERSCHLAGEN / MÜNCHEN / BAYERN / DEUTSCHLAND / EUROPA / 150909 / 2009 / FOTO / BLUMEN AUF BAHNSTEIG / BAHNHOF / OPFER 50 JÄHRIGER DOMINIK BRUNNER WURDE VON ZWEI JUGENDLICHEN ERSCHLAGEN ALS ER KINDER VOR IHNEN SCHÜTZEN WOLLTE / SYMBOLISCH ZIVILCOURAGE / KRIMINALITÄT / MORD / HUMAN INTEREST / SCHICKSAL © actionpress

Ungläubiges Entsetzen - das ist die Reaktion derjenigen in Gelsenkirchen, die sich in ihrer täglichen Arbeit mit Gewaltprävention, Aufklärung, Zivilcourage und schwierigen Jugendlichen beschäftigen. Dass, wie jetzt in München in einer S-Bahn geschehen, ein Mann, der sich in einem Streit mutig für Schwächere einsetzt, von zwei jungen Männern zu Tode geprügelt wird, ist in unserer Stadt so noch nie vorgekommen.

Nicht, weil es grundsätzlich nicht möglich wäre, erklärt etwa Jürgen Fleischmann vom Kommissariat Vorbeugung der Polizei Gelsenkirchen, „sondern weil in dieser Stadt ganz viel in Sachen Vorbeugung getan wird.” Die Probleme, dass Jugendliche gewalttätig werden, Raubüberfälle begehen, auf offener Straße andere anpöbeln, seien in bestimmten Stadtteilen auch in Gelsenkirchen sehr ausgeprägt. „Da haben wir etwa mit unserem Projekt ,Gemeinsam für Ordnung und Sicherheit' (GEOS) angesetzt.”

Dabei haben verschiedene Partner - Polizei, Jugendamt, Staatsanwaltschaft, Bogestra - die Gelsenkirchener Innenstadt eben genau im Hinblick auf diese gewaltbereiten Jugendlichen unter die Lupe genommen. „Wir konnten auf Straftaten ganz gezielt mit entsprechenden Bestrafungsaktionen reagieren. Auch, dass wir als Institutionen untereinander vernetzt waren, war effektiv. Man konnte zusammen über geeignete Maßnahmen nachdenken. Wiederholungstäter haben wir schnell ausgemacht. Und irgendwann hatte es sich unter den Jugendlichen rumgesprochen, dass wir sie im Visier hatten.”

Diese Maßnahme habe eine ganz deutliche Wirkung gehabt, meint Fleischmann. „Auch die Bevölkerung hat sich sicherer gefühlt.” Und auch wenn das Projekt jetzt beendet sei: „Die Erfahrung, dass das Thema in einer Hand liegt, haben wir in unseren Alltag eingebaut.”

Dennoch: „Der Fall in München hat uns gezeigt, dass wir in Sachen Aufklärung noch mehr machen müssen. Denn die Konsequenz kann ja nicht sein, dass jetzt niemand mehr Zivilcourage zeigt.” Vielmehr müsse man der Bevölkerung klar machen, dass sie in so einem Fall mit mehreren handeln müssten. „Oft stehen ja in so einer Situation ganz viele drumherum und keiner fühlt sich zuständig.” Das wolle man in der Aufklärungsarbeit in Zukunft stärker berücksichtigen, so Fleischmann.

Wer Gewalt bei Jugendlichen vorbeugen wolle, der müsse vor allem auf Bildung und Erziehung setzen, meint Dagmar Eckhart. „Das heißt, dass erzieherische Hilfen schon vor der Geburt ansetzen”, betont die Präventionsbeauftragte des Jugendamtes. „Gewalt entsteht immer dann, wenn Kinder und Jugendliche nicht in der Gesellschaft eingebunden sind, zudem noch bildunsgfern leben, ohne Aussichten auf eine berufliche Perspektive.” Genau da setzen die Maßnahmen der Stadt Gelsenkirchen an. „Sie unterstützt bereits Eltern vor der Geburt des Kindes.”

Von dem Ruf nach härterer Bestrafung von jugendlichen Gewalttätern hält Eckhart nichts. „Das ist eine populistische Forderung, die in einem Fall wie München immer schnell zur Hand ist, mit der aber niemandem geholfen ist.” Was wirklich nachhaltig Gewalt vermeide, sei, den Jugendlichen so viel Zugang zu Bildung zu verschaffen, wie es eben gehe. „Wer über ein Problem nachdenken und es verbal lösen kann, der braucht nicht zuzuschlagen.”