Gelsenkirchen. . Am „Tag der Sehbehinderten“ konnten sich Betroffene in der VHS über ein neues Beratungsangebot informieren. Neuer Name dank bundesweitem Netzwerk
Der helle Lichtschalter auf weißer Tapete, das weiße Geschirr auf farbgleicher Tischdecke. Was für Menschen mit gesunden Augen kein Problem ist, ist für Menschen mit fortschreitender Sehschwäche ein großes Hindernis im Alltag, das nicht selten in Scherben endet. Über neue Beratungsmöglichkeiten in der Sprechstunde hat der Blinden- und Sehbehindertenverein am „Tag der Sehbehinderten“ in der VHS informiert. Während sich die Mitarbeiter des Vereins in den Sprechstunden an der Vattmannstraße 2 lange nur um die Menschen kümmern mussten, die schon blind oder akut eingeschränkt sind, suchen heute immer mehr Kunden die Beratung auf, bei denen krankheits- oder altersbedingt die Sehkraft langsam mehr und mehr nachlässt.
Beratung in ganz alltäglichen Dingen
Ein neuer Ausgangspunkt für die Berater. „Bei den Hilfesuchenden, die solch eine Diagnose bekommen haben, spielen Ängste eine große Rolle“, sagt Angelika Albrecht-Masuhr. Die 64-Jährige hat sich kürzlich über das Beratungsnetzwerk „Blickpunkt Auge“ weiter qualifiziert – nun ist der Name auch an der Vattmannstraße Programm. „Wir fangen die Menschen mit ihren Ängsten auf, vermitteln Rechtsberatungen, wenn es Probleme mit der Krankenkasse gibt, Beratungstermine bei Optikern und beraten selbst auch in ganz alltäglichen Dingen.“ Das können simple Tipps sein, wie etwa Kontraste in der Wohnung zu schaffen. Bunte Teller und Lichtschalter, Töpfe und Pfannen in unterschiedlichen Farben. Mit ein paar Tricks können sich Menschen, die nicht mehr gut sehen können, ihren Alltag zuhause erleichtern.
Trotzdem ein selbstständiges Leben führen
Auch in technischen Fragen steht Angelika Albrecht-Masuhr den Kunden in der Beratungsstelle mit Rat und Tat zur Seite. Telefone oder Waschmaschinen mit Sprachfunktion seien für Menschen mit einer Sehbehinderung eine unheimliche Erleichterung im Alltag. „Es können aber auch ganz simple Sachen sein, die es auch für nicht Sehbehinderte gibt, wie etwa das Wäschefaltbrett“, sagt Albrecht-Masuhr, die sich selbst vor 20 Jahren mit der Diagnose konfrontiert sah, langsam zu erblinden. Heute hat sie noch etwa zwei Prozent ihres Sehvermögens. „Betroffene müssen einfach wissen, welche Möglichkeiten sie haben, trotzdem noch ein selbstständiges Leben führen zu können.“
Wichtiges Element der Selbsthilfe
Durch ihre Weiterqualifizierung bei „Blickpunkt Auge“ kann sie nun noch mehr den Menschen gerecht werden, die sich langsam mit ihrer fortschreitenden Sehschwäche auseinandersetzen müssen. Dabei bleibt die Beratung für Blinde natürlich nicht auf der Strecke – sie wurde nur erweitert. Denn „Beratung ist schon immer ein wichtiges Element der Selbsthilfe“, sagt Wolfgang Liffers, neuer Vorsitzender des Blinden- und Sehbehindertenvereins Gelsenkirchen. „Und diese ist nun durch das Engagement von Angelika Albrecht-Masuhr qualitativ noch besser und im Spektrum noch breiter geworden.“
Neuer Vorsitzender des Blindenvereins
Wolfgang Liffers ist seit Ende März neuer Vorsitzender des Blinden- und Sehbehindertenvereins Gelsenkirchen und hat damit nach 27 Jahren Günter Gajewski im Amt abgelöst. „Ich habe schon seit vier Jahren im Vorstand mitgearbeitet und bin dann gefragt worden, ob ich das Zepter übernehmen würde“, sagt Liffers. „Ich war auch der einzige Kandidat, denn wie in vielen anderen Vereinen haben auch wir Probleme, solche Posten zu besetzen.“ Denn, so der 54-jährige Gelsenkirchener, stecke hinter solch einem Amt auch immer eine Menge Verantwortung und Arbeit. „Ich habe aber viele Menschen um mich herum, die mich unterstützen“, sagt Liffers dankbar. „Alleine würde ich das gar nicht schaffen.“
Selbst im Alter von drei Jahren erblindet
Die ehrenamtliche Arbeit in Gelsenkirchen und seine Teilzeitstelle beim Blinden- und Sehbehindertenverein Westfalen sind für Wolfgang Liffers wichtig. Selbst im Alter von drei Jahren erblindet, möchte er sich für Menschen mit einer Sehbehinderung einsetzen. „Als Betroffener weiß ich, dass wir selbst mit dafür sorgen müssen, dass sich etwas ändert und die Stadt auch für Blinde barrierefreier wird.“
Auch wenn Gelsenkirchen im Vergleich zu anderen Großstädten schon recht weit sei, gäbe es noch Baustellen, deren Erledigung Liffers als neuer Vorsitzender vorantreiben möchte. „Dazu gehört leider auch das Hans-Sachs-Haus; dort hapert es noch an vielen Dingen, die sehbehinderten Menschen den Besuch erleichtern würden.“