Gelsenkirchen.. Wüstenbussard zieht regelmäßig am Hans-Sachs-Haus seine Runden. Ein Greifvogel zur Taubenabwehr in Gelsenkirchen.

Medusa, dieser Name steht in der Mythologie für eine Göttin, einem Ungeheuer gleich, das vor allem für ihre sich windenden Schlangenhaare und ihren tödlichen Blick berüchtigt war. Er verwandelte Menschen in Stein. Sie hatte den Körper einer Frau, Hauer wie ein Eber, glühende Augen sowie messerscharfe Krallen und goldene Flügel.

Zumindest in Schockstarre fallen auch die gut 30 verwilderten Tauben am Dienstagmorgen, die auf einer Dachgaube neben dem Hans-Sachs-Haus ihre Ruhestätte haben, als „Medusa“ ihren Aussichtposten auf der Dachrinne zehn Meter entfernt einnimmt. Die „Ratten der Lüfte“ wissen nicht, dass der Wüstenbussard das letzte Glied in der Nahrungskette bildet, sie scheinen aber zu ahnen, dass dieser Prädator auf seinen rot-braunen Schwingen den Tod bringt. Das Gurren und Herumstolzieren endet abrupt.

Arbeit auf Kommando

„Medusa“ ist ein 15 Jahre alter amerikanischer Wüstenbussrad. Er ist an das Menschengewusel in Städten gewöhnt, kann selbstständig arbeiten. Greifvogeltrainer Pierre Schmidt bestreift mit ihm das Hans-Sachs-Haus in Gelsenkirchen.
„Medusa“ ist ein 15 Jahre alter amerikanischer Wüstenbussrad. Er ist an das Menschengewusel in Städten gewöhnt, kann selbstständig arbeiten. Greifvogeltrainer Pierre Schmidt bestreift mit ihm das Hans-Sachs-Haus in Gelsenkirchen. © Martin Möller | Foto: Martin Möller / Funke Fot

„Hopp“, lautet dann das Kommando von Adler- und Falknermeister Pierre Schmidt. Und kaum, dass der Greifvogel sich in die Luft erhebt, stieben die Tauben auseinander und nehmen Reißaus.

Schmidt nickt zufrieden. Auftrag erfüllt. „Der“, sagt der 56-Jährige aus Erfstadt-Gymnich, „lautet, die Tauben vom Hans-Sachs-Haus zu vergrämen“, ihnen die Lust auf die Stadt mit ihrem reichhaltigen Nahrungsangebot nachhaltig zu vermiesen – zumeist achtlos Weggeworfenes, Marktreste und auch Futter, das Unbelehrbare immer wieder streuen, „weil’s so schön ist, die Vögel zu füttern“. Der Heinrich-König-Platz und die umliegenden Kirchen bilden da keine Ausnahme.

Im Oktober vorigen Jahres hat Pierre Schmidt mit seinen „Streifzügen“ um das Schmuckkästchen begonnen – zweimal im Monat. Augenscheinlich mit Erfolg. „Wir hatten hier gut 300 bis 400 Tauben, jetzt sind es vielleicht noch 50 bis 60“, die das reich mit Unterständen lockende Verwaltungsgebäude heimsuchen – auch umliegende Gebäude.

Stadt bietet Nahrung in Hülle und Fülle

Gelsenkirchen steht natürlich nicht allein da mit einem Taubenproblem. In Bochum etwa brütet das Federvieh mitten im Winter – der Weihnachtsmarkt mit seinen vielen Imbissständen bietet Nahrung in Hülle und Fülle.

Und so ist Pierre Schmidt fast täglich irgendwo zwischen Bayern und Bremen unterwegs, lässt Habichte und Bussarde aufsteigen, um der Plage Herr zu werden. Nebenbei berät er Firmen und Immobilienunternehmen. Er erklärt ihnen, welche (Bau-)Maßnahmen – beispielsweise abschüssige Simse – geeignet sind, um die Ansiedlung der Stadttauben zu verhindern. In Gelsenkirchen hat er „Thyssen-Krupp beraten“.

Ansiedlung von Wanderfalken

In Panik stieben diese Tauben instinktiv auseinander, als sie den Raubvogel sehen. Auf dem Dach eines Altbaus an der Ebertstraße haben sich die verwilderten Stadttauben eingerichtet - sehr zum Ärger der Anwohner, Geschäftsleute und Passanten.
In Panik stieben diese Tauben instinktiv auseinander, als sie den Raubvogel sehen. Auf dem Dach eines Altbaus an der Ebertstraße haben sich die verwilderten Stadttauben eingerichtet - sehr zum Ärger der Anwohner, Geschäftsleute und Passanten. © Martin Möller | Foto: Martin Möller / Funke Fot

Zurück zu Medusa. Der 15-jährige Wüstenbussard ist an das Gewusel der Städte gewöhnt und so trainiert, dass er alleine arbeiten kann. Schmidt gibt ihm lediglich Start und Stopp vor. Auf dem Dach des Hans-Sachs-Hauses thront der pfeilschnelle Jäger am Ende – die Tauben drumherum haben das Feld geräumt. Vorerst einmal.

Bald aber schon hat dort ein Wanderfalke die Lufthoheit. Die Stadt will einem dieser Raubvögel auf dem Dach eine Kiste als Heimstatt anbieten. Vielleicht mit weitreichenden Folgen, denn so ein Wanderfalke „hat ein Einzugsgebiet von zehn Quadratkilometern“, erklärt Pierre Schmidt. Und damit hätten die Tauben rundherum einen natürlichen Feind, dem sie tunlichst aus der Flugbahn gehen sollten.

>> Verschmutzung, Parasiten und Erreger

  • Tauben sind hartnäckig. Vom Hans-Sachs-Haus vertrieben, haben sie sich zuletzt am Musiktheater niedergelassen – daher der Plan mit der Ansiedlung von Wanderfalken. Eine weitere Option bieten Taubenhäuser als Heimstatt. Dort werden die Eier der Brutpaare gegen Attrappen getauscht.
  • Die Überpopulation an Stadttauben in den Stadtzentren durch ein Überangebot an Nahrung führt zu Verschmutzung von Gebäuden, Denkmälern und Grünanlagen. Zudem wird das Auftreten verschiedener Parasiten und Krankheitserreger begünstigt, die auch auf den Menschen übergreifen können.