Gelsenkirchen. Die Stadtwerke führen Lokalpolitiker zur Meinungsbildung für die Bäderzukunft ins Sport-Paradies. Dramatisch ist dort der Schiefstand der Becken.
- Die Bäder fuhren 2016 Millionendefizite ein, die Anlagen haben teils ihr Lebensalter erreicht
- Die Stadtwerke führen aktuell Lokalpolitiker durch die Anlagen – zur Meinungsbildung
- Denn in den nächsten Monaten geht es um die Positionierung für die Gelsenkirchener Bäderzukunft
Diese Tour entlang der Schwimmbecken, durch Technikkeller und Gänge voller Rohrleitungen, auf die Kegelbahn und die Schießanlage im Sport-Paradies und natürlich an die Eisfläche der benachbarten Emscher-Lippe-Halle absolvieren in diesen Tagen zahlreiche Lokalpolitiker. Bäderbegehung ist angesagt. Und Problem-Analyse, allein schon wegen des Dauerdefizits. Allein für 2016 weist die Sport- und Freizeit-Stätte in Erle einen Fehlbetrag von 3,2 Millionen Euro aus.
Das Alter hinterlässt deutliche Spuren
Die Stadtwerke zeigen, wie es um ihre Bad-Anlagen steht. Funktionstüchtig sind sie (noch) allesamt, genügen natürlich auch sämtlichen Ansprüchen an Wasserqualität und Sicherheit, wie Michael Mross, der technische Immobilienmanager der Stadtwerke betont. Doch die Bädertour wird auch zum Betriebsausflug in eine Problemzone. Allgemeiner Eindruck: Das Alter hinterlässt deutliche Spuren. Nicht nur im Arena-Park nagt der Zahn der Zeit kräftig gegen alle Instandhaltungsbemühungen und Investitionen an.
Die eingesetzte kommunale Steuerungsgruppe machte den Anfang, um für die Planung der kommunalen Bäderzukunft auf einen gemeinsamen Kenntnisstand zu kommen.Vertreter der im Rat der Stadt vertretenen Fraktionen und Gruppen folgen. Im Blick: Lüftungstechnik, Filteranlagen, Wasseraufbereitung, Tanks, Kältemaschinen und Kompressoren, Pumpen, Wellenanlagen – eben einen komplexen und vor allem eng miteinander verflochtenen Technikkomplex zwischen Blockheizkraftwerk und Badespaß.
Hier ist alles vom Format XXL, auch der Erneuerungsaufwand und die energetischen Herausforderungen. Das Dach der Emscher-Lippe-Halle ist komplett ungedämmt. Im Sommer ein Brutkasten, im Winter Kältezone. Ammoniak und chlorhaltige Luft haben Leitungen angefressen, Eispunkte an Rohrübergängen machen Dichtungsverluste deutlich, die Mess- und Regeltechnik ist so alt, dass Ersatzteile schwer zu bekommen sind. „Vieles hat das Ende der Lebenszeit erreicht“, sagt Mross.
Rüber zum – stark frequentierten – Schießstand (immerhin Landesleistungsstützpunkt mit 28 Schießbahnen): Die analoge Technik und die Ausstattung strahlen den Charme der 1980er aus, nicht viel anders sieht es auf den acht Sportkegelbahnen für Teams der 1. und 2. Bundesliga aus. Die Kegler schätzen ihre Anlage. Aber die Technik stammt aus C-64-Zeiten. „Im Moment funktioniert es noch gut, aber wie lange noch?“, sagt Mross. Und: „So lange wir keine großen Investitionen tätigen müssen, schmerzt das nicht.“
27 Zentimeter Niveauunterschied
Dramatischer ist die Schieflage der Schwimmbecken. Schon beim Bau wurde mit Bergsenkungen gerechnet. Das 50-Meter-Wellenbecken hat auf Empfehlung der Statiker beim Bau eine querlaufende Dehnungsfuge bekommen. Doch bereits in den ersten zehn Betriebsjahren ging es mit den Bassins bergab. Rohrübergänge mussten mit variablen Edelstahlverbindungen, sogenannten Kompensatoren, versehen werden, um Brüche zu vermeiden.
An den Überläufen wird deutlich, dass das Wasser nur noch im Eckbereich einer Kopfseite überfließt. Diagonal gegenüber steht es fast 27 Zentimeter unter der Beckenkante. Alles fließt? Von wegen. „Das macht einen deutlichen Aufwand bei der Wasseraufbereitung“, sagt Betriebsleiter Frank Hansch. Das Bad-Team arbeitet mit den Folgen, lösen lässt sich dieses Grundproblem nicht.
Eine ganze Riege alter Schätzchen: Die Bäder in Gelsenkirchen
Das Zentralbad in Gelsenkirchen. Baujahr 1972, 1112 Quadratmeter Wasserfläche, Sportbecken (25 x 16,6 m), Mehrzweckbecken (25 x 16,6 m), Lehrschwimmbecken, Planschbecken.
Fehlbetrag 2016: 1,21 Millionen Euro. Besucher: ca. 80 000.
Probleme: Weite, ungenutzte Flure, hohe Heizkosten, eng verbaute, teils marode Rohrleitungen, Flickwerk in Fliesenbereichen, sanierungsbedürftiges Dach.
Das Hallenbad in Buer: Baujahr 1958, 2002 modernisiert. 480 Quadratmeter Wasserfläche, Mehrzweckbecken (25 x 15 m), Lehrschwimmbecken.
Fehlbetrag: 825 000 Euro. Besucher: ca. 40 000.
Probleme: keine nennenswerten, zeitgemäßer Standard.
Das Hallenbad in Horst: Baujahr 1965. 312,5 Quadratmeter Wasserfläche, Mehrzweckbecken (25 x 12,5 m).
Fehlbetrag: 399 000 Euro, Besucher: ca. 20 000.
Probleme: Die Lüftungsanlage ist unter energetischen Gesichtspunkten völlig veraltet, Undichtigkeiten in der vor 30 Jahre erneuerten Filteranlage.
Das Jahnbad in Heßler: Betriebsbeginn um 1960 (vorher Badeteich), 673 Quadratmeter Wasserfläche, Mehrzweckbecken (50 x 12,5 m), Planschbecken.
Fehlbetrag: 107 000 Euro. Besucher: Keine Angabe.
Probleme: Altes Gebäude mit rustikaler Ausstattung und (u.a. bei den WC-Anlagen) im Ursprungszustand, Beckenkörper veraltet. Schwimmbadtechnik von 1999. Perspektive: So lange keine größeren Investitionen anstehen, soll das Bad weiterbetrieben werden.