Sein Name wird derzeit als möglicher Vorsitzender der NRW-SPD gehandelt: Frank Baranowski. Die WAZ hat ihn nach seinen Ambitionen gefragt.

  • Einen Tag nach der Landtagswahl hat Frank Baranowski der WAZ ein Interview gegeben.
  • Er wird Oberbürgermeister von Gelsenkirchen bleiben und nicht nach Düsseldorf gehen.
  • Das gute Abschneiden der AfD in Gelsenkirchen und im Ruhrgebiet beunruhigt ihn.

Herr Baranowski, können Sie sich erklären, warum die SPD in Gelsenkirchen überdurchschnittlich stark abgestürzt ist?

Frank Baranowski: Das ist ja nicht nur ein Phänomen in Gelsenkirchen, sondern auch in anderen Ruhrgebietsstädten. Viele Menschen hatten offenbar den Eindruck, mit ihren Alltagssorgen von Bund und Land allein gelassen worden zu sein – und dass nur eine solche Wahlreaktion aufwecken kann. Ich hoffe, dass diese Wähler noch erreichbar sind. Aber jetzt war es ein klares Signal: Kümmert euch um uns!

Das ist dann gleichzeitig der Grund, warum die AfD im Ruhrgebiet so überdurchschnittlich stark ist.

Zum einen glaube ich, dass es etwas damit zu tun hat. Die Leute sagen: Wir haben euch lange genug Signale gegeben, indem wir gar nicht wählen waren. Jetzt wählen sie AfD. Auf der anderen Seite glaube ich aber auch, dass Wutbürgerkampagnen, die im Wahlkampf oder auch davor gefahren worden sind, letztendlich auf das Konto der AfD eingezahlt haben. Es hat bei der Wahl einen massiven Rechtsruck gegeben, der eigentlich alle demokratischen Parteien herausfordern und nachdenken lassen muss, ob solche Wutbürgerkampagnen am Ende nicht eher kontraproduktiv sind.

Gelsenkirchens Oberbürgermeister Frank Baranowski hadert mit dem guten Abschneiden der AfD in Gelsenkirchen.
Gelsenkirchens Oberbürgermeister Frank Baranowski hadert mit dem guten Abschneiden der AfD in Gelsenkirchen. © Joachim Kleine-Büning

Sie sagten, Sie wollen sich mit dem guten Abschneiden der AfD nicht abfinden. Was heißt das konkret?

Ich finde, damit darf man sich nicht abfinden. 15 Prozent für eine rechtsextreme Partei dürfen keinen Demokraten ruhig lassen. Deshalb habe ich an alle demokratischen Parteien in Gelsenkirchen die Erwartung, dass sie sich jetzt mal überlegen, ob die Art und Weise, wie sie in den letzten Monaten miteinander umgegangen sind, wirklich auch zukünftig so stattfinden soll, weil es nicht dazu geführt hat, dass die demokratischen Parteien gestärkt wurden. Die SPD hat kein gutes Ergebnis, aber auch die CDU hat im Ruhrgebietsvergleich das schlechteste Ergebnis. Also kann keiner mit diesem Ergebnis wirklich zufrieden sein. Man muss jetzt genau anschauen, wo welche Ergebnisse zustande gekommen sind. Teilweise haben wir ganz hohe AfD-Ergebnisse in Stimmbezirken, wo weder die Kriminalität extrem hoch ist, noch die Zuwanderungszahlen hoch sind. Da muss man genauer hingucken, was da die Anlässe gewesen sein können.

Wie geht man mit den AfD-Wählern um? Das sind ja nicht alles Rechtsextreme oder Neonazis.

Wo die Menschen sich allein gelassen fühlen, muss Politik sich kümmern. Soweit es die Kommunalpolitik betrifft, sind wir da aufgefordert. Ich glaube aber auch, dass es nötig ist, dass wir in Richtung Bund und Land weiterhin sehr deutlich adressieren, dass wir streckenweise zu lange allein gelassen wurden mit einigen Herausforderungen. Zum Beispiel das Thema Zuwanderung aus Südosteuropa. Wir weisen auf diese Verwerfungen, die sich teilweise daraus ergeben, ja schon von Anfang an hin. Auf die Briefe, die ich nach Berlin geschrieben habe, habe ich ja bis heute keine Antwort bekommen.

Steffen Gaux (l.), Leiter der WAZ-Redaktion Gelsenkirchen, und Jörn Stender (r.), stellvertretender Redaktionsleiter, im Interview mit Gelsenkirchens Oberbürgermeister Frank Baranowski in seinem Büro im Hans-Sachs-Haus.
Steffen Gaux (l.), Leiter der WAZ-Redaktion Gelsenkirchen, und Jörn Stender (r.), stellvertretender Redaktionsleiter, im Interview mit Gelsenkirchens Oberbürgermeister Frank Baranowski in seinem Büro im Hans-Sachs-Haus. © Joachim Kleine-Büning

Welche Auswirkungen hat der Regierungswechsel auf Gelsenkirchens Stimme im Land?

