Gelsenkirchen. Die Berliner Band Coppelius rockte gemeinsam mit dem Sänger Rüdiger Frank auf der Bühne des Gelsenkirchener Musiktheaters ab.

  • Im Kleinen Haus des Musiktheaters erlebten die Zuschauer mit „Coppelius.Waits.For You“ein gelungenes Spektakel
  • Die Oper „Klein Zaches, genannt Zinnober“ brachte Coppelius und Tom-Waits-Verehrer Rüdiger Frank zusammen
  • Steampunker kamen passend kostümiert zur Premiere. Für sie ist Steampunk mehr als Musik: Es ist eine Lebensart

Dieser Sound ist unvergleichlich und hat schon jetzt den Hauch der Unsterblichkeit. Wenn die Berliner Steampunk-Band Coppelius mit Tom-Waits-Verehrer Rüdiger Frank gemeinsame Sache macht, fragt sich das hingerissene Publikum verwundert nur eines: Spielen diese Herren tatsächlich das erste Mal in dieser Form zusammen?

Im Kleinen Haus des Musiktheaters erlebten die Zuschauer ein unglaublich gelungenes Spektakel. Denn der witzige Battle zwischen dem charismatischen Rüdiger „Tom Waits“ Frank und Coppelius ist von einer künstlerischen Klasse, bei der man Schwierigkeiten hat, Vergleichbares zu finden, um das Phänomen zu erklären.

„Klein Zaches“ brachte Coppelius und Frank zusammen

Dabei kennt man die Steampunk- Band spätestens seit der Oper „Klein Zaches, genannt Zinnober“, die erfolgreich am Musiktheater lief. „Klein Zaches“ brachte Coppelius und Rüdiger Frank zusammen.

Clara Wirz aus Gelsenkirchen ist Autorin des Buches ,Das große Steampanoptikum: Eine fantastische Reise durch die Welt des deutschen Steampunk“.
Clara Wirz aus Gelsenkirchen ist Autorin des Buches ,Das große Steampanoptikum: Eine fantastische Reise durch die Welt des deutschen Steampunk“. © H.Jung

Die Zusammenarbeit könnte nicht fruchtbarer sein, visuell wie akustisch. Die Bühne ist opulent ausgestattet mit Dingen aus dem frühen 19. Jahrhundert. Stehlampe und Kristalllüster, Schlagzeug und Cembalo, gepolsterter Sessel und jede Menge Metall, das blitzt und blinkt. Dazu die Musiker, gekleidet mit langen Mänteln, Vatermördern, Westen und Zylindern.

„Da wurde ein neuer Schnulzenkönig geboren“

Die größtenteils selbst gebauten Instrumente - Fahrradharfe, Stoppschild-Gitarre, Absperrungsbass, um nur einige zu nennen -, sind nicht nur toll anzusehen, sondern werden von den Künstlern Max Coppella, Nobusama am Schlagzeug, Cellist Graf Lindorf, Comte Caspar (Cembalo, Klarinette) und Sissy Voss (Kontrabass) virtuos beherrscht. Das Headbanging beherrschen sie alle, auch Butler Bastille, der herum flitzt, Oberflächen poliert und schön singt. „Da wurde ein neuer Schnulzenkönig geboren“, lästert der kleine Mann mit der Reibeisenstimme.

Rüdiger Frank hat überhaupt alle im Sack. Nach dem Battle entledigt sich der Steampunker Bastille seiner weißen Handschuhe - nicht etwa, um den Herausforderer den damit ins Gesicht zu flappen als Aufforderung zum Duell, sondern um ihm anerkennend die Hand zu schütteln.

Publikum macht Kostümparty

Die ganze Show ist laut, lustig und auch berührend. Ein wunderbar theatralisches Konzert, in dem die Mitwirkenden (alle klassisch ausgebildete Musiker, zu denen auch Professor Mosch Terpin am Cembalo gehört) nicht nur Rollennamen tragen, sondern ihre Rollen zu leben scheinen. Es geht um Liebe, Freundschaft, Leidenschaft, den Tod. Gehaltvolle Getränke und Sehnsucht.

Steampunk ist genreübergreifend, aber auf jeden Fall Rock. Metallisch, laut und eine Zeitreise, denn die Berliner sind Boten aus einer Zeit, als die Dampfmaschine erfunden wurde, das elektrische Licht das Leben veränderte und technischer Fortschritt zum neuen Götzen wurde.

Outfits meist selbst genäht oder zusammengestellt

Die Fans im Publikum waren nicht zu übersehen, denn Steampunker tragen Kostüme, Schmuck und Hüte. Die meisten Outfits sind selbst genäht oder zusammengestellt. Bei der Premiere am Samstag war der Anteil derer, die nicht entsprechend ausstaffiert waren, sogar geringer als der der sogenannten Normalen. Die Steampunker dominierten eindeutig.

Steampunker im Foyer des Musik Theater im Revier: Zum Konzert von Coppelius kamen auch (von links) Verena Fuest, Rita Krossa und Frank Austermann.
Steampunker im Foyer des Musik Theater im Revier: Zum Konzert von Coppelius kamen auch (von links) Verena Fuest, Rita Krossa und Frank Austermann. © Heinrich Jung

Das Stück war zwar nicht ausverkauft, aber sehr gut besucht. „Coppelius.Waits.For You“ läuft im Kleinen Haus des Musiktheaters. Das muss man unbedingt gesehen haben. Im April besteht dazu noch am 9. um 18 Uhr sowie am 20., 27. und 28. Gelegenheit, jeweils um 19.30 Uhr, Gelegenheit.

Lebensart Steampunk

Besucher in langen Mänteln und Kleidern, mit Hüten oder Schnürmiedern wie aus einer anderen Zeit sah man am Samstag im Kleinen Haus des Musiktheaters scharenweise. „Steampunk ist mehr als Musik, es ist eine Lebensart.“

Die das erklärte, muss es wissen, denn Clara Lina Wirz verdient damit mittlerweile ihren Lebensunterhalt. „Ich habe das Buch ,Das große Steampanoptikum: Eine fantastische Reise durch die Welt des deutschen Steampunk“ geschrieben und bin Autorin eines Onlineportals.“ Über’s Nähen kam sie zum Steampunk. „Mir gefallen die Kostüme, ich mache alles selbst.“ Prognose der 25-Jährigen, die letztes Jahr an der Oper „Klein Zaches“ mitgearbeitet hat: „Steampunk war mal klein, aber es wird von Jahr zu Jahr größer.“

Entspannte und fröhliche Individualisten

Carina Wöllnich und ihr Freund Ralf Boll gehörten zur Szene. Die Oberhausenerin: „Steampunker sind entspannt und fröhlich, Individualisten und keine Mainstream-Menschen.“ Im Alltag erkennen sich Steampunker an Details wie Schmuck. Steampunker tragen gerne Künstlernamen. Auch Margaux Montgomery aus Gelsenkirchen. Sie sagt: „Mein richtiger Name geht keinen etwas an.“