Ich werde auch in der Zukunft da deutliche Worte finden, wo es nötig ist. Was richtig ist, dass es auf der Spitzenebene der Ministerien neue Ansprechpartner geben wird. Das ist so. Das war aber auch zwischen 2005 und 2010 so. Dafür sind wir alle professionell genug, um damit auch umzugehen. Auf den Ebenen darunter werden aber auch viele Mitarbeiter dieselben bleiben, so dass es da die alten Kontakte weiterhin gibt. Jetzt warten wir erstmal ab, wann eine neue Regierung zustande kommt und wie sie aussehen wird. Das wird ja noch ein spannender Prozess bei der einen Stimme Mehrheit.

Sie rechnen damit, dass es zu einer CDU/FDP-Koalition kommen wird?

Davon würde ich mal ausgehen.

Sie würden der Landes-SPD auch nicht raten, sich noch irgendwie in eine Große Koalition zu retten.

Genau. Ich glaube, dafür hätte kaum jemand Verständnis.

Was hat Frau Kraft falsch gemacht? War der Wahlkampf zu sehr personalisiert?

Das reine Setzen auf Wohlfühlwahlkampf ohne wirkliche Themen war eine Fehleinschätzung. Das mag in Rheinland-Pfalz funktionieren. Aber in einem so großen Land wie NRW, insbesondere bei der aktuellen Großwetterlage, war das falsch. Aber im Nachhinein ist man immer klüger. Wahrscheinlich wäre es sinnvoller gewesen, auch auf vorzeigbare Themen zu setzen.

War das Festhalten an der Personalie Jäger ein Problem?

Das müssen Sie Frau Kraft fragen.

Der Stimmungsumschwung in der Bevölkerung kam offenbar sehr spät. Warum ist das so gekippt?

Das weiß ich nicht. Mein Bauch sagt mir, dass das Thema Innere Sicherheit schon verfangen hat, insbesondere, so wie es dargestellt wurde, eben sehr wutbürgerhaft. Das ist schlichtweg unterschätzt worden. Dem ist nicht wirklich was entgegengesetzt worden.

Was muss jetzt in der Landes-SPD passieren?

Man muss sich zunächst mal klar werden über die Inhalte. Das war ja einer der durchaus sehr erfolgreichen Ansätze in der Zeit von 2005 bis 2010. Da ist es ja gelungen, nach der Wahlniederlage 2005 fünf Jahre später wieder die Regierungschefin zu stellen. Da sind wir auch übrigens mit kommunalen Themen wieder nach vorne gekommen. Und dann brauchen wir natürlich auch eine personelle Neuaufstellung. Es muss jetzt Nachfolgelösungen für Frau Kraft geben. Das wird man in Ruhe erörtern. Ob es jemand ist, der beides macht, also Fraktionsvorsitz und Landeschef, oder ob man das trennt.

Haben Sie Ambitionen, in die Landespolitik zu wechseln?

Also, erstmal bin ich Landesvorsitzender der SPD-Kommunalen, insofern habe ich auch in den letzten Jahren schon in der Landespolitik mitgesprochen. Aber ich bin auch gewählter Oberbürgermeister von Gelsenkirchen. Das ist keine Teilzeitbeschäftigung. Das erfordert die volle Konzentration. Aber ich werde schon dafür sorgen, dass die Kommunalen bei der Neugestaltung von Landespolitik berücksichtigt werden.

Sie wollen definitiv Oberbürgermeister von Gelsenkirchen bleiben.

Ja, natürlich. Ich glaube, man muss noch mal darauf hinweisen, dass der Landesvorsitz einer Partei ein Ehrenamt ist. Dafür wird man nicht bezahlt. Das heißt, man macht’s nebenher. Und OB von Gelsenkirchen ist schon was, das macht man nicht mal eben nebenher. Und damit ist die Sache eigentlich klar.

Und eine Doppelrolle als Landeschef und Fraktionsvorsitzender käme gar nicht in Frage, weil Sie nicht im Landtag sitzen.

Genau. Und da gibt es auch keinerlei Möglichkeiten. Ich wäre froh, wenn man sich jetzt auf andere Namen konzentrieren würde.

Mit Blick Richtung Bundestagswahl: Wie schafft es die SPD, nach so einer derben Niederlage wieder an sich selbst zu glauben?

Dass das ganz einfach wird, das glaubt niemand in der SPD. Auf der anderen Seite: Wenn man sieht, wie schnell sich das in NRW gedreht hat, kann es natürlich genauso schnell auch in die andere Richtung gehen